Folge: 638 | 27. August 2006 | Sender: SWR | Regie: Andreas Senn
Bild: SWR/Jaqueline Krause-Burberg |
So war der Tatort:
Verkatert.
Der Ludwigshafener Ermittler Mario Kopper (Andreas Hoppe) wacht morgens nämlich nicht nur neben einer hübschen weiblichen Begleitung, mit der er am Vorabend einen über den Durst getrunken hat, sondern vor allem mit einem gehörigen Brummschädel auf. Die Folge: Hauptkommissarin und Mitbewohnerin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) muss sich beim gemeinsamen WG-Frühstück nicht nur sein Wehklagen anhören, sondern auch noch hinnehmen, dass Kopper seinem Betthäschen erfolgreich vorgaukelt, Lena sei seine Schwester.
Der 638. Tatort, in dem der Autoliebhaber in der ersten Viertelstunde konsequent eine dunkle Sonnenbrille trägt und sich vorwiegend durch Stöhnen und amüsantes Gemecker bemerkbar macht, fällt für einen Tatort aus Ludwigshafen auffallend heiter aus. Ob es daran liegt, dass Odenthal und Kopper der tristen Stadt schon bald den Rücken kehren und sich aufs Land wagen?
Ermittelt wird dies mal im beschaulichen Angerburg, einem kleinen Dörfchen, das ebenso fiktiv ist wie die örtliche forensische Klinik Engelsried, in der der gefährliche Serienmörder Holly (Ole Puppe, Schweinegeld) unweit vom Fundort einer Mädchenleiche einsitzt. Doch wenngleich der Folgentitel es nahelegen mag: Der Lippenstiftmörder erzählt keine klassische Suche nach einem Serientäter. Holly ist nur einer aus einem halben Dutzend Tatverdächtiger und hat zudem das beste Alibi – die meterhohen Mauern der Anstalt.
Sicher sein kann sich der Zuschauer trotzdem nie, ob der clevere Insasse nicht doch einen Weg zur Flucht gefunden hat – mit Volleyballtrainer Rolf Czerni (Dirk Borchardt, Borowski und die Frau am Fenster) und seiner krankhaft eifersüchtigen Frau (Sybille J. Schedwill, Lastrumer Mischung), dem trauernden Ex-Lover Florian (Constantin von Jascheroff, Heimatfront) und der argwöhnischen Schulfreundin Caro (Laura-Charlotte Syniawa) stehen aber viele bekannte TV-Gesichter (und damit reichlich ernstzunehmende Alternativen) bei der Suche nach dem Mörder zur Auswahl.
Dass die Charakterzeichnung bei der einen oder anderen Nebenfigur auf der Strecke bleibt, stört kaum, da Drehbuchautor Christoph Darnstädt (Vergissmeinnicht) und Regisseur Andreas Senn (Vermisst) zumindest den in der Klinik einsitzenden Lippenstiftmörder angenehm differenziert beleuchten und nicht vorschnell als kranken Irren oder geheilten Sympathieträger abstempeln.
Ein solches Vorgehen hätte man sich freilich auch bei manch anderer Folge aus Ludwigshafen gewünscht – man denke nur an Fette Krieger, Der Wald steht schwarz und schweiget oder Die Sonne stirbt wie ein Tier. Der Lippenstiftmörder ist zweifellos zwei Klassen besser.
Bewertung: 7/10
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