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Stille Wasser

Folge: 790 | 13. Februar 2011 | Sender: Radio Bremen | Regie: Thorsten Näter

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So war der Tatort:

Leger.

Egal ob der Parka und der Dreitagebart bei Peter Faber (Jörg Hartmann) in Dortmund oder das St.-Pauli-Shirt von Frank Thiel (Axel Prahl) in Münster: Einige Tatort-Ermittler sind bekannt für ihren Schlabberlook. Die Bremer Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) gehörten bis zum 790. Tatort nicht unbedingt dazu.

Doch nachdem das Ehepaar Frank und Yvonne Berthold in seiner Wohnung in einem großen Mehrfamilienhaus erstochen wurde, greift auch Lürsen tief in die Altkleiderkiste: Nadine (Sina Monpetain), die neunjährige Tochter der Bertholds, will trotz des brutalen Mordes an ihren Eltern unbedingt in ihrem Zuhause bleiben und flieht dafür sogar aus dem Krankenhauszimmer, in das die Bremer Polizei sie vorübergehend einquartiert.

Lürsen setzt das beharrlich schweigende und völlig verängstigte Mädchen, das die Tat beobachtet hat, als Köder für den Täter ein – und damit sie bei der Aktion nicht als Polizistin auffällt, behauptet sie, Frank Bertholds verlotterte Halbschwester zu sein. Um dessen Kollegen und Nachbarn, die vermutlich in dieselben kriminellen Machenschaften verstrickt waren wie der Tote, das eine oder andere Geheimnis zu entlocken, verwandelt sich Lürsen dank übergroßer wildgemusterter Kleidung, einem lockeren Pferdeschwanz, einer Alkoholfahne und einer lockeren Zigarette im Mundwinkel in das wandelnde Klischee einer Asozialen mit fragwürdiger Vergangenheit.

Durch ungezwungene Gespräche am Küchentisch der Toten erspart Regisseur und Drehbuchautor Thorsten Näter (Königskinder) dem Zuschauer in der Folge die sonst im Tatort üblichen langwierigen Verhöre – ein durchaus geschickter Schachzug. Und überhaupt bietet Stille Wasser eher wenig klassische Ermittlungsarbeit. Stattdessen widmet sich Stedefreund dem Einkaufen und Lürsen der Hausarbeit, die für so manchen amüsanten Monolog sorgt.


LÜRSEN:
Ich würde uns ja gerne was Leckeres kochen. Aber das ist nicht so einfach. Zur Auswahl stehen Spaghetti mit Cornflakes-Sauce oder aber Gulaschsuppe mit Erdnussbutter. Wir können natürlich auch Spaghetti mit Erdnussbutter machen und die Cornflakes über die Gulaschsuppe bröseln.

So wie Lürsens Kochkünste schwächelt aber auch ihr 23. Fall: Während ihr Undercover-Einsatz zwar wenig glaubhaft, aber zumindest kurzweilig ausfällt, verliert sich die Handlung immer wieder in Nebenschauplätzen.

Dass eine scheinbar unbedeutende Drogentote aus den ersten Filmminuten später noch einmal wichtig wird, dürfte den meisten Zuschauern klar sein – aber auch die Verdächtigen, die zufälligerweise fast alle zugleich Freunde, Nachbarn und Kollegen der Bertholds waren, haben ihre eigenen kleinen Geschichten zu erzählen.

Da sind zum einen Rebecka Gressmann (Anna Maria Mühe, Pauline), ihr Mann Max (Janek Rieke, Stiller Tod) und ihr gemeinsamer Sohn Onno (Felix Ellerhorst). Außerdem das Ehepaar Gisela (Dagmar Manzel, ermittelt ab 2015 als Hauptkommissarin Paula Ringelhahn im Franken-Tatort) und Günther Kremer (Ulrich Matthes, Im Schmerz geboren) sowie Walter Jensen (Robert Gallinowski, Dunkelfeld).

Dass gleich so viele bekannte TV-Gesichter zur Besetzung gehören, erschwert die Suche nach dem Täter, da die Formel „Der prominenteste Schauspieler war es!“ diesmal schwer anwendbar ist. Dennoch ist der Mörder spätestens in der zweiten Hälfte des Krimis offensichtlich – statt der Frage nach der Auflösung stellt sich eher die nach dem Motiv.

Und da die Ermittler einleitend am Tatort trotz Kinderzeichnungen, Kinderzimmer und Kinderfotos erst sehr spät auf die Idee kommen, nach einem Kind zu suchen, Lürsen später alle Details des Mordfalls in Hörweite des Kindes bespricht und sie Nadine trotzdem nicht einmal in ihre Undercover-Pläne einweiht, ist es wenig verwunderlich, dass das Kind irgendwann selbst die Konfrontation mit dem Mörder sucht.

Die junge Sina Monpetain erinnert mit ihrem starren Blick entfernt an die mysteriöse Eleven aus dem späteren Netflix-Hit Stranger Things und stellt Nadines Angst und Unsicherheit in ihrem bis heute einzigen TV-Auftritt überzeugend dar – und überhaupt sind die Schauspieler in Stille Wasser der größte Pluspunkt. Besonders Anna Maria Mühe glänzt bei ihrem vierten Tatort-Auftritt als verzweifelte Trinkerin.

Die Logiklöcher und Drehbuchschwächen machen diese guten Leistungen aber nur bedingt wett, zumal am Ende einige Fragen offen bleiben: Wen haben Stedefreund und der diesmal stark in die Ermittlungen eingebundene Kriminalassistent Karlsen (Winfried Hammelmann) vor dem Haus verfolgt? Und seit wann ist es im Tatort en vogue, dass die Kommissare grundlos auf ihren Assistenten herumhacken?

Bewertung: 5/10


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