Folge 1300
13. April 2025
Sender: ORF
Regie: Gerald Liegel
Drehbuch: Sarah Wassermair
So war der Tatort:
Unappetitlich.
Drehbuchautorin Sarah Wassermair (Azra) und Regisseur Gerald Liegel (Alles was Recht ist) entführen uns bei ihrer jeweils zweiten Arbeit für die Krimireihe nämlich in die Küche eines Wiener Haubenlokals – doch bei dem, was sich hinter den Kulissen des feinen Gourmettempels „Efeukron“ abspielt, kann einem der Appetit schon mal vergehen. Maximal stressiger Betriebsalltag, Neid und Missgunst in der Küchenbrigade, Seitensprünge auf der Führungsebene, dauernder Drogenkonsum zum Durchhalten – und fiese Schnittverletzungen, die bei der Arbeit mit dem titelgebenden Messer nicht ausbleiben.
Weil der Chefkoch des Restaurants – André Brauer (Daniel Keberle, Kinderwunsch) – erstochen aufgefunden wird, führt der Weg von Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) direkt in das betriebswirtschaftlich schon länger unter Druck stehende Etablissement. Weitere Ermittlungen außerhalb des beruflichen Umfelds des Toten finden in diesem Tatort nicht statt: ein klassischer Themenkrimi, der sich ganz auf die Welt der Gastronomie konzentriert und sich zwischendurch nur einen humorvollen Abstecher in einen (deutlich weniger edlen) Schnellimbiss und in eine Wohnung mit illegalen Arbeitskräften erlaubt.
In der Küche, die bis auf wenige Stunden geöffnet bleibt, weil sich das Lokal keine Schließung erlauben kann, konzentrieren sich die Ermittlungen auf fünf Personen, die mit angenehm unverbrauchten Gesichtern besetzt sind und allesamt Tatmotive mitbringen: Brauers betrogene Gattin Alicia (Martina Ebm) hält den Laden als Geschäftsführerin am Laufen, während der ehrgeizige Souschef Lars Eidmann (Simon Morzé), der im Verstorbenen einen Ersatzvater und Mentor sah, die Brigade neu einschwört. Sein mehrfach vorbestrafter Bruder „Ratte“ Masler (Manuel Sefciuc, Wehrlos) ist ebenso verdächtig wie die von Brauer sexuell bedrängte Köchin Lisa (Lisa Schützenberger) und der wegen des Diebstahls von Salz (!) gefeuerte Bekim Shehu (Josef Mohamed, Ich töte niemand).
Stilistisch bedienen sich die Filmschaffenden häufig eines Mittels, das sich zuletzt auch im Münster-Tatort Man lebt nur zweimal oder im Dortmunder Tatort Made in China beobachten ließ: Während der Befragungen befinden wir uns oft von einem Moment auf den nächsten nicht mehr im Verhörzimmer, sondern mitten im Geschehen, über das der oder die Befragte berichtet und das im Zusammenhang zur Auflösung der Täterfrage steht. Anfangs gewöhnungsbedürftig, peppen diese surrealen Momente den Krimi auf, zumal Variationen der üblichen Tatort-Momente ansonsten rar gesät sind. Ein Auftaktmord und eine Handvoll Verdächtige: Messer ist ein Whodunit aus dem Lehrbuch, wie er typischer für die Krimireihe kaum ausfallen könnte.
Ähnlich wie im Münchner Tatort Der Finger von 2007, in dem Ivo Batic undercover unter Köchen ermittelt, gewähren uns die Filmschaffenden dabei durchaus reizvolle Einblicke in die knallharte Welt der Spitzengastronomie. Die gestaltet sich aber jederzeit genauso hektisch, kräftezehrend und unerbittlich, wie man es sich vorstellen würde: Echte Tiefenbohrung betreibt der 1300. Tatort selten, Überraschungen bleiben aus.
Stattdessen eröffnet das Drehbuch parallel zum Mordfall, der solide abgespult und aufgelöst wird, einen zweiten Handlungsstrang, der diesen Film zu einem sehr besonderen innerhalb des Wiener Tatort-Kosmos macht: Während Sektionschef „Ernstl“ Rauter (Hubert Kramar) diesmal fehlt und die junge Mutter und Kollegin Meret Schande (Christina Scherrer) Innendienst verrichten muss, gibt es endlich ein Wiedersehen mit Fellners Kiezkumpel Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz), der 2018 im überragenden Her mit der Marie! seinen bisher besten Auftritt feierte und zuletzt 2022 in Alles was Recht ist hinter Gittern saß. Heinzis Comeback im Knast, in den ihm Bibi Fellner gleich drei Leberkässemmeln mitbringt, kommt nicht von ungefähr: Die Majorin hegt Abwanderungsgedanken und vertraut auf seinen Rat, wie sie das Moritz Eisner möglichst schonend beibringt.
Der Erfolg bleibt überschaubar, denn erst redet das Ermittlerduo überhaupt nicht, dann aneinander vorbei, um sich am Ende zu versöhnen und Missverständnisse auszuräumen. Natürlich, das hat es im Austro-Tatort seit Fellners Dienstantritt in Vergeltung von 2011 schon oft gegeben. Dennoch schaut man den beiden noch immer gern dabei zu, zumal eine Änderung des Figurenkonstrukts mit Blick auf das Alter der beiden Hauptdarsteller inzwischen im Bereich des Möglichen und Eisners Sorgen damit berechtigt scheinen. Und der Formelhaftigkeit zum Trotz ist Messer einfach eine dieser grundsympathischen Wiener Folgen, bei denen man sich wünscht, das noch viele weitere in gleicher Besetzung folgen mögen – wie der ORF einen Tag nach der TV-Premiere bekanntgab, werden es aber nur noch vier sein.
Bewertung: 6/10
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