Folge: 763. | 16. Mai 2010 | Sender: WDR | Regie: Kaspar Heidelbach
Bild: WDR/Willi Weber |
So war der Tatort:
Zweigleisig.
Das Autorenduo um Stefan Cantz und Jan Hinter, die gemeinsam noch viele weitere Drehbücher für Tatort-Folgen aus Münster konzipieren (z.B. Hinkebein oder Summ, summ, summ), entscheiden sich in Der Fluch der Mumie für zwei zentrale Handlungsstränge, die im 763. Tatort lange parallel laufen.
Da ist zum einen Der Fluch der Mumie, die „Vaddern“ Herbert Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) zufällig auf seinem Dachboden findet und deren knifflige Herkunftsfrage Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) natürlich sofort zur eigenen Profilierung nutzt. Der amüsante Wettstreit um mediale Aufmerksamkeit mit dem anerkannten „Scherbenbuddler“ Dr. Wilfried Kastner (Justus von Dohnányi, Eine bessere Welt), der ihm das Revier keineswegs kampflos überlässt, und die Steigerung des eigenen Ansehens unter Kollegen bildet den ersten Strang der Handlung.
Im zweiten erlebt der Zuschauer zwar weniger eine fluchende Mumie, dafür aber einen fluchenden Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl), der neuerdings Haargel aufträgt, dank Rohrbruch in seinem Badezimmer auf dem Trockenen sitzt und gemeinsam mit der auffallend flirtfreudigen Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) den Mörder eines Gefängnisaufsehers sucht.
Die erste Viertelstunde des Tatorts dominieren aber keineswegs Tatortbesichtigung, Spurensicherung und erste Recherchen, sondern der unterhaltsame Streit zwischen Mieter und Vermieter das Geschehen: Thiel und Boerne werden gar dazu gewungen, sich Vadderns Badezimmer und Dusche zu teilen – eine der köstlichsten und zugleich berühmtesten Sequenzen der Tatort-Münster-Geschichte.
Regisseur Kaspar Heidelbach (Keine Polizei) kann sich voll auf das eingespielte Ermittlerduo verlassen, weil sich Thiel und Boerne einmal mehr in Bestform zeigen und vor allem im ersten Drittel ein grandioses Dialogfeuerwerk abbrennen. Je länger der Krimi dauert, desto ernsthafter wird es aber, schließlich wollen die beiden Handlungsstränge zumindest noch halbwegs glaubhaft miteinander zusammengeführt werden.
Exemplarisch für das arg konstruierte Gerüst der Geschichte steht die Brieffreundschaft von Boernes krankgeschriebener Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) und Knastbruder Andreas Lechner (Tobias Schenke, Wem Ehre gebührt), der nach seiner Entlassung prompt bei der verschnupften Kleinwüchsigen auf der Türmatte steht, wenige Stunden später als Aushilfskraft im Labor anfängt und später sogar den entscheidenden Mumientipp gibt.
Natürlich kannten sich auch Lechner und das Mordopfer – dennoch ist die Auflösung vergleichsweise knifflig zu erraten, weil trotz zweier prominenter Hauptverdächtiger am Ende ein eher unbekannter Schauspieler den Mörder mimt. Erfreulich – und nur eine von vielen Stärken eines Tatorts, der aufgrund der ersten Viertelstunde und des extrem hohen Unterhaltungsfaktors trotz der vielen Zufälle bis heute zu den stärksten aus Münster zählt.
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