Bild: SWR/Krause-Burberg

Große Liebe

Folge 558

22. Februar 2004

Sender: SWR

Regie: Manuel Siebenmann

Drehbuch: Daniel Martin Eckhart

So war der Tatort:

Nicht ganz so amourös, wie es der Krimititel vermuten lässt.

Dabei läge der Verdacht einer romantisch-tragischen Ludwigshafen-Lovestory durchaus nahe, zumal Große Liebe 2004 gut eine Woche nach dem Valentinstag, dem Tag der Liebenden, seine TV-Premiere feierte. Im 21. gemeinsamen Einsatz von Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und ihrem Kollegen Mario Kopper (Andreas Hoppe) geht es aber vor allem ums große Geld.

Denn während im Präsidium stimmungsvoll der 60. Geburtstag von Kriminalrat Wolf (Wolfgang Hepp) gefeiert wird, bei dem Kopper im Elvis-Presley-Kostüm den berühmten Jailhouse Rock performt und dafür viel Beifall erntet, überfallen Unbekannte in der Nähe des Hafens einen Geldtransporter und erbeuten stolze 1,2 Millionen Euro. Die konkrete Tat fängt die Kamera dabei nicht ein – stattdessen sehen wir den blutverschmierten Wachmann Hannes Buck (Uwe Bohm, Blutschuld) unmittelbar nach dem Überfall am Steuer des Geldtransporters sitzen, während sein Kollege erschossen auf dem Beifahrersitz liegt.

Buck wird in der Folge zur zentralen und zugleich interessantesten Figur des Krimis. Einerseits, weil er vorgibt, nicht mehr genau zu wissen, was bei dem Überfall passiert sei, und so die große Unbekannte im Mordfall bildet. Zum anderen bedient sich Drehbuchautor Daniel Martin Eckhart (Schöner sterben) eines in der Tatort-Geschichte schon oft genutzten, wirksamen Kniffs: Odenthal und Buck waren einst ein Liebespaar und schwelgen beginnend mit dem Wiedersehen am Überfallort immer wieder in Erinnerungen. Obwohl Buck seine krebskranke Frau Greta (Juliane Köhler, Abbruchkante) über alles liebt, entstehen zu den melancholischen Klängen von Kansas‘ Dust in the wind einige wehmütige Was-wäre-gewesen-wenn-Momente.


BUCK:
Das hätten wir auch alles haben können, Lena.

ODENTHAL:
Ja, ich weiß. Aber ich wollte was Anderes.

BUCK:
Ich weiß, ich weiß, ich weiß.


ODENTHAL:
Bist du glücklich, Hannes Buck?

BUCK:
Ich muss jetzt gehen, Lena.

Dass emotionale Verstrickungen von Ermittelnden im Tatort gut funktionieren können, war etwa 2001 im grandiosen Münchner Krimidrama Im freien Fall, 2005 im erschütternden Lindholm-Tatort Atemnot oder 2023 im starken Stuttgarter Fall Vergebung zu beobachten. In Große Liebe funktioniert das nur bedingt, weil die Dialoge oft seltsam aufgesagt und kitschig klingen und wir sie schon unzählige Male in anderen Schnulzen gehört haben. Zudem bringen sich die Filmemacher um Regisseur Manuel Siebenmann (Ein mörderisches Märchen) um ihre reizvolle Ausgangslage, weil sie den einleitend ausgesparten Ablauf des Überfalls nach knapp 30 Minuten nachreichen und Buck als Täter praktisch ausscheidet. So verliert die spezielle Beziehung zu Odenthal früh ein erhebliches Stück an Brisanz und Konfliktpotenzial.

Brisant geht es dafür in der Werttransportfirma der arroganten Sybille Bauer (Sona MacDonald, Krank) zu, die in den Fokus der Ermittlungen gerät. Die unkooperative Chefin betraut eigenmächtig den verschlagenen Klischee-Privatdetektiv Winfried Poller (Alexander Held, Im Schmerz geboren) damit, den Raubüberfall aufzuklären. Auch unter den Angestellten gibt es Spannungen: Dass sich Buck den Unmut der Wachmänner Kovatschek (Wolfgang Häntsch, Schwelbrand) und Lacher (Oliver Broumis, Zahltag) zuzieht, die ihn für den Tod ihres Kollegen verantwortlich machen, ist nachvollziehbar, die Figurenzeichnung gerät aber sehr eindimensional. Gleiches gilt für den Leiter der Truppe, den autoritären Harald Schmiedinger (Klaus Manchen, Rebecca), der seinen soldatenartig antretenden Haufen in Bundeswehr-Tonalität maßregelt.

Auch wenn die Figuren nicht alle überzeugen: Die clever konzipierte Geschichte tut es, wenngleich die 558. Tatort-Folge im Mittelteil etwas lahmt, weil sich der eine oder andere Nebenschauplatz zu viel auftut. Der diesmal auffällig mürrische SpuSi-Chef Peter Becker (Peter Espeloer) muss sich pausenlos rechtfertigen, etwa wegen eines in einer Wohnung übersehenen Päckchens. Auch Koppers bemühte Flirts mit seiner jüngeren Kollegin (Heike Kloss) hätte es nicht gebraucht, zumal früh abzusehen ist, wie das ausgeht: Die titelgebende große Liebe wird das mit Kopper, der anfangs im Elvis-Kostüm ermittelt, wohl nicht. Dafür überrascht der Film auf der Zielgeraden: Mit dem Auffinden der obligatorischen zweiten Leiche nach fast genau einer Stunde gewinnt die Story an Fahrt und die Auflösung ist am Ende kniffliger als gedacht.

Wer genau hinschaut, entdeckt im Zusammenspiel mit dem 2022 viel zu früh verstorbenen Uwe Bohm zudem den jungen Leonard Carow (Die Rache an der Welt) in seiner ersten Filmrolle; er verkörpert Hannes Bucks kleinen Sohn. Bohms angenehm zurückgenommenes Spiel trägt ebenfalls noch ihren Teil zum abschließenden Prädikat sehenswert bei.  

Bewertung: 6/10


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