Folge: 693 | 30. März 2008 | Sender: NDR | Regie: Angelina Maccarone
Bild: NDR/Christine Schroeder |
So war der Tatort:
Bunt.
Denn die Farbigkeit des Spätherbsts spiegelt wider, was das Leben in einer Kleingartenkolonie ausmacht – zumindest für die Macherinnen dieser Tatort-Folge. Strahlende Blumen, knallige Farben für Gartenlauben und eine harmlos-heitere Grundatmosphäre kennzeichnen das Zusammenleben derer, die ihre Freizeit mit Gemüseanbau, Komposthaufen und Grillabenden verbringen.
Erfolgsautor, Mitbewohner und Babysitter Martin Felser (Ingo Naujoks) hat hier einen Schrebergarten gepachtet, in den LKA-Ermittlerin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) sich mit ihrem fünf Monate alten Sohn zurückzieht oder besser: zurückziehen muss. Der Mutterschutz und die Sorge um ihren kleinen David füllt ihre Tage nicht aus – sie sehnt sich danach, wieder in ihre Arbeitsstelle zurückzukommen.
Als in der Kolonie der Vereinsvorstand an einem Herzinfarkt stirbt, mag die Kommissarin nicht an ein natürliches Ableben glauben; dafür erscheint ihr das Auftreten der anderen Schrebergärtner zu merkwürdig. Und nachdem eine weitere Bewohnerin der Kolonie ermordet aufgefunden wird, ermittelt Lindholm dann auch offiziell.
Tief taucht sie in die besondere Welt der titelgebenden Kleingartenkolonie Erntedank e.V. ein, beteiligt sich am Vereinsleben und findet die Spuren eines weit zurückliegenden Verbrechens. Das, was sich in späteren Drehbüchern für die alleinerziehende Kommissarin als dramaturgisches Problem erweisen wird, fügt sich hier noch wunderbar zusammen. Zusammen mit dem leicht hypochondrischen Felser, der beim Wickeln noch überfordert ist, kümmert sich Lindholm um ihr Kind.
FELSER:Hier läuft irgendwas über: Alarmstufe braun!
Der Film zeichnet eine heile, freundliche Welt und kontrastiert sie – sehr gelungen – mit dem düsteren Geheimnis, das in der Erde der Kleingärten bestattet ist.
Angelina Maccarone, die nach dem – thematisch völlig verunglückten – Giftschrank-Tatort Wem Ehre gebührt erneut für Buch und Regie verantwortlich zeichnet, nimmt den idyllischen, dramaturgischen Stil des Hitchcock-Klassikers Immer Ärger mit Harry auf. Ihm folgt auch die optische Auflösung der 693. Tatort-Folge. War es beim Master of Suspense das Laub im amerikanischen Vermont, ist es in Hannover eine ganze Kleingartenkolonie, die Kameramann Hans Fromm (Borowski und die Sterne) im herbstlichen Licht inszeniert.
Intensive Farben prägen nicht nur die Parzellen; auch das Präsidium, die Kleidung der Darsteller, alles ist so gesteigert, wie es gerade noch geht. Um so stärker wird der Gegensatz deutlich zu den dunklen Krabbeltieren, die das Erdreich bevölkern und hier und dort durchs Bild kriechen. Sie geben einen feinen Hinweis auf das, was die Gemeinschaft verborgen hat.
Ein ganzer Kosmos von skurrilen Personen lässt rätseln, was denn nun überhaupt passiert ist. Sonderlich spannend ist das nicht, aber den schrägen Gestalten zuzuschauen, entfaltet einen ganz eigenen Reiz. Andrea Klose-Sanders (Maren Kroymann, Schweinegeld) richtet etwa in ihrer Parzelle Skulpturen auf, die so gar nicht in das gutbürgerliche Milieu der Kolonie passen. Ihr Tod ist so makaber inszeniert, dass das Augenzwinkern der Filmacherin deutlich zu erkennen ist.
Hinter der freundlichen Fassade von Helga Reimann (Renate Becker, Sag nichts) verbirgt sich eine Gärtnerin, die keine Probleme damit hat, einen Maulwurf zu töten, Schnecken zu zertreten und den Nachbarn Würmer für den Kompost abzugeben.
Es sind im Wesentlichen die Frauen, die die Szenerie bestimmen. Sowohl die Männer der Gärtnerinnen als auch Kriminalrat Stefan Bitomsky (Torsten Michaelis) und Rechtsmediziner Edgar Strelow (David Rott, Mietsache) spielen in diesem kurzweiligen Krimi keine entscheidende Rolle. Regelrecht ärgerlich, dass Strelow in seiner eindimensionalen Rolle vor allem damit zu hat, die Kommissarin anzuschmachten.
Auch Eva Löbau (ab 2017 als Hauptkommissarin Franziska Tobler im Schwarwald-Tatort zu sehen), die als Kommissarin Schmidt-Rohrbach mit ihrer Undercover-Kollegin zusammenarbeiten soll (Bitomsky: „Dreamteam“ – Lindholm: „Alptraum“), reduziert das Drehbuch – wenn auch ganz unterhaltsam – auf Stutenbissigkeit.
In Erinnerung bleiben die starken Bilder (köstlich: Maria Furtwängler beim Erntedankfest als Kürbis verkleidet) und auch die gewisse Leichtigkeit, die noch den ersten Auftritt der Ermittlerin (Lastrumer Mischung) bestimmt hatte.
Hildegard Knefs Für mich soll’s rote Rosen regnen schließlich untermalt die Auflösung des Krimis, die in der Form eines klassischen englischen Agatha-Christie-Romans präsentiert wird: Als alle Verdächtigen versammelt sind, erinnern sie sich – angeleitet von der Kommissarin – an jahrelang Verdrängtes.
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