Folge: 930 | 4. Januar 2015 | Sender: ORF | Regie: Thomas Roth
Bild: ORF |
So war der Tatort:
Agentenfilmähnlich.
„Moritz und Bibi Bond“, witzelt Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) bei einer gemeinsamen Autofahrt mit Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser), und so ganz Unrecht hat er damit nicht: In Deckname Kidon finden sich auffallend viele Anleihen aus der populären 007-Reihe und anderen berühmten Agentenfilmen. Denkt man an James Bond, den Geheimagenten Ihrer Majestät, denkt man sofort auch an seine legendären Gegenspieler, die Goldfingers, Blofelds oder Le Chiffres dieser Filmwelt.
Im 930. Tatort gibt es ihn auch, den schwerreichen und auf einem hermetisch abgeschotteten Anwesen hausenden Bösewicht: Es ist der aalglatte Modeschöpfer und abgefeimte Lobbyist Johannes Leopold Trachtenfels-Lissé (wunderbar überheblich: Udo Samel, Schlaf, Kindlein, schlaf), der in seiner sündhaft teuer eingerichteten Villa mit seiner Frau (Caroline Frank) schrille Barock-Parties zu wohltätigen Zwecken veranstaltet und die Wiener Ermittler bei ihrer Stippvisite am liebsten zur Kasse bitten würde.
Nachdem der
iranische Diplomat und Atomphysiker Dr. Bansari aus dem Fenster
seines Hotelzimmers gestürzt ist und sich der ebenfalls diplomatischen Schutz
genießende Sekretär der iranischen Botschaft Hossein Zadeh (Massud Rahnama) am Tatort die wichtigsten
Beweisstücke unter den Nagel gerissen hat, führt der Weg zur Auflösung
direkt in die mondäne Villa des exzentrischen Bösewichts.
Der stets auf die Etikette achtende Trachtenfels-Lissé eifert seinen berühmten 007-Vorbildern fleißig nach: Kaum sind Eisner und Fellner außer Hörweite, gibt er seinen Handlangern telefonisch Instruktionen, und ehe sich die beiden versehen, werden sie auch schon von einem hartnäckigen Verkehrspolizisten an den Fahrbahnrand gewunken und zur denkbar unwillkommenen Alkoholkontrolle gebeten.
Neben dem mächtigen Antagonisten hat Deckname Kidon – der geheimnisvolle Krimititel verspricht es bereits – aber noch weit mehr von einem klassischen Agentenfilm: Verfolgungsjagden vor der Kulisse berühmter Bauwerke, geheime Dokumente, Industriespionage und Telefonüberwachungen. Selbst einem Zug dürfen Eisner und Fellner noch hinterherdüsen, ganz wie es James Bond 1983 in Octopussy oder 1995 in Goldeneye tat. Fast wünscht man sich zur Krönung dieser Sequenz einen Nahkampf auf dem Dach des Zuges, wie er 2013 den 007-Film Skyfall einleitete, doch halt: Das hier ist immer noch ein Tatort, und Regisseuer Thomas Roth (Der Teufel vom Berg) und Drehbuchautor Max Gruber (Operation Hiob) laufen nie Gefahr, ihren Krimi Richtung Actionthriller abdriften zu lassen.
Zum Ermittlungserfolg trägt auch Chef Ernst Rauter (Hubert Kramar) bei, der die Kommissare zwar hin und wieder bremsen muss, ihnen diesmal aber nicht wie so viele andere Tatort-Vorgesetzte störrisch in die Parade fährt, um keine politischen Verwicklungen zu riskieren. Anders als zum Beispiel der überzeichnete Regierungsrat Mattmann (Jean-Pierre Cornu) im Schweizer Tatort Verfolgt scheint Rauter selbst an einer Aufklärung gelegen, so dass er sich konstruktiv ins Geschehen einschaltet, statt nur diplomatisch auf den einflussreichen Trachtenfels-Lissé einzuwirken.
Was dem Film aber hin und wieder das Tempo nimmt, sind die zähen Reha-Momente mit Claudia Eisner (Tanja Raunig), die sich in einer Klinik mühsam vom Rollstuhl zurück auf die Beine kämpft. Und die Sequenz, in der die gewiefte Mossad-Agentin Sara Gilani (Angela Gregovic) binnen Sekunden Eisners Handy manipuliert, hätten die Filmemacher vielleicht besser nachgereicht: Viel prickelnder wäre es doch gewesen, den Zuschauer über Eisners ewig leeren Akku rätseln zu lassen, um Gilanis gekonntes Ablenkungsmanöver am Ende in einer verblüffenden Rückblende aufzulösen.
Macht aber nichts: Deckname Kidon ist auch ohne diesen möglichen Twist spannend und endet erfreulich konsequent. Nach den schrägen Tatort-Folgen der Vorwochen präsentiert sich Wien damit zum Jahresauftakt 2015 bodenständig und gewohnt stark.
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