Folge: 1122 | 1. März 2020 | Sender: BR | Regie: Max Färberböck
Bild: BR/Hager Moss Film GmbH/Hendrik Heiden
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So war der Tatort:
Faszinierend-frustrierend.
Denn der sechste Fall der Nürnberger Hauptkommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), die bei ihren Ermittlungen in Franken wie gewohnt von ihren Kollegen Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) und Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) sowie Spurensicherungsleiter Michael Schatz (Matthias Egersdörfer) unterstützt werden, ist eine Dreiviertelstunde lang großes Kino – entpuppt sich in der zweiten Hälfte aber als fast genauso große Luftnummer, über deren dünne Geschichte die ansprechende Verpackung irgendwann nicht mehr hinwegtäuschen kann.
Dabei liest sich die Ouvertüre zu Die Nacht gehört dir zunächst wie ein klassischer Whodunit: Babs Sprenger (Anna Tenta), die erfolgreiche Salesmanagerin eines großen Immobilienkonzerns, liegt erstochen in ihrer riesigen Wohnung. An das Auffinden ihrer Leiche schließen sich die Diagnose der Spurensicherer und ein Besuch im Arbeitsumfeld der Toten an – doch schon hier verlässt Regisseur Max Färberböck, der das Drehbuch zu seinem dritten Franken-Tatort nach Ich töte niemand und Der Himmel ist ein Platz auf Erden wie immer mit Catharina Schuchmann geschrieben hat, die ausgetretenen Pfade der Krimireihe wieder.
Den Vorabend ihrer Ermordung hat Sprenger nämlich mit ihrer Arbeitskollegin Theresa Hein (Anja Schneider, Das Nest) verbracht – und die legt ein Geständnis ab, bevor Voss und Ringelhahn überhaupt zu Wort kommen können.
VOSS:
Tag, Frau Hein. Wir müssen…HEIN:Ich habe Sie schon erwartet.
Was dann folgt, ist eine Geschichte, die sich lange Zeit gar nicht richtig greifen lässt, weil sie so ungewöhnlich erzählt wird: Bohrende Fragen der Ermittler bleiben bisweilen unbeantwortet im Raum stehen, die geständige Mörderin hüllt sich oft in hartnäckiges Schweigen, verschachtelte Rückblenden deuten eine rätselhafte Vorgeschichte an – und selbst die ausgefallene Tatwaffe, ein besonders scharfes und hochwertiges Sushimesser, scheint irgendein Geheimnis zu bergen.
Diese irritierende, weil seltsam undurchdringliche Erzähltechnik hat lange Zeit etwas Faszinierendes, ja fast Philosophisches und wird unheimlich stimmungsvoll in Szene gesetzt – so ist man es von Färberböck, dessen Tatort-Folgen stets an den dunklen Farbfiltern und den reduzierten Lichtverhältnissen zu erkennen sind, auch nicht anders gewohnt. Und doch wirkt nicht alles aus einem Guss: Der Soundtrack besteht aus melancholischen Stücken der Klassik und Popmusik, die meist nur wenige Sekunden angespielt und schnell wieder ausgefadet werden – das ist irgendwann eher ermüdend, als dass die über weite Strecken so dichte Atmosphäre dadurch noch sinnvoll verstärkt würde.
Was der handwerklich so überzeugenden 1122. Tatort-Folge in ihrer zweiten Hälfte das Genick bricht, ist aber nicht die feine, bisweilen übertrieben künstlerisch anmutende Ästhetik, sondern der halbgar ausgearbeitete Handlungsstrang um den jungen Klavierlehrer Anton Steiner (Lukas B. Amberger) und die brutal enttäuschende Auflösung des Mordfalls, die sich nach rund einer Stunde anbahnt: Als sich der Nebel langsam lichtet, kracht das lange Zeit so Reizvolle an diesem Krimi binnen Minuten wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Plötzlich wird aus Faszination Frustration, wenn uns dämmert, auf welch tönernen Füßen das simple Handlungskonstrukt errichtet wurde und wie uninspiriert die Sache ausklingen wird.
Am Ende bleibt vieles unbeantwortet – zum Beispiel, wie Voss‘ ausgiebiger Flirt mit einer namenlosen Honigverkäuferin (Maja Beckmann, Trautes Heim) vom Wochenmarkt ausgeht. Das ist keineswegs schlimm – gleichzeitig wirkt aber auch manch entscheidende Stellschraube des Drehbuchs alles andere als schlüssig.
Gerade im Vergleich zum großartigen Vorgänger Ein Tag wie jeder andere, der in einem überraschenden Twist gipfelte und den Kommissaren wie auch dem TV-Publikum gleichermaßen den Boden unter den Füßen wegzog, kann Die Nacht gehört dir nicht mithalten. Da hat man den Franken-Tatort – und auch Filmemacher Max Färberböck, der beispielsweise die tollen Münchner Folgen Am Ende des Flurs und Mia san jetz da wo’s weh tut inszeniert hat – schon stärker gesehen.
Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Ich hab im Traum geweinet“
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