Folge: 687 | 27. Januar 2008 | Sender: WDR | Regie: Maris Pfeiffer
Bild: WDR/Uwe Stratmann |
So war der Tatort:
Pädophilenfeindlich.
Denn sie alle haben es Verdammt schwer in diesem Kölner Tatort: Bademeister Daniel Günter (Bernhard Schütz, Es ist böse) sieht kleinen Kindern im Nichtschwimmerbecken heimlich beim Plantschen zu, der schmierige Kinderporno-Händler Manfred Krüger (Hans-Jochen Wagner, ab 2017 als Hauptkommissar Friedemann Berg im Tatort Schwarzwald zu sehen) versorgt den pädophilen Günter mit Anschauungsmaterial auf DVD und der verurteilte Kindermörder Paul Keller (Thomas Arnold, Pauline) wird schon nach zwölf statt der ursprünglich vom Gericht verhängten fünfzehn Jahre Haft aus dem Gefängnis entlassen – liegt aber kurz darauf brutal ermordet in einer Mülltonne.
Drei Jahre bevor sich der spätere Tatort-Kommissar Til Schweiger in der ZDF-Talkrunde von Markus Lanz über Sexualstraftäter echauffiert und dabei ein wenig differenziertes Pauschalurteil fällt, wagen sich die Kölner Tatort-Macher im relativ plump betitelten Krimi etwas vorsichtiger an das schwierige Thema heran, blasen aber ein Stück weit in dasselbe Horn.
Außer Hauptkommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und dem Gefängnispsychologen Dr. Strachov (Oliver Nägele, Ein ganz normaler Fall) gibt es in diesem emotional aufgeladenen Krimi eigentlich niemanden, der verurteilten pädophilen Straftätern die Resozialisierung zumindest in der Theorie zutrauen würde und diese nicht gleich für immer wegsperren oder gar hinrichten möchte.
So schlägt Ballauf und seinem Kollegen Freddy Schenk (Dietmar Bär), der als Familienvater naturgemäß um Längen strenger mit Pädophilen ins Gericht geht, auch nichts als blanker Hass entgegen, als sie in der Wohnsiedlung des Toten auf den aufbrausenden Nachbarn Klaus Stiegler (Timo Dierkes, Freigang) treffen, der noch nichts von Kellers Tod mitbekommen hat.
STIEGLER:Ich würd‘ den kastrieren, wenn man mich lässt. Am besten gleich elektrischer Stuhl, und ganz langsam grillen.
Drehbuchautor Jürgen Werner (Klassentreffen), der mit Verdammt sein Tatort-Debüt feiert und in den Jahren darauf noch viele weitere Folgen beisteuert (darunter zahlreiche starke Beiträge aus Dortmund), ist sichtlich bemüht um eine differenzierte Aufarbeitung des Themas, doch trotz einiger guter Ansätze gelingt ihm das nicht ganz.
Selbst Katharina (Barbara Schnitzler, Atemnot) und Roland Keller (Günter Junghans, Türkischer Honig), die Eltern des ermordeten Ex-Häftlings, haben mit ihrem pädophilen Sohn abgeschlossen, obwohl seine Schuld am Tod eines kleinen Jungen einst von Oberstaatsanwalt von Prinz (Christian Tasche) nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen werden konnte.
Der Zuschauer ahnt schnell, dass in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, und so hält die klassische Whodunit-Konstruktion am Ende gleich zwei Antworten auf die Täterfrage bereit: War es wirklich Paul Keller, der das Kind tötete? Und wer hat Keller zwölf Jahre später erstochen? Zumindest die eine Hälfte dieser Doppel-Auflösung vermag zu verblüffen, während die andere erfahrene Tatort-Zuschauer kaum aus der Reserve locken dürfte.
Dass der 687. Tatort trotz der gelungenen Schlusspointe, des reizvollen Themas und der überzeugenden Besetzung nicht der ganz große Wurf ist, liegt aber auch an einigen handwerklichen Mängeln: Bei den Sequenzen mit dem pädophilen Günter und dessen verliebter Kollegin Jennifer (Jytte-Merle Böhrnsen, Willkommen in Hamburg) wurde zum Beispiel an den Statisten gespart – in der Schwimmhalle herrscht gähnende Leere, während im Nichtschwimmerbereich die Kinder herumtollen.
Und dann ist da noch der übermotivierte Freddy Schenk, der die Welt am liebsten allein retten würde und in diesem Tatort ständig übers Ziel hinausschießt: Die Geschenke für Enkeltöchterchen Marie („Engelchen!“) wecken bei Mutter Melanie (Karoline Schuch) keine Begeisterung und der Babysitter wird im Eifer des Gefechts schon mal mit der Waffe verjagt – er könnte ja ein Pädophiler sein.
Geradezu wohltuend sind da die mahnenden Worte Ballaufs, der in diesem Krimi den Überblick behält und nicht in die allgemeine Hetze miteinstimmt, der sich auch Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) nicht entziehen kann.
Ein sehenswerter Krimi ist Verdammt daher durchaus, zumal es für eingefleischte Fans der Krimireihe zwei Easter Eggs zu entdecken gibt: Neben Tatort-Koordinator Prof. Gebhard Henke findet auch Produzentin Sonja Goslicki in diesem Krimi von Regisseurin Maris Pfeiffer (Mit ruhiger Hand) ihre versteckte namentliche Erwähnung.
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