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Virus

Folge: 1026 | 27. August 2017 | Sender: ORF | Regie: Barbara Eder

Bild: ARD Degeto/ORF/Epo Film/Hubert Mican

So war der Tatort:

Hysterisch.

Denn nach einer guten halben Stunde platzt im Austro-Tatort Virus die Bombe: In der beschaulichen Steiermark herrscht Ebola-Alarm! Das Seuchenkommando rückt an und das idyllische Bergdörfchen Pöllau wird binnen weniger Stunden zum Sperrbezirk.

Mitten in der allgemeinen Hysterie befinden sich der Wiener Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Major Bibi Fellner (Adele Neuhauser), die vor Ort mit der Unterstützung des zuständigen Dorfpolizisten Riedl (Stefan Pohl) eigentlich nur den Mörder eines unbekannten Afrikaners (David Wurawa) finden wollen: Seine Leiche wurde im Steinbruch des einflussreichen Betreibers Thomas Reuss (Martin Niedermair) aufgefunden, Hinweise auf die Identität sind aber ebenso Mangelware wie Hinweise auf den Täter, der die geplante Sprengung des Steinbruchs offenbar ausnutzen wollte, um seine Spuren zu verwischen.

Regisseurin Barbara Eder, die ihr Debüt für die Krimireihe gibt, und Drehbuchautor Rupert Henning (Schock) setzen zunächst auf das bewährte Whodunit-Prinzip und lassen die österreichischen Ermittler Routinearbeit erledigen, die auch in den Fluchthof von Reuss‘ Bruder Albert (Andreas Kiendl) führt – mit der erschütternden Diagnose des Pathologen Michael Kreindl (Günter Franzmeier), der den Ebola-Erreger an der Leiche nachweist, wandelt sich der 1026. Tatort aber binnen Minuten von klassischer Sonntagskost mit politischer Botschaft zur ambitionierten Kreuzung aus Krimi, Komödie und Katastrophenthriller im Stile von Outbreak oder Contagion. Da dürfte sich nicht nur Bibi Fellner, sondern auch so mancher Stammzuschauer vorkommen wie im falschen Film.


FELLNER:
Das ist irgendwie nicht ganz real, oder?

Die vergleichsweise spektakuläre Erweiterung der etablierten Tatort-Strukturen ist zweifellos ein mutiger und nicht zwingend zum Scheitern verurteilter Ansatz – schließlich hat sich die Erfolgsreihe mit den mal mehr, mal weniger witzigen Beiträgen aus Münster und Weimar, tollen Arthouse-Krimis aus Wiesbaden (vgl. Im Schmerz geboren) oder den amerikanisch angehauchten Miniserien aus Dortmund und Berlin über die Jahre ohnehin zur Spielwiese für Filmemacher mit Spaß am Traditionsbruch entwickelt. Der permanente Wechsel des Erzähltons und die vielen albernen Einlagen, die den ernsthaften Anspruch der Geschichte kolossal untergraben, brechen dem spannend inszenierten Tatort aber letztlich das Genick.

Nur ein Beispiel: Als Fellner befürchtet, mit dem titelgebenden Virus infiziert zu sein, mündet das zunächst in Todesangst und panische Blicke – schon in einer der nächsten Szenen aber witzelt sie über die umgehend eingeleiteten Isolationsmaßnahmen, obwohl die Ärzte noch keine Entwarnung gegeben haben. Ein derart wilder Stimmungsmix kann selbst im humorvoll angehauchten Tatort aus Österreich kaum funktionieren, zumal auch der Sidekick schwächelt: Assistent „Fredo“ Schimpf (Thomas Stipsits), der im letzten Wiener Tatort Wehrlos erstmalig in den Mittelpunkt rückte, muss diesmal für müde Gags zur mangelnden Fitness der Polizeibeamten herhalten. Und ausgerechnet Sektionschef Ernst Rauter (Hubert Kramar) ist im Revier am schlechtesten über das Ausmaß der Katastrophe informiert.

Bei Eisner und Fellner wechseln sich Licht und Schatten ab: So authentisch und verbissen sie sich bei einem schweißtreibenden (und absolut köstlichen) Trainingskampf auf der Sportmatte in die Haare kriegen, so gekünstelt und konstruiert wirkt das hektische Vorbereiten eines Geburtstagsdinners, bei dem sich Fellner in Slapstick-Manier in den Finger schneidet. Dafür punkten zwei andere Figuren: Pathologe Kreindl muss sich in Sachen Arroganz („Wirf‘ dich in den Staub vor meiner forensischen Kompetenz!“) noch nicht mal vor dem populären Münsteraner Kollegen Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) verstecken und der herrlich überzeichnete Einsatzleiter Dr. Klaus Rottensteiner (Markus Schleinzer, Tödliche Habgier) besticht mit seiner herrisch-hysterischen Art.

Auch der stark gespielte Showdown in den Bergen der Steiermark, den die Filmemacher stimmungsvoll mit der bedrückenden Vorgeschichte in Afrika verknüpfen, kann sich sehen lassen – und die Auflösung in Virus liefert das außergewöhnlichste Tatmotiv der jüngeren Tatort-Geschichte.

Bewertung: 5/10


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