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Im Namen des Vaters

Folge: 855 | 26. Dezember 2012 | Sender: HR | Regie: Lars Kraume

Bild: HR/Armin Alker

So war der Tatort:

Streng katholisch – oder eben auch nicht.

Die beste Nachricht vorweg: Anders als beim wenige Wochen zuvor ausgestrahlten Berliner Tatort Dinge, die noch zu tun sind ist im Weihnachtstatort 2012 nicht schon vor der ersten Sendeminute klar, wer der Täter ist, weil der Krimititel Im Namen des Vaters das Mordmotiv nicht eindeutig vorwegnimmt. 


Zwar steht beim vierten und leider schon vorletzten gemeinsamen Einsatz von Frank Steier (Joachim Król) und Conny Mey (Nina Kunzendorf) mit dem jungen Pater Markus (Florian Lukas, Der treue Roy) von Beginn an ein katholischer Geistlicher im Blickpunkt, doch schon nach einer Viertelstunde darf aufgeatmet werden: Regisseur Lars Kraume (Eine bessere Welt), der bereits die ersten beiden Frankfurter Tatorte mit Steier und Mey inszenierte und mit Axel Petermann (Der Tote im Nachtzug) auch das Drehbuch zum Film schrieb, zeigt einen kurzen Ausschnitt aus einer Beichte, nach dem die Täterfrage völlig offen ist. 


Pater Markus nimmt es mit seiner Vorbildfunktion als Vertreter der katholischen Kirche ohnehin nicht so genau: Als einer von mehreren Tatverdächtigen im 855. Tatort ist er Teil einer feuchtfröhlichen Kneipenrunde in der Silvesternacht, nach der Schnapsdrossel Agnes Brendel (herrlich abgefuckt: Anna Böttcher, Der vierte Mann) wie so oft nicht mehr den Weg in ihr eigenes Bett findet und am Neujahrsmorgen tot am Straßenrand liegt.

Die einleitende Tatortbesichtigung, bei der Steier  die alkoholschwangere Silvesterfeier auf dem Polizeipräsidium noch einmal Revue passieren lassen, ist zugleich die amüsanteste Sequenz in Im Namen des Vaters, weil das ungleiche Ermittlerduo hier voll in seinem Element ist und die taufrische Partylöwin Mey den verkaterten Trinkerkollegen Steier hämisch verspotten darf.


STEIER:
Sagen Sie mal, seit wann duzen Sie mich eigentlich?

MEY:
Naja, ich dachte, nach gestern…?

Leider denkt Kraume, der beim Briefing der Kollegen auf dem Präsidium mit einer tollen Split-Screen-Montage eine kleine Fingerprobe seines inszenatorischen Könnens abliefert, Steiers Vorsatz, fortan keinen Tropfen Alkohol mehr anzurühren, nicht ganz zu Ende: Er lässt den Hauptkommissar nur hin und wieder gierig aus einer Flasche Wasser trinken und verschenkt in der Folge reichlich Pointen.

Andererseits: Frankfurt ist schließlich nicht Münster, und so kommt die Konzentration auf das Wesentliche erfreulicherweise der Spannung und der messerscharfen Milieuskizzierung zugute.

Zwar ist der Täter für das tatorterprobte Publikum schon nach einer halben Stunde offensichtlich, doch vor allem die Besetzung der Nebenrollen kann sich sehen lassen. Hier glänzt vor allem Rainer Bock (Nie wieder frei sein) als von den Frauen links liegen gelassender Hobby-Zimmermann Werner Krabonk.

Und dann ist da noch Meys nette Spitze auf den redseligen Ermittlungspartner, bei der man sich auch in Köln und Ludwigshafen angesprochen fühlen darf.


STEIER:
Wenn jetzt auch noch das Blut von der Brendel ist, haben wir den Mörder.

MEY:
Ja, ist doch klar, Mann!


STEIER:
Was?

MEY:
Na, Sie sagen in letzter Zeit oft so Sachen, die doch eh klar sind.

Bewertung: 7/10


Kommentare

Eine Antwort zu „Im Namen des Vaters“

  1. Zugegeben: Vor dem Einschalten hatte ich meine Zweifel an diesem Krimi – wenn Religionen im Tatort behandelt werden (und ganz besonders das Christentum), geht das leider oft nicht gut aus. Man denke da an neuere Fälle wie "Borowski und das Land zwischen den Meeren" aus Kiel (2018) oder "Wunder gibt es immer wieder" aus München (2021), in denen ein Klischee über Christen das andere jagt.
    Anders jedoch hier: Hier wird dem Christentum respektvoll begegnet, da der Priester und die Gläubigen weder als Psychos (vgl. Kieler Tatort) noch als weltfremde, rückständige Charaktere gezeichnet werden.
    Der Priester ist ein ganz normaler Mensch wie du und ich, der sich als Täter geradezu aufdrängt. Diese Gewissheit wird jedoch schnell erschüttert, als ein dringend Tatverdächtiger ins Blickfeld der Ermittler gerät. Da es sich bei beiden Schauspielern um ziemlich bekannte Gesichter handelt, ist lange nicht klar, wo der Hase langläuft. Somit funktioniert der Film als Krimi hervorragend.
    Mit dem bemitleidenswerten Sohn und dem Ex-Knacki-Freund der Toten bringen die Filmemacher zwei weitere interessante Figuren ins Spiel, von denen einer am Ende für beste Spannungsmomente sorgt. Spannung ist also ebenfalls geboten.
    Was fehlt noch? Richtig, etwas Humor. Und der ist mit den großartigen Ermittlern reichlich vorhanden. Gerade Mey zählt nicht nur zu den liebenswertesten und einfühlsamsten Kommissarinnen der jüngeren Tatortgeschichte, sondern sorgt durch das liebevolle Necken des griesgrämigen Kollegen auch noch immer wieder für Lacher.
    Doch auch die Schlusspointe entlässt die Zuschauer trotz des spannungsvollen letzten Filmdrittels mit einem Schmunzeln.
    Unterm Strich handelt es sich um einen wirklich gelungenen Tatort, der Spannung, Rätselraten und Humor gekonnt verbindet. Dabei werden gesellschaftsrelevante Themen wie das Beichtgeheimnis (erinnert ein wenig an "Borowski in der Unterwelt", beleuchtet das Thema jedoch aus einer neuen Perspektive) auch noch angerissen.
    Einziger Kritikpunkt ist das etwas unglaubwürdige Geständnis: Ich denke nicht, dass dieses vor Gericht jeglichen Wert haben wird (sollte ein Experte der Rechtswissenschaft das lesen, lasse ich mich aber selbstverständlich eines Besseren belehren). Das ist aber leicht zu verschmerzen.
    Und so hat sich dieser tolle Film mit einem der besten und leider auch kurzlebigsten Tatort-Teams der Geschichte der Reihe 8/10 Punkte redlich verdient.
    "Meys nette Spitze auf den redseligen Ermittlungspartner" (in der Rezension am Ende zitiert) ist auf jeden Fall ein humorvolles Highlight, da es sich gleichzeitig um eine "nette Spitze" auf viele Tatorte handelt, die es dem Zuschauer nicht zutrauen, ein wenig mitzudenken.
    Und es ist sogar noch lustiger als in der oben zitierten gekürzten Fassung:
    Steier: Wenn jetzt auch noch das Blut von der Brendel ist, haben wir den Mörder.
    Mey: ECHT?
    Steier: Ja.
    Mey: (lacht) Ja, ist doch klar, Mann!
    Steier: (verwirrt) Was??
    Mey: Na, Sie sagen in letzter Zeit oft so Sachen, die doch eh klar sind.
    Ein wahres Vergnügen!

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