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Borowski und das unschuldige Kind von Wacken

Folge: 1251 | 26. November 2023 | Sender: NDR | Regie: Ayse Polat

Bild: NDR/Thorsten Jander
So war der Tatort:
Hardrockig.
Denn den Kieler Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg), der die Krimireihe 2025 verlassen wird (→ wir berichteten), verschlägt es gemeinsam mit seiner Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) in diesem Tatort auf das größte Heavy-Metal-Festival der Welt: nach Wacken. Einmal im Jahr pilgern über 80.000 Metalheads in den Kreis Steinburg und frönen dort in meist friedlicher Atmosphäre unter freiem Himmel dem Pogen im Matsch, dem Headbangen und dem Dosenbiersaufen. Der Krimi verbindet Originalaufnahmen der 2022er Ausgabe des Festivals mit der Spielhandlung.
Pünktlich zu seinem 20-jährigen Tatort-Jubiläum gibt sich also nun also der eigentlich urlaubende Borowski, der 2003 in Väter debütierte und als Teenager zum Love-and-Peace-Festival nach Fehmarn trampte (vgl. Borowski und der Schatten des Mondes), in der schleswig-holsteinischen Provinz die Ehre. Doch ist der Anlass diesmal ein trauriger: Auf einem Parkplatz in der Nähe von Kiel wurde ein toter Säugling gefunden und seine Mutter ist mit einem Foodtruck nach Wacken weitergereist. Wie kann eine Mutter ihr Kind dort liegen lassen? Und wo versteckt sich die unbekannte junge Frau?
Während wir um die Identität und das Schicksal von Christina Charolava (Irina Potapenko) wissen und dadurch einen Wissensvorsprung genießen, begeben sich Borowski und Sahin nach Wacken. Die zuständige Dorfpolizistin Waltraute Jensen (Regine Hentschel) kennt dort so ziemlich jeden und erklärt nicht nur den Kieler Großstadtbanausen, sondern auch dem unwissenden Teil des TV-Publikums, was das Kultfestival eigentlich ausmacht. Alles ganz friedlich, hier und da eine Schlägerei, vielleicht mal ein Taschendiebstahl. Aber Mord oder andere Schwerverbrechen? Undenkbar.
Die in die Dialoge eingeflochtenen Erklärungen sind ein kluger Schachzug von Drehbuchautorin Agnes Pluch (Baum fällt), denn ahnungslose Heavy-Metal-Banausen müssen auch musikalisch eine Menge aushalten: Der Soundtrack von The Halo Effect und Nebelleben bringt die Boxen beinahe zum Bersten. Ansonsten muss man leider resümieren: Borowski und das unschuldige Kind von Wacken, der seine Vorpremiere auf dem Filmfest Hamburg 2023 feierte, ist allen Metal-Schauwerten, tätowierten Komparsen und Kutten tragenden Kleindarstellern zum Trotz ein ziemlicher Etikettenschwindel. Wacken ist nur Staffage, das Herz der Geschichte könnte genauso gut an einem anderen Ort schlagen.
Schon im Mittelteil des Krimis kristallisiert sich heraus, dass der Weg zur Auflösung des Todes- und Vermisstenfalls nicht etwa über das Festivalgelände, sondern durch den überteuerten Hofladen von Sarah Stindt (Anja Schneider, Die Nacht gehört dir) und die leere Kneipe ihres Mannes Kurt (Andreas Döhler, Aus dem Dunkel) führt. Solche Hofläden, Kneipen und Dorfbewohner gibt es überall, nicht nur in Wacken. Zumindest bietet das abschließende Heavy-Metal-Konzert unter freiem Himmel im Epilog aber die Gelegenheit, Kriminalrat Roland Schladitz (Thomas Kügel) mal mit Käppi, Lederjacke und Sonnenbrille zu zeigen – ein sympathischer, wenn auch etwas bemühter Moment.
Der 1251. Tatort kommt ansonsten als kurzweilige, aber durchschaubare Kreuzung eines Whodunit, Whydunit und Howcatchem daher. Erscheinen uns Todesfall und Flucht zunächst genauso rätselhaft wie der Tathergang und seine Ursachen, lüften die Filmemacher um Regisseurin Ayse Polat (Masken) schon im Mittelteil ihres Films das Geheimnis um Charolavas Aufenthaltsort. Statt auf eine verblüffende Beantwortung der Täterfrage setzt das Drehbuch auf einen anderen Twist. Der ist für Krimikenner allerdings keine Überraschung und wird von Borowski auch frühzeitig angedeutet.

BOROWSKI:
Kennst du das? Du siehst etwas, das ist fast perfekt. Und trotzdem kannst du dich des Eindrucks nicht erwehren, es stimmt etwas nicht. Ein Pokal, eine Liebe, eine Leberwurst…

SAHIN:
Du brauchst wirklich Urlaub.


Es ist typisch für den oft überragenden, diesmal aber etwas schwächelnden Kieler Tatort, dass es Borowski ist, der der schwangeren Stindt auf den Zahn fühlt, während Sahin ihre Zeit mit dem herrlich überzeichneten Polizistensohn und Metal-Podcaster Lenny Jensen (Nicolas Dinkel) verplempert. In seinen 20 Dienstjahren war es meist Borowski, der im Zweifelsfall den richtigen Riecher hatte – und so ist es auch bei seinem Tatort-Jubiläum. Egal ob Frieda Jung (Maren Eggert), Sarah Brandt (Sibel Kekilli) oder hier Sahin: Keine Kollegin konnte ihm am Ende des Tages das Wasser reichen.
Borowski und das unschuldige Kind von Wacken ist dennoch ein unterhaltsamer Themenkrimi – nicht zuletzt, weil es zwischendurch zwei Videocalls mit Borowskis Putzfrau Alma Kovacz (Victoria Trauttmansdorff) gibt und die Heavy-Metal-Szene wahrlich keine Szene ist, die im Tatort besonders häufig beleuchtet würde. Die Abwechslung tut der Krimireihe gut. An anderer Stelle vermisst man sie: Andreas Döhler, dessen Qualitäten als Schauspieler unbestritten sind, ist binnen sieben Wochen zum dritten (!) Mal in einer wichtigen Nebenrolle eines Sonntagskrimis zu sehen. Über die Programmplanung der ARD kann man einmal mehr nur den Kopf schütteln.
Bewertung: 6/10


Kommentare

25 Antworten zu „Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“

  1. Das Gendern ist mir echt unheimlich auf den S gegangen…

  2. Avatar von Wie war der Tatort?
    Wie war der Tatort?

    Danke für den Hinweis!

  3. Im Archiv ist Ihnen bzgl. dieser Folge ein kleiner, ziemlich amüsanter Fehler unterlaufen: Borowski arbeitet schon seit Jahren nicht mehr mit Brandt zusammen…

  4. Die "Musik" hat uns total genervt! War waren froh als der Tatort um war.

    1. Meddl Meddl Meddl! Tja wer nur Florian Silbereisen hört, kennt nun mal keine richtige Musik.

    2. So ist es. Die Musik war super. Endlich mal echte Musik und nicht das übliche Computergedudel und gefiepse.

  5. Die Musik war der Hammer und die Location auch. Allerdings war der Film als solcher auch nicht schlecht. Viel besser als Murot z. B. oder ähnlicher Blödsinn. Bitte weiter so.

  6. 10/10 vorallem der Meddl Mann war sehr gut inszeniert

  7. Der Tatort hat mir gut gefallen. War recht spannend und die Schauspieler waren sehr gut. Besonders gelungen die Musik zum Film, endlich mal nicht das übliche Computer-Geseiere sondern echte Musik.

  8. Servus, leider wurde gegendert … hatte mich schon auf den Tatort gefreut … wenn gegendert wird, wird abgeschaltet.

    1. LOL. Angsthase.

  9. Eine glaubwürdige Geschichte, endlich mal wieder.

  10. Ordentlicher Tatort. Nichts außergewöhnliches aber Accept, Metallica & Turbonegro hört man nicht alle Tage 😀

  11. 7 von 10 Punkten

  12. Der beste Borowksi Tatort ever. Spanndend bis zum Schluß !!

  13. 8 von 10 Punkten

  14. Das war ein spannender und toller Tatort. Borowski war wieder super.

  15. Die zu sehende und mehrfach zu hörende Kieler Band heißt übrigens „Nebelleben“ und man sollte sich deren Kram mal reinziehen, die jungs und Mädels verdienen Support! Die neue Single heißt „Mahnmal“ , gibts auch auf Spotify etc.

  16. Die Geschichte fand ich auch gut und wert.
    Wacken hingegen überflüssig, ohne jeden Bezug zum Inhalt. Das hätte überall im Land spielen können.

    1. Dem kann ich voll zustimmen. Die Story war wirklich gut, aber Wacken nur Beiwerk. Aber Borowski ist immer sehenswert.

  17. Ein toller tatort mit einem super Team

  18. Auf Borowski kann man sich halt verlassen. Von mir 8/10

  19. Wacken als Kulisse war zwar nett, aber ansonsten der Lokalkolorit mangelhaft. Andreas Döhler ist ein toller Schauspieler, aber ich habe die ganze Zeit gedacht, ich gucke Polizeiruf und gleich kommt Krause um die Ecke. Beim Münchner oder Wiener Tatort wünsche ich mir manchmal Untertitel, aber beim Kieler Tatort ist das schiet egal, dass es sich um Einheimische handeln soll? Der Fall war gut, passte aber auch nicht wirklich da hin.

  20. Genialer tatort. Super Geschichte, super gespielt und wackenkulisse. Voll cool

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