Folge: 578 | 7. November 2004 | Sender: BR | Regie: Thomas Jauch
Bild: BR/Bavaria Film GmbH/klick/Christian A. Rieger |
So war der Tatort:
Psychedelisch.
Denn Nicht jugendfrei wartet mit einem breiten Sortiment an Rauschmitteln auf, die nicht nur verkauft, sondern auch fleißig konsumiert werden. Da kann es selbst einem so erfahrenen Ermittlerduo wie den Münchner Hauptkommissaren Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) passieren, dass sie sich plötzlich von Damenhandtaschen und knallgrünen Lurchen und verfolgt fühlen…
Aber der Reihe nach: Der Pharmazeut Karl Kreuzer wird einleitend in seiner Apotheke tot aufgefunden – brutal ermordet mit einem Löffel, den man ihm durchs Ohr ins Gehirn gestoßen hat. Entdeckt wird die ungewöhnliche Leiche von einem skurrilen Rentnertrio: Cynthia Lademaker (Eva Pflug, Kassensturz), Adi Zeitler (Horst Sachtleben, Außer Gefecht) und Willy Tindle (Dietmar Schönherr, Passion). Die drei wollen bei ihrem Stammapotheker ihre Medikamente abholen, setzen aber stattdessen den Hauptverdächtigen auf freien Fuß, der sich versehentlich in der Apotheke eingesperrt hatte. Und sie haben es auch selbst eilig, wieder vom Tatort wegzukommen, weil sie pünktlich zur Beerdigung eines gemeinsamen Freundes auf dem Friedhof sein wollen.
Batic und Leitmayr stehen in ihrem 38. Fall vor einem ziemlichen Durcheinander. Der Tatverdächtige ist entkommen, ihre Zeugen haben sich wieder aus dem Staub gemacht und die Assistentin des Opfers, Helga Müller (Christiane Hammacher, Kielwasser), hat wegen eines Zahnarzttermins nichts vom Mord mitbekommen und kann sich mit ihren heftigen Zahnschmerzen nur durch Handzeichen verständigen. Auf dem Schreibtisch des Toten finden die Ermittler einen Zettel mit der Aufschrift „Überfall Geld + H.!“. Was es dabei mit dem „H“ auf sich hat, entdecken sie schnell in einer Geheimschublade des Apothekers: Er bewahrte dort eine beträchtliche Menge an Heroin und anderen Drogen auf.
Da sich die Spur des Flüchtigen schnell verliert, nehmen sich die Münchner Polizisten erstmal das Opfer vor und stellen eine Verbindung zur Seniorenresidenz Bernried her. Die dortige Hausärztin Dr. Margit Schröder (Margret Völker, Blutsbande) kann ihnen einiges über Kreuzer erzählen, aber auch über die drei Senioren, die seine Leiche gefunden haben. Der vielfache Tatort-Regisseur Thomas Jauch (Zahltag) macht uns rasch deutlich, dass der Fokus seines Films auf Lademaker, Zeitler und Tindle und ihrem kuriosen Alltag liegt. Schon zu Beginn der Folge sehen wir sie im Mondlicht am Waldrand tanzen und bekommen dann ausschnittweise gezeigt, wie sie sich mit kleinen Diebstählen über Wasser halten und immer wieder irgendwelche Pillen einwerfen, die ihnen sicher kein Arzt verschrieben hat.
Das Thema Altwerden und die Auseinandersetzung mit dem Tod ziehen sich wie ein roter Faden durch die Dialoge des Films, sowohl zwischen den Rentnern als auch zwischen den Kommissaren. Dafür hat sich Drehbuchautorin Gerlinde Wolf (Allmächtig) eine wohl schwarzhumorig gemeinte, auf Dauer aber reichlich alberne Fülle an Witzen und Wortspielen ausgedacht. Auch Gerichtmediziner Dr. Petsch (Bernd Dechamps, Gestern war kein Tag) lässt sich bei der Untersuchung des Opfers anlässlich des Bestecks im Ohr des Toten zu einem eher geschmacklosen Scherz hinreißen.
BATIC:Mit dem Löffel, wie lange hat das gedauert, bis er…DR. PETSCH:Sie meinen, bis er ihn abgegeben hat?
So richtig erreichen wollen uns der Humor und die wehmütig-nostalgische Stimmung der 578. Tatort-Folge nicht. Auch an den geradezu normalisierten Drogenkonsum, der sich durch alle Altersgruppen und sozialen Schichten zieht, will man sich kaum gewöhnen. Ist der seichte Krimi als Appell für Sterbehilfe oder einen leichteren Zugang zu schmerzlindernden Substanzen gemeint, wäre es überzeugender gewesen, das gesundheitliche Leiden der Senioren mit dem nötigen Ernst darzustellen (statt zwei von ihnen fast beiläufig ein ganzes Grab ausheben zu lassen).
Die eigentliche Mordermittlung bleibt meist Nebensache – stattdessen lassen sich Batic und Leitmayr ganz schön von den drei durchtriebenen Rentnern ablenken, decken aber nebenher noch einen Drogenring auf. Spannung entsteht unterm Strich kaum und der Film ist nur an ein paar wenigen Stellen wirklich unterhaltsam. Wer sich noch an die ARD-SciFi-Serie Raumpatrouille zurückerinnert, wird am Zusammenspiel von Eva Pflug und Dietmar Schönherr (die 1966 in diesem Format mitwirkten) sicher Freude haben. Zwischendurch gibt es sogar einen kurzen Ausschnitt der Serie auf einem Fernseher im Hintergrund zu erspähen.
Ein Angelausflug von Carlo Menzinger (Michael Fitz) dient darüber hinaus als hinreichend amüsanter Running Gag und einen wirklich gelungenen, augenzwinkernden Moment gibt es in der Seniorenresidenz auch noch: Eine gehörige Portion Selbstironie bietet der Besuch von Batic und Leitmayr im Aufenthaltsraum, als sich die beiden plötzlich drei älteren Herren gegenübersehen, die dem Münchner Ermittlertrio auf den zweiten Blick erstaunlich ähnlich sehen…
Bewertung: 4/10
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