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Geburtstagskind

Folge: 879 | 18. August 2013 | Sender: SF | Regie: Tobias Ineichen

Bild: SWR/Daniel Winkler

So war der Tatort:

Zugeknöpft.

In Geburtstagskind, dem vierten gemeinsamen Einsatz der Luzerner Ermittler Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer), wird nämlich deutlich weniger aus dem privaten Nähkästchen geplaudert als es die offizielle Inhaltsangabe der ARD nahelegt: „Im Zuge ihrer Ermittlungen werden Flückiger und Ritschard auch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert“, heißt es dort vielversprechend – erfuhr der Zuschauer in den Flückiger-Fällen Wunschdenken, Skalpell, Hanglage mit Aussicht und Schmutziger Donnerstag doch schließlich so gut wie nichts aus dem Privatleben und über den Charakter des smarten Hobbyseglers und Frauenschwarms.

Kollegin Ritschard sorgte mit ihrem leidenschaftlichen Lesbenkuss in Schmutziger Donnerstag zumindest in den Boulevardmedien für Aufsehen – und bekommt auch in Geburtstagskind von Drehbuchautor Moritz Gerber eine Steilvorlage serviert: Ihre eigene Kindheit verlief offenbar ähnlich problematisch wie die des ermordeten Teenagers Amina Halter (Charla Chiara Bär). Doch was passiert?


„Ja, vielleicht war ich auch ein Problemkind.“, gibt Ritschard dem mäßig interessierten Flückiger im Präsidium zu Protokoll, geht in der Folge aber tatsächlich mit keiner weiteren Silbe auf ihre verkorkste Kindheit ein und nahtlos zur Tagesordnung über.

Man stelle sich diese Szene in Ludwigshafen vor: Stundenlang würden Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) in der gemeinsamen WG bei einer Flasche Rotwein die eigenen Jugendsünden aufrollen (vgl. Tod einer Lehrerin). Charakterzeichnung im Schweizer Tatort? Fehlanzeige. Stattdessen hagelt es platte Weisheiten.


RITSCHARD:
Sicher, mit 14 ist man kein Kleinkind mehr.

Die Identifikation mit den ohnehin nicht sonderlich beliebten Ermittlern wird für den Zuschauer damit weiterhin zum Ding der Unmöglichkeit – was zu verkraften wäre, wenn in Geburtstagskind zumindest der Kriminalfall clever arrangiert wäre.

Doch auch hier verrichten Drehbuchautor Gerber und Regisseur Tobias Ineichen (Schneetreiben), der bereits mit Skalpell Schiffbruch erlitt, nur Dienst nach Vorschrift: Die christliche Glaubensgemeinschaft, der Aminas Vater Beat Halter (Oliver Bürgin, Wir sind die Guten) vorsteht, wird ähnlich oberflächlich skizziert wie die im thematisch verwandten Wiener Tatort Glaube, Liebe, Tod. Hierarchie und Finanzierung der sektenähnlichen Gruppierung werden erst gar nicht angerissen und außer Bibelzitaten und plumpen ideologischen Phrasen hat Halter seiner Frau und den Luzerner Ermittlern wenig zu erzählen.

Dagegen ist jede Szene mit Aminas leiblichem Vater, dem aufbrausenden Ex-Knacki Kaspar Vogt (charismatisch: Marcus Signer, Time-Out) eine wahre Wohltat: Signer gibt den trinkenden Wohnwagenbewohner herrlich rüpelhaft und macht Vogt damit zum einzigen Lichtblick unter den ansonsten einfallslosen Figuren. Schade, dass Vogt als traubenstehlender Kleinkrimineller mit dünnem Alibi – eiserne Tatort-Regel – früh als ernstzunehmender Mordverdächtiger ausscheidet und die Auflösung für jeden krimierprobten Zuschauer zur Formsache macht.

Immerhin: Der 879. Tatort ist auch dank des originellen Indizes, das zur Überführung des Täters führt, kein weiterer Schweizer Totalausfall – vom Prädikat „sehenswert“ aber noch immer ein gutes Stück entfernt.

Bewertung: 4/10

„Französich“?


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