Folge: 1238 | 21. Mai 2023 | Sender: BR | Regie: Lancelot von Naso
Bild: BR/Bavaria Fiction GmbH/Claudia Milutinov
So war der Tatort:
Kompetitiv.
Der 92. Fall mit den Münchner Hauptkommissaren Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) entführt uns nämlich in die Welt der Gaming Competitions – publikumsstarken und durchaus schweißtreibenden Computerspiel-Wettkämpfen also, die in Zeiten von E-Sports-Ligen und millionenfach gestreamten Twitch-Übertragungen einen absoluten Boom erleben. Aber kann das mit zwei Boomern in den Hauptrollen funktionieren?
Es kann, denn die Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian Iwersen, die bereits den ähnlich digitalen Münchner Tatort KI schrieben, umschiffen viele Klischees und machen aus der Not ganz einfach eine Tugend. So sehr die ergrauten Ermittler auch mit der Gamer-Szene und rasanten Ego-Shooter-Battles auf Leinwänden fremdeln, so wunderbar selbstironisch gehen sie mit ihrer Ahnungslosigkeit um. Natürlich haben sie nicht jede Vokabel parat. Aber da ist ja noch ihr Kollege Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer), der als Digital Native einspringt, wenn sie mal nicht weiterwissen. Der eingespielte Generationen-Gegensatz funktioniert einmal mehr super und generiert – ebenso wie ein subtiler Running Gag um Batic‘ Weitsichtigkeit – feine humorvolle Momente.
Angenehm bescheiden geben sich Batic und Leitmayr, wenn sie doch mal mit Fachwissen punkten – bevor sie es überhaupt benötigen, vergeht allerdings eine ganze Weile. Denn der obligatorische Auftaktmord in Game Over findet nicht in einer vernetzten Zockerhalle, sondern analog unter freiem Himmel statt: Die junge Polizeimeisterin Lena Wagensonner (Xenia Benevolenskaya) wird bei einer Fahrzeugkontrolle wegen eines defekten Rücklichts scheinbar wahllos vom Insassen niedergeschossen und verstirbt in der Klinik. Ein elektrisierender, in seiner Nüchternheit besonders schockierender Einstieg in einen Tatort, der als temporeicher Thriller beginnt und auch als temporeicher Thriller endet.
Dazwischen aber gehen die Filmemacher etwas vom Gas. Nach dem dramatischen, düster vertonten Auftakt, der Sicherstellung des ausgebrannten Fluchtfahrzeugs und dem Auffinden einer verkohlten Leiche im Kofferraum folgen seichte „Hundemomente“ im Präsidium und die üblichen Whodunit-Stationen: Assistent und Dackelhüter Ritschy Semmler (Stefan Betz, nach Abstinenz in Hackl wieder dabei) und Rechtsmediziner Dr. Matthias Steinbrecher (Robert Joseph Bartl) steuern wegweisende Erkenntnisse bei, Hinweis A führt zu Aussage B, Indiz C zu Person D.
Wenig aufregend und recht geradlinig arrangiert – sieht man von einem grandios komischen, weil absolut aberwitzigen Exkurs an ein Horrorfilm-Set ab, bei dem Batic und Leitmayr den früheren Polizeischüler und jetzigen Aufnahmeleiter Andreas Jaschke (Rouven Magnus) befragen und spontan als Statisten einspringen sollen. Zugleich ist dieser Meta-Dialog ein herrlicher Seitenhieb auf die im Tatort oft so verkrampft erzählte und besetzte Diversität, wie sie gerade erst wieder im Freiburger Vorgänger Das geheime Leben unserer Kinder zu beobachten war.
JASCHKE:
Das kommt jetzt vielleicht ’n bisschen komisch, aber haben Sie zufällig Ihre Dienstwaffe dabei?
LEITMAYR:
Äh, ja?
JASCHKE: Sehr gut, wir brauchen nämlich noch ’n Polizeikomparsen. Dauert echt nicht lange. Ein, zwei Stunden, einmal durchs Bild laufen, 90 Euro bar aufe Kralle.
BATIC:
90 Euro? Gar nicht schlecht, Franz, oder?
LEITMAYR: Na. Nehmt’s lieber ihn, da habt ihr gleich ’n bisschen Migrationshintergrund.
Nach einer SEK-Stürmung der Wohnung des Fahrzeugbesitzers und einer freizügigen Begegnung mit seiner Schwester Verena Hetsch (Lea van Acken) offenbart sich: Ähnlich wie im Berliner Tatort-Zweiteiler Nichts als die Wahrheit (1) und Nichts als die Wahrheit (2), der wenige Wochen zuvor auf Sendung ging, müssen die Kommissare gegen die eigenen Kollegen ermitteln. Wieder ein Netzwerk von Polizisten, die Dreck am Stecken haben. Nur schießen sie diesmal nicht auf Politiker am Potsdamer Platz, sondern auf bewaffnete Kontrahenten aus Pixeln – als „Munich Sheriffs“ bei Counterstrike.
Zwischenzeitlich können sich die Filmemacher um Regisseur und Tatort-Debütant Lancelot von Naso aber nicht recht entscheiden: Wollen sie nun von diesem Netzwerk erzählen oder das Schicksal des Gaming-Stars Oskar Weber (Yuri Völsch) beleuchten, der von seinem Vater Patrick (Oliver Wnuk, Videobeweis) extrem unterstützt und von seiner Mutter Ursula (Marie Burchard) extrem nicht verstanden wird? Am Ende kommt die Familiengeschichte etwas zu kurz und einige Figuren bleiben – kein Wunder angesichts der Spieldauer – entsprechend flach. Das offenbart sich vor allem in Verena Hetsch („Ich hab Erzieherin gelernt, aber ich hasse Kinder.“) und Patrick Weber, gegen deren Schablonenhaftigkeit Lea van Acken und Oliver Wnuk tapfer anspielen.
Spannend und kurzweilig ist der 1238. Tatort über weite Strecken trotzdem: Das spektakuläre Finale im und auf dem Audi Dome entschädigt mit aufwändigen Schauwerten und einem fiebrigen Showdown für kleinere Hänger im Mittelteil. Hier gipfelt das Geschehen in klassischer Sportfilm-Dramaturgie – da hätte es den Anschlag auf Kalli Hammermanns Leben, dessen kitschige Auflösung eilig nachgereicht wird, unterm Strich gar nicht gebraucht. An den meisterhaften Münchner Meilenstein Unklare Lage von 2020 reicht Game Over auch deshalb – trotz einiger Thriller-Parallelen und vieler starker Momente – nicht ganz heran.
Macht das Sinn: Dieser Polizistenausbilder (der später selbst ermordet wurde) saß ja auf dem Beifahrersitz und muss dann die Polizistin erschossen haben.
Und der Fahrer war dann der Seubert der sich am Ende selbst erschossen hat… Kommt das hin?
Mir sind auch die verschiedenen Mercedes aufgefallen…. aber: wer war denn nun der Beifahrer im Mercedes neben dem Seubert?? Bei der Kontrolle bzw. bei Ausfahrt aus Garage an Oskar vorbei??
Das Mordopfer aus dem Kofferraum, das zu dem Zeitpunkt noch gelebt hat. Das erklärt auch das Motiv für die Ermordung der Polizistin. Ist halt blöd, wenn man mit dem Opfer kurz vor der geplanten Tat von einer Polizeikollegin gesehen wird.
Das glaube ich nicht. Die Leiche wurde ja schon völlig verbrannt kurz später gefunden. Außerdem hat der Mörder/Polizistenausbilder ja dann auch später noch jemanden angerufen als der Zeuge/Gamer bei ihm aufgetaucht ist und ihn dann umgebracht hat
Ohne unlogischen Auslöser (später völlig kontrollierter Täter erschießt Polizistin im Affekt???) und oberflächliches Familiendrama geht es im Tatort ja leider selten, deshalb also den "Eislaufvater" und die "Geh doch mal an die frische Luft"-Lehrerinnenmutter, die dann so pädagogisch ist, sich mit ihrem Sohn minutenlang vor versammelter Grundschulklasse anzubrüllen. Was an der Dreharbeitenscene "meta" und "grandios komisch" gewesen sein soll, wie der Kritiker meint, erschließt sich mir nicht, sondern fällt in die Reihe der ansonsten unmotivierten und somit fremdkörperartigen Altherrenwitzeleien, wie sie bei der Kritik regelmäßig auf Anklang stoßen, nur daß diesmal kein alter PKW sondern ein ganzes Filmset als Vehikel (sic!) benötigt wurde. Bloß Dreharbeiten in einem Film zu zeigen war auch noch nie meta. Wie das geht, kann man im gleichnamigen Berlin-Tatort und bei Murot in Perfektion sehen. Verflechtung der Videospielhandlung mit der Realität, wie es am Ende mit Überschneidungen bei der Täterhatz versucht wurde, waren da schon eher Elemente, die man meta nennen könnte und mit dem man den ganzen Film stilistisch hätte aufwerten können. Das ganze hätte dann auch ohne Film-im-Film, Dackelgeplänkel und Familienkriselei funktioniert, aber hier ging es wohl darum, eine eher dünne Story zu dehnen, weil man zu wenig Zeit/Lust hatte E-Sports intensiv zu recherchieren und zu wenig Geld/Mut mehr Thrill in die Sache zu bringen. Guckbar war er dennoch, aber nur im Vergleich zur extrem schwachen Konkurrenz seit Jahresanfang und das ist dann eigentlich auch kein Kompliment mehr…
Der Tatort war mittelprächtig. Gottseidank wurde auf die korrekte Beteiligung von Minderheiten dieses Mal verzichtet. Allerdings war die Tonqualität wieder mal sehr unbefriedigend – vielleicht werde ich aber auch langsam taub ?!
Prima, endlich mal wieder! Gutes Team, Ton am Fernseher leider oft nachjustieren, aber spannend (wenn auch für die ältere Generation schon fast beängstigend) – nach dem Motto und wie schon gefragt: "Gibt´s das wirklich??"
Und: Warum wurde die Polizistin erschossen? Ich denke – wer mit einer Person im Kofferaum (tot oder lebendig) unterwegs ist, kann wie so oft im echten Leben schon mal "durchdrehen"
7*******
Eigentlich gibt es am Set mindestens eine Person, die auf so etwas achtet. Wir mussten auch schmunzeln, weil die Polizistin in der Pathologie noch ihre Polizeiuniform anhatte.
Sehr beängstigend, weil auch realistisch. Mit Ballerspielen und Onlinetöten verrohen unsere Kids. Und sie werden dafür auch noch gefeiert. Macht Angst. Als Tatort nicht schlecht, aber ich wundere mich ob sich Polizisten auch im wahren Leben oft so dämlich anstellen. Und ich frage mich auch ob es bei der Kripo auch so alte Ermittler gibt. Wobei ich Münchner Tatort gern sehe weil die Ermittler weder psychische Probleme noch durchgeknallt sind, sondern ganz normale Menschen sind.
Der Tatort war leider total unlogisch:
1) Warum wurde die Polizistin erschossen?
Es bestand für Seubert (oder "Seufert"?) doch gar keine aktue Gefahr bei der Kontrolle. Es wäre doch viel sinnvoller & sicherer gewesen, die Fahrzeugkontrolle erstmal über sich ergehen zu lassen. Bei der späteren Kontrolle an seiner Haustüre war er doch auch total kontrolliert und berechnend. Und dann gab es dazu keinerlei Erklärung. Echt schwach.
2) Warum hatte Hetsch die Passwörter auf dem Cheating Handy, das er für den Betrug nutzen wollte. So wie ich es verstanden habe, sollte das Handy ja an den Gamer übergeben werden.
3) Selbst wenn sie da drauf gewesen wären, würden Fremde niemals an das Passwort kommen, da jeder IT-affine Mensch Passwörter in einer Passwort app speichert.
Na, wenn ne Leiche in deinem Kofferauf liegen würde, die du dort rein gelegt hast, würde dir das klar sein, warum sie erschossen wurde. Zumal sie ihn ja auch noch erkannt hat und es nicht sein Auto war.
Ich fand den Tatort nach all dem Schrott der letzten Monate garnicht so schlecht. Gestört hat mich nur die viel zu vielen Szenen in der Gamer-Szene, ausserdem das Genuschele des Oscar Weber (Yuri Völsch). Weiterhin das gegen jede Vorschrift verstoßende Verhalten einiger Polizeibeamter*innen. Aber gut, Tatort ist Tatort und Realität ist Realität!
Punkte: 6 von 10
Mir hat es 8-sternemäßig gut gefallen. Einblicke in eine mir unbekannte Parallelwelt, mit der ich (abgesehen von einem lautstark spielesüchtigen Nachbarn) keine Berührungspunkte habe. Interessant, spannend, unterhaltsam. Und ein Extradank dafür, dass dieser Tatort ohne krude Experimente allein um der Experimente wegen auskam und ohne die mittlerweile offensichtlich sehr gefragte Abhakliste für angeblich politisch korrekte Themen. 8 fette Sterne. Danke!
Toller Tatort! Aber wie kann man als Polizistin bei einer Kontrolle nur so leichtsinnig agieren und sich ungeschützt vor dem Fahrerfenster aufbauen??? Das wird doch so hoffentlich nicht auf der Polizeischule vermittelt?
Spannend, bis zum Schluss. Die E-Sport-Szene gut in die Geschichte integriert ohne peinlich zu sein. Und ordentlich Geschwindigkeit, die mir in Münchner Tatorten manchmal zu wenig ist. Die Folge hat richtig Spaß gemacht.
Schön, endlich mal wieder ganz normale Schauspieler und keine umerziehend aufdringlichen woken Schwulen und Lesben zu sehen. Mir hat der Tatort wirklich gut gefallen.
Naja, das war eben Situationskritik. Dilettantischer als bei der „Flucht“ von Seubert geht es ja kaum. Das fällt im Tatort immer wieder auf, das die Story künstlich verlängert wird durch extrem fahrlässige Polizeiarbeit. Natürlich muss und kann ein Tatort nicht völlig Realistisch sein, aber derart extremer Dilettantismus spricht einfach nicht fürs Drehbuch.
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