Folge: 830 | 4. März 2012 | Sender: SWR | Regie: Johannes Grieser
Bild: SWR/Stephanie Schweigert |
So war der Tatort:
Zerbrechlich – und das sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne.
Große Teile von Scherbenhaufen spielen nämlich in den Produktionshallen und Büroräumen einer Stuttgarter Porzellanmanufaktur: Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) ermitteln bei ihrem zehnten gemeinsamen Einsatz in der baden-württembergischen Landeshauptstadt in einem Familienunternehmen, das den Anschluss an die technischen Neuerungen der Porzellanindustrie verpasst hat und kurz vor dem Scherbenhaufen der eigenen Schlafmützigkeit steht.
Seniorchef Otto Imberger (Otto Mellies, Sag nichts), der im Betrieb von seinen Söhnen Lukas (Ole Puppe, Schweinegeld) und Gerald (Felix Eitner, Tote Männer) unterstützt wird, wird einleitend Opfer eines Attentats, bei dem sein Chauffeur sein Leben lässt, und steht auch sonst ganz im Mittelpunkt der Geschichte.
Der Tod von Imbergers Fahrer bietet Hauptkommissar Bootz, der eigentlich einen Urlaub mit seiner wenig erfreuten Ehefrau Julia (Maja Schöne) geplant hatte, nämlich die günstige Gelegenheit, sich undercover als Imbergers Chauffeur und Leibwächter im Familienunternehmen einzuschleichen – was zugleich bedeutet, dass Lannert und Bootz über weite Strecken getrennte Wege gehen und sich (wie auch der Hamburger Tatort-Kollege Batu und sein Chef Kohnau) immer wieder heimlich treffen müssen. Das sorgt im Mittelteil des 830. Tatorts für mehrere Lacher, weil beide Kommissare diebische Freude dabei empfinden, ihre Rolle im Umgang miteinander zu überzeichnen und dem anderen eins auszuwischen.
Imberger als gealterter Großindustrieller, der mit den Herausforderungen der modernen Wirtschaft überfordert und auf seine strategisch ganz unterschiedlich agierenden Söhne und Erben angewiesen ist, findet in Bootz hingegen eine neue Bezugsperson, der er sein Herz ausschüttet und deren vermeintliche Loyalität er schnell zu schätzen weiß.
Mit dem leinwanderprobten Otto Mellies ist die Rolle ideal besetzt. Er lotet den labilen, ja zerbrechlichen Imberger charakterlich überzeugend aus und spielt die übrigen Nebendarsteller mit seiner großartigen Performance praktisch an die Wand. „Irgendwie hab ich ihn gemocht“, resümiert ein trauriger Bootz kurz vor Ende des Films und spricht dem Zuschauer damit aus der Seele.
Dass Scherbenhaufen eher Familiendrama als Tatort ist, liegt neben dem dialoglastigen Drehbuch aus der Feder des eingespielten Autorenduos Eva und Volker A. Zahn (Die Unsichtbare) vor allem an der ruhigen, mit einem stimmig-melancholischen Score unterfütterten Inszenierung von Johannes Grieser (Nasse Sachen), der erst auf der Zielgeraden zwei Gänge hochschaltet. Da wird es dann auch zum ersten Mal so richtig spannend – ansonsten schlägt die Spannungskurve bei Bootz‘ amüsantem Undercover-Versteckspiel und Lannerts akribischen Ermittlungen eher selten nach oben aus.
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