Bild: ORF/Petro Domenigg

Tod unter der Orgel

Folge 560

14. März 2004

Sender: ORF

Regie: Walter Bannert

Drehbuch: Alrun Fichtenbauer

So war der Tatort:

Instrumental-klerikal.

Und das nicht nur, weil das bereits im Folgentitel erwähnte und im Tatort selten so in Szene gesetzte Kircheninstrument beim 10. Einsatz von Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) eine – im wahrsten Sinne des Wortes – gewichtige Rolle spielt: Tod unter der Orgel beschert uns auch ein Wiedersehen mit dem Akkordeon spielenden Wolfgang Schremser (August Schmölzer), der mit seiner spitzbübischen Art und seinen augenzwinkernden Kommentaren bereits in Tödliche Tagung bleibenden Eindruck hinterließ. Und er darf sein musikalisches Talent erneut unter Beweis stellen – diesmal aber nicht nur auf dem Akkordeon, als er zu Ehren Eisners feierlich die Österreichische Bundeshymne anstimmt.

Denn auch an der Kirchenorgel und in Sachen Schlagfertigkeit („Ich spiel‘ seit meiner Kindheit auf der Steirischen Harmonika. Ich weiß, was Musik ist!“) zieht „Schremsi“ alle Register. Sein schelmisches Wesen ist erneut unverkennbar, dennoch fällt auf, dass der gemütliche Ermittler aus der Steiermark bei seinem zweiten und gleichzeitig letzten Auftritt im Tatort deutlich seriöser angelegt ist als bei seinem Debüt zwei Jahre zuvor. Das liegt auch daran, dass sich für ihn und Eisner die Vorzeichen geändert haben; Schremser ist inzwischen Sektionschef der Sonderkommission des Innenministeriums und auch Eisner erfährt in der 560. Tatort-Folge eine Beförderung: Er wird zum Leiter der Abteilung Gewaltverbrechen ernannt und erweitert damit zukünftig sein Einsatzgebiet.


EISNER:
Hey, gibt ja sogar mehr Geld!

SCHREMSER:
Ja, es gibt auch mehr Arbeit.

EISNER:
Was mach’ ich da jetzt?

SCHREMSER:
Dasselbe, was du in Wien gemacht hast. Nur in ganz Österreich.

Seriös kommt auch der Kriminalfall von Alrun Fichtenbauer daher, die einmalig ein Drehbuch für die Krimireihe beisteuert: Ihre Idee folgt den klassischen Mustern der Krimireihe und hangelt sich stets am Erwartbaren entlang. Schauplatz des in bester Agatha-Christie-Manier konzipierten Krimis ist das Kloster Maria Saal in Kärnten, in dem ein internationaler Orgelwettbewerb stattfindet, bei dem sich eine ganze Reihe mehr oder weniger talentierter Organisten miteinander misst. Und den ein tragischer Zwischenfall überschattet: Der Musikstudent Nikolaus Kutil (Manuel Witting) wird von einer herabstürzenden Orgelpfeife erschlagen. Zwar deutet vieles auf einen Unfall hin, doch da eigentlich der in Brasilien lebende, extra angereiste Bischof Hawranek (Helmut Berger, Böses Blut) an der Orgel hätte sitzen sollen, kann ein Anschlag nicht ausgeschlossen werden.

Dem bemitleidenswerten Schremser kommt in der Folge die undankbare Aufgabe zu, den Schutz des umtriebigen und Sicherheitsmaßnahmen ablehnenden Bischofs zu gewährleisten: Hawranek, der allen Sicherheitsbedenken zum Trotz im Fernsehen auftritt, um Geld für brasilianische Straßenkinder zu sammeln, ist die mit Abstand interessanteste Figur des Films und kommt fast ein wenig zu kurz. Ihr Potenzial blitzt vor allem auf, wenn sie mit ihren erfrischend weltlichen Ansichten beim erzkonservativen Prälat Herbert Schweiger (Michael Schönborn) für Kopfschütteln sorgt. Dass sich Hawranek und Schweiger von früher kennen und durch eine länger zurückliegende, aber durchaus pikante Frauengeschichte miteinander verbunden sind, macht die Sache noch reizvoller, wird aber nicht näher beleuchtet.  

Stattdessen verwenden die Filmemacher (zu) viel Zeit auf Eisners Ermittlungen im Teilnehmerfeld. Dort herrschen – wer hätte das gedacht – vor allem Erfolgsdruck, Neid und Missgunst. Die Anzahl an Verdächtigen ist groß, aber die Figuren nicht frei von Klischees. Spätestens, wenn nach gut einer Stunde die obligatorische zweite Leiche zu beklagen ist, eignet sich Tod unter der Orgel aber zum Miträtseln: Ingrid Gürtler (Inka Löwendorf), die Ex-Freundin des Opfers, der zum Selbstmitleid tendierende Bas van der Beken (Simon Hatzl), der überhebliche Klaus Zadera (Volker Bruch, Der Eskimo) und der verschlossene Paul Hofer (Florian Teichtmeister, Glaube, Liebe Tod) profitieren vom Tod des talentierten Kutil und kommen daher als Täterin oder Täter infrage. Nur die dauerschluchzende Maria Nicorélli (Sissy Wolf, Familiensache), die in den Toten verliebt war, scheint über alle Zweifel erhaben zu sein.     

Das ist handwerklich solide, aber selten wirklich mitreißend. Gerade im Mittelteil schleichen sich Längen ein, wenn Person für Person befragt und Zimmer für Zimmer durchsucht wird – gemächlich, redundant und oft ohne Erkenntnisgewinn. Die Inszenierung von Regisseur Walter Bannert (Nichts mehr im Griff) wirkt bieder, Überraschungsmomente bleiben die Ausnahme. Früh ist etwa zu erahnen, was es mit einer Dose brasilianischen Kakaos auf sich hat. Dafür kommen in diesem Austro-Tatort die Liebhaber von Orgelmusik auf ihre Kosten, und auch Eisners nächtliche Ermittlungen mit Musikprofessorin Katharina Reinhard (Michou Friesz, Absolute Diskretion), die sich mit ihrem selbstverliebten Kollegen Professor Wöss (Johannes Silberschneider, Paradies) ein paar knackige Wortgefechte liefert, lockern das Treiben zwar auf, heben den Krimi aber nicht über das graue Mittelmaß hinaus.

Bewertung: 5/10


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