Folge: 976 | 21. Februar 2016 | Sender: SWR | Regie: Züli Aladag
Bild: SWR/Johannes Krieg |
So war der Tatort:
Schleppend.
Aber weniger im Hinblick auf die Spannung, als vielmehr inhaltlich: Sage und schreibe 23 qualvoll erstickte Flüchtlinge finden die Stuttgarter Hauptkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) in einem LKW, von Schleppern illegal ins Land gebracht und wenige Stunden zu spät gefunden. Alle 23 Menschenleben hätten die Ermittler retten können – hätten, ja hätten sie die Observierung des LKW, in dem sie gemeinsam mit ihrem unsympathischen Kollegen Ulmer (Christian Koerner, Freigang) von der Drogenfahndung große Mengen Rauschgift vermuteten, abgebrochen und früher den Blick in den Laderaum gewagt.
Es ist vor allem Lannert, der sich diese Tragödie zu Herzen nimmt: Er startet im 976. Tatort einen unautorisierten Alleingang, der ihn direkt in eine Flüchtlingsunterkunft führt. Dort hat sich der aufbrausende Milan Kostic (stark: Sascha Alexander Geršak, Frohe Ostern, Falke), mutmaßlicher Mörder eines Drogenbarons und Schleuser der toten Flüchtlinge, mit seiner Schwester Mitra (eiskalt: Edita Malovcic, sonst als Staatsanwältin Hanna Lennerz im Hamburger Tatort zu sehen) und der Nigerianerin Lela (Florence Kasumba, Borowski und das Meer) verschanzt.
Nebendarstellerin Kasumba, die 2019 ihren Dienst als Tatort-Kommissarin Anais Schmitz in Göttingen ihren Dienst antritt, war schon 2011 im Bremer Tatort Der illegale Tod, in dem sich die Filmemacher ebenfalls mit Einwanderern und kenternden Flüchtlingsbooten auseinandersetzten, mit von der Partie. Im gelobten Land ist aber der bessere Schleuserkrimi: Drehbuchautor Christian Jeltsch (Hundstage) setzt sich in Zeiten der europäischen Flüchtlingskrise angenehm differenziert mit der Thematik auseinander, denn hier sind nicht alle Flüchtlinge gut oder böse und nicht jeder Schleuser ein herzloser Menschenhändler.
Nach dem beklemmenden Auftakt unter freiem Himmel entspinnt er gemeinsam mit Regisseur Züli Aladag (Schwerelos) im Flüchtlingsheim ein packendes Kammerspiel, das von Minute zu Minute an Fahrt gewinnt und dem Zuschauer nur wenig Zeit für Verschnaufpausen lässt. Als Whodunit-Konstruktion zum Miträtseln funktioniert der Film allerdings nicht: Früh wird deutlich, dass nicht Kostic den ohnehin nur am Rande erwähnten Drogenkönig Ahmed Bashir auf dem Gewissen hat.
Das dramaturgische Herzstück des Krimis bildet die Pattsituation zwischen Lannert und Kostic: Minutenlang richten Kommissar und Schleuser in einem Zimmer des Heims die Waffe aufeinander, ohne dass einer der beiden den Abzug drücken würde. Anders als im zeitgleich laufenden Tschiller: Off Duty, der an den Kinokassen kolossal Schiffbruch erlitt, bricht sich die Gewalt aber nur selten Bahn: Während der impulsive Kostic immer wieder von seiner abgebrühten Schwester eingefangen wird, mahnt Lannert sich selbst zur Besonnenheit. Ein Spannungsloch im Mittelteil ist schnell überwunden: Während Lannert Kostic zur Aufgabe überreden will, tastet sich Bootz mit einem SEK-Team von Zimmer zu Zimmer durchs Gebäude.
Trotz dieses Einsatzes ist Im gelobten Land eher ein fiebriges Psychoduell als ein Actionthriller, und spätestens mit der nahenden Ankunft eines zweiten LKW entwickelt sich der 18. Einsatz der Stuttgarter Kommissare zu einem reizvollen Wettlauf gegen die Zeit. Einige Logiklöcher bleiben dabei nicht aus: Die Polizeibeamten übersehen eine vermummte Person auf einem Nachbargebäude, und auch die Durchsuchung der Zimmer fällt natürlich im entscheidenden Moment zu schlampig aus. Dem Realitätsabgleich kann die Krimireihe aber ohnehin nur selten standhalten – und so ist Im gelobten Land unter dem Strich ein überzeugendes Thrillerdrama mit kleinen Schönheitsfehlern.
Fehlen tut dabei Assistentin Nika Banovic (Mimi Fiedler): Unterstützt werden Lannert und Bootz diesmal nur von Staatsanwältin Emilia Alvarez (Carolina Vera) und Gerichtsmediziner Dr. Vogt (Jürgen Hartmann), der seine klugen Literaturzitate allerdings stecken lässt, während er in Der Inder und Preis des Lebens noch munter mit ihnen um sich warf.
Schreibe einen Kommentar