Bild: SR/Manuela Meyer

Das schwarze Grab

Folge 704

14. September 2008

Sender: SR

Regie: Gregor Schnitzler

Drehbuch: Thomas Kirchner

So war der Tatort:

Bergmännisch.

Denn der dritte von nur sieben Einsätzen, die das ungleiche Saarbrücker Ermittlerduo Franz Kappl (Maximilian Brückner) und Stefan Deininger (Gregor Weber) bis zu seinem krönenden Abschluss Verschleppt im Jahre 2012 gemeinsam absolvierte, spielt größtenteils unter Tage. Und beleuchtet damit ein buchstäblich verborgenes Metier, das spätestens seit der Debatte um den Klimawandel und der damit einhergehenden Umstellung auf erneuerbare Energien vom Aussterben bedroht ist.

Drehbuchautor Thomas Kirchner (In seinen Augen), dessen Story auf dem gleichnamigen Roman von Martin Conrath basiert, setzt dem Beruf des Bergmanns in Das schwarze Grab geradezu ein filmisches Denkmal. Nach einem reizvoll-rätselhaften Auftakt in einem fast surrealen Setting und dem Auffinden der Leiche von Wiebke Steinmetz, die brutal mit einem Bergmannseisen erschlagen wurde, werden wir Zeugen eines historischen Moments: Anlässlich der Schließung der (fiktiven) Karlsgrube, dem letzten aktiven Bergwerk im Saarland, findet 1.200 Meter unter der Erde ein Festakt statt, den viele Anwesende eher als Trauerfeier empfinden.

Neben Vertretern aus Politik und Wirtschaft wohnen ihm auch zahlreiche Journalisten und Bergmänner bei – zu ihnen zählt auch David Steinmetz (Adrian Topol, Verraten und verkauft), der noch nichts vom Tod seiner Frau ahnt. Kappl will ihn darüber informieren und fährt mit seinem ebenfalls als Bergmann arbeitenden Bruder Mark (Tobias Oertel, Happy Birthday, Sarah) ins Bergwerk ein. Das wird zur Bewährungsprobe: Der gebürtige Bayer Kappl („Ich war bisher immer nur auf Bergen, nie darunter.“) hat nämlich nicht nur mit seiner Klaustrophobie, sondern auch mit dem Bergmanns-Vokabular und den regionalen Gepflogenheiten zu kämpfen.


KAPPL:
Ich bin jetzt in der Zeche und gleich nicht mehr erreichbar. David Steinmetz ist mit den anderen Kumpeln unten.

DEININGER:
Sag mal, du warst auch noch nie unter Tage, gell?

KAPPL:
Wieso?

DEININGER:
Zeche und Kumpel, das gibt’s nur im Ruhrpott. Bei uns hier heißt das Grub’ und Bergmann.

Fehlende Sprachsensibilität bleibt in der 704. Tatort-Folge aber Kappls kleinstes Problem, denn ein explosiver Sabotageakt sorgt dafür, dass die Delegation unter Tage eingeschlossen wird. Der Film mausert sich dadurch in der Folge phasenweise zum mitreißenden Grubendrama und erinnert nicht nur thematisch an den fünf Jahre zuvor ausgestrahlten Sat.1-Zweiteiler „Das Wunder von Lengede“. Mit dem Staatssekretär Dr. Heinz Barenz (Thomas Bestvater, Schmuggler), einst selbst Bergmann und inzwischen ein prominenter Verfechter des Kohleausstiegs, ist unter Tage schnell ein zweiter Toter zu beklagen.

Während Kappl in der Folge bei spärlicher Grubenbeleuchtung versucht, auch beim Mordfall Licht ins Dunkel zu bringen, verfolgt Deininger mit Unterstützung seines Kollegen Ben Müller (Urs Fabian Winiger) und von Kriminaltechniker Horst Jordan (Hartmut Volle) die Spur des zu Gewalt und Alkohol neigenden Edgar Simmerling (Dirk Borchardt, Odins Rache). Vom Ex-Mann des ersten Opfers wird lange Zeit nur erzählt, zu Gesicht bekommen wir ihn erst spät. Der unehrenhaft entlassene Bergmann Simmerling ist aber viel zu verdächtig, als dass er als Täter ernsthaft infrage käme. Und das Treiben unter Tage, dem die Filmemacher viel Kamerazeit widmen, ist ohnehin viel interessanter.

Die durch Angst und Misstrauen geprägte Situation entlädt sich in hitzigen Auseinandersetzungen, die insbesondere der Wettersteiger Rüdiger Conradi (Christian Koerner, Im gelobten Land) immer wieder neu anfeuert. Grabenkämpfe – oder besser gesagt: Grubenkämpfe – zwischen Tradition und Fortschritt werden offen ausgetragen. Es entsteht ein Klima, in dem sich nicht nur die Luft, sondern auch die Wut anstaut. Der angeschlagene Kappl hat Mühe zu entscheiden, wem er trauen kann, und auch daraus generiert der Film seine Spannung. Interessanteste Figur ist dabei der undurchsichtige Journalist Heiner Dietz (Rainer Reiners, Parasomnia), der zu allem bereit und sein ganz eigenes Ziel zu verfolgen scheint.

Und noch etwas ist interessant: Kappl und Deininger ermitteln fast 90 Minuten getrennt voneinander und nähern sich einander menschlich doch an. Die Figurenentwicklung profitiert von dieser Konstellation. Nach den Revierkämpfen im Erstling Aus der Traum und dem zweiten Fall Der Tote vom Straßenrand tut beiden der Abstand und die versöhnliche Tonlage sehr gut. Auch das Ende der Beziehung von Kappl mit der Pathologin Dr. Rhea Singh (Lale Yavas) wird, vom etwas melodramatischen Auftakt abgesehen, unter Regie von Gregor Schnitzler (Level X) angenehm unaufgeregt in die Geschichte eingebettet.

Und auch wenn die Filmemacher an anderer Stelle etwas zu dick auftragen – die überzeichnete Krankenhausszene etwa, in der Deininger sich auf das Bett eines Verdächtigen übergibt, oder der karikatureske Auftritt von Sekretärin Gerda Braun (Alice Hoffmann), die ihre Kollegen im Fernsehen bewundert und an Deiningers Krankenbett einnickt – punktet Das schwarze Grab als Whodunit mit viel Liebe zum Detail. Laut SR galt die Folge zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung als aufwändigste in der bisherigen Sendergeschichte – und das sieht man ihr auch an.

Bewertung: 7/10


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