Folge 1297
23. März 2025
Sender: SWR
Regie: Christina Ebelt
Drehbuch: Christina Ebelt
So war der Tatort:
Aggressionsschürend – und das auf mehreren Ebenen.
Die große Angst entführt uns knapp eineinhalb Stunden tief in den Schwarzwald – an jenen Ort also, der als Kulisse in den bisherigen Fällen mit Hauptkommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) und ihrem Kollegen Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) nicht ganz so viel Raum bekam, wie man es nach dem überwiegend in der Natur spielenden Erstling Goldbach von 2017 noch hätte vermuten können. Ähnlich wie im Vor-Vorgänger Letzter Ausflug Schauinsland geht es diesmal wieder in die Umgebung des Freiburger Hausbergs, auf dessen Spitze die Schauinslandbahn fährt.
Im 14. Tatort mit Tobler und Berg wird diese zur „Schwarzwaldbergbahn“ und eine ihrer Gondeln zum Schauplatz eines tödlichen Dramas: Weil sich ein Fahrgast hartnäckig weigert, das Fenster der stickigen Kabine zu öffnen und Frischluft ins Innere zu lassen, knallen bei der schwangeren Nina Kucher (Pina Bergemann) die Sicherungen durch. Die hochaggressive Frau, die wegen eines Tumors zu Überreaktionen neigt, schnappt sich einen Nothammer und schlägt damit auf eine Scheibe ein – trifft dabei aber versehentlich auch den Fahrgast tödlich, der das Fenster nicht öffnen wollte. An der Bodenstation angekommen, flüchtet sie mit ihrem Freund Sven (Benjamin Lillie, Déjà-vu), der ebenfalls auf den Frischluftverweigerer eingeredet hatte, erst in die Klink und dann in den Wald.
Schon zu diesem frühen Zeitpunkt stellen sich Fragen, auf die das Drehbuch von Christina Ebelt, die auch Regie führt, keine schlüssigen Antworten gibt: Warum weigert sich der schwitzende Fahrgast so eisern, das Fenster zu öffnen? Warum verhindert niemand der Anwesenden, dass das Pärchen mühelos entkommt? Und warum sollte eine kurz vor der Geburt stehende Frau im Hochsommer mit spärlichem Proviant ausgerechnet in unwegsames Unterholz statt zu juristischem Beistand flüchten? Als Panikreaktion ließe sich das erklären – dass die Kuchers sogar über Nacht im Wald ausharren, ehe sie Zuflucht in der Hütte des befreundeten Arztes Dr. Mesut Edem (Sahin Eryilmaz, sonst als Rechtsmediziner im Ludwigshafen-Tatort zu sehen) suchen, leuchtet allerdings nicht ein.
Die Story steht auf äußerst tönernen Füßen – doch mangelhafte Glaubwürdigkeit und fehlende Logik allein sind es nicht, die so manchen Zuschauer früh auf die Palme bringen dürften. Es gibt noch andere Dinge, die Die große Angst zu einem sehr anstrengenden, bisweilen fast nervtötenden Krimi machen. Etwa die künstlich arrangierten Streitereien zwischen Berg und Tobler, die sich zur Freude ihres diesmal nur telefonisch zugeschalteten Vaters für die Leitung des Dezernats beworben hat: Pausenlos kriegen sich die beiden Ermittler, die sich in den bisherigen Fällen so prima verstanden und in Ich hab im Traum geweinet sogar miteinander schliefen, in die Wolle. Das ist out of character und in dieser Schärfe und Unversöhnlichkeit seltsam unnötig.
In der zweiten Filmhälfte versuchen die Filmschaffenden dann vergeblich, dem 1297. Tatort, der vorab beim Festival des deutschen Films 2024 in Ludwigshafen zu sehen war, zusätzliche Brisanz einzuhauchen: Das Verschwinden eines kleinen Jungen, der von Nina Kucher nach einem Radunfall sogar versorgt und bald wieder gefunden wird, heizt eine (angeblich) aufgeheizte Stimmung in der Bevölkerung (angeblich) noch stärker auf. Nur: Woher kommt diese Stimmung? Vom unbewaffnet und ohne Geisel in den Wald geflüchteten Pärchen, das ja nicht für einen brutalen Mord, sondern für ein ungewolltes Unglück verantwortlich zeichnet, geht praktisch keine Gefahr aus. Beweise können sie auch keine mehr vernichten.
Dennoch tun in diesem kopf- und ziellos wirkenden Tatort alle so, als müsse bei einem fiebrigen Wettlauf gegen die Zeit unter höchster Anspannung alles dafür getan werden, um zwei Schwerkriminelle zu stoppen und eine weitere Tragödie zu verhindern – eine solche zeichnet sich aber nicht ab. Wenig würde sich ändern, würde die Hütte einfach umstellt und gewartet, bis das Pärchen freiwillig rauskommt. Das wäre naturgemäß wenig spannend, und so koordiniert der eilig installierte Einsatzleiter (Hadi Khanjanpour, Ein Freund, ein guter Freund) stattdessen hektische Manöver, bei denen die Kripo mit Kanonen auf Spatzen schießt.
Überhaupt gibt die Polizei in diesem zwar durchaus spannend arrangierten, inhaltlich aber haarsträubenden Krimi ein stümperhaftes Bild ab: Polizeibeamte auf Observation übersehen Entscheidendes in ihrem Rücken, ein Dialogversuch mit der aufgebrachten Bevölkerung endet im Werfen von Flaschen, und wenn vulgäre Social-Media-Forderungen irgendwelcher Halbstarker bei Großeinsätzen der Polizei schon krassen Zeitdruck aufbauen, rückt das die Beamten in kein gutes Licht. Zu retten ist in diesem temporeich inszenierten, unterm Strich aber hanebüchenen Tatort am Ende wenig: Beim späten Anrücken der Wutbürger fehlen eigentlich nur noch Fackeln und Mistgabeln, dann wären auch wirklich alles Klischees erfüllt.
Bewertung: 2/10
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