Folge: 1028 | 17. September 2017 | Sender: SRF | Regie: Walter Weber
Bild: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler |
So war der Tatort:
Frisch verliebt.
Denn die Luzerner Hauptkommissare Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) sind in Zwei Leben gleich beide mit ihrer neuen Flamme zu sehen: Während Flückiger mit Eveline Gasser (Brigitte Beyeler), die der Zuschauer bereits im direkten Vorgänger Kriegssplitter bei einer gemeinsamen Nacht im Hotel zu Gesicht bekam, auf den ersten Jahrestag anstößt, hat die erste lesbische Ermittlerin der Tatort-Geschichte mit der Mitarbeiterin eines Asia-Imbisses angebandelt, die bei einer Stippvisite im Präsidium aber gerade mal zwei Wörter sagen darf und nach wenigen Sekunden wieder verschwindet.
Bei der Charakterzeichnung stellt sich der SRF also weiterhin recht ungeschickt an, und auch die Drehbuchautoren Felix Benesch (Hanglage mit Aussicht) und Newcomer Mats Frey verfallen – von stärkeren Fällen wie Ihr werdet gerichtet oder Kriegssplitter mal abgesehen – schnell in die erfolglosen Muster ihrer Vorgänger: Zwischen den Kommissaren springt der Funke bei den hölzernen Dialogen ebenso wenig über wie im Gespräch mit Gerichtsmedizinerin Corinna Haas (Fabienne Hadorn), und Regierungsrat Eugen Mattmann (Jean-Pierre Cornu) hat sich genau zu der Nervensäge zurückentwickelt, die er schon 2011 in Wunschdenken oder 2014 in Zwischen zwei Welten war.
Bevor Zwei Leben in die gewohnte Schweizer Behäbigkeit verfällt, geht es aber recht schwungvoll los: Busfahrer Beni Gisler (Michael Neuenschwander) muss einleitend machtlos mitansehen, wie ein Mann von einer Brücke direkt in seine Windschutzscheibe springt und auf der Straße verstirbt. Mord oder Selbstmord? Als früherer Zugführer musste Gisler schon mehrere Vorfälle dieser Art miterleben und zeigt sich entsprechend traumatisiert.
FLÜCKIGER:
Der wievielte Suizid war das in diesem Jahr?
HAAS:Ich habe aufgehört zu zählen.
Man muss kein großer Prophet sein, um früh vorauszusehen, dass dieser lieblos in den Raum gestellte Dialog nicht die ganze Wahrheit ist: Im 1028. Tatort liegen die Karten ähnlich früh auf dem Tisch wie in der Berliner Lachnummer Dinge, die noch zu tun sind, in dem eine unheilbar an Krebs erkrankte Mutter zwei Dealer tötete, die ihre Tochter auf dem Gewissen hatten – und in der der Zuschauer miträtseln sollte, wer die beiden wohl ermordet haben könnte.
Denn auch in Zwei Leben verrät der Krimititel zu viel: Wenn Schlüsselfigur und Ex-Baulöwe Jakob Conti (Markus Graf), den eine verdächtige Ähnlichkeit mit dem unbekannten Brückenspringer verbindet, angeblich 2004 im Thailand-Urlaub gestorben ist, seine Leiche aber nie gefunden wurde – war er dann womöglich gar nicht tot?
Was der Zuschauer auch dank einiger bedeutungsschwangerer Blicke seines Sohnes Marco (Roland Bonjour, Stau) und seiner Frau Anita (Saskia Vester, Wer zweimal stirbt) mühelos beantworten kann, beschäftigt die Ermittler hier eine geschlagene halbe Stunde. Selbst nach dem Auftritt der dementen Gianna Conti (Tessie Tellmann, Das Recht, sich zu sorgen), die ihren angeblich toten Bruder gesehen haben will, dreht sich die Geschichte einfach weiter im Kreis.
Über Flückigers gemeinsame Vorgeschichte mit dem traumatisierten Gisler erfahren wir hingegen so gut wie nichts: Dass sich der Kommissar so für den labilen Busfahrer einsetzt, wirkt von Beginn an behauptet und bringt kaum Brisanz in die von Regisseur Walter Weber (Russisches Roulette) behäbig inszenierten Ermittlungen, die auch in die Wohnung von Psychologin Dr. Sonja Roth (Stephanie Japp, Ohnmacht) führen.
Über die mit dem Holzhammer konstruierte Handlung könnte man großzügig hinwegsehen, böte Zwei Leben eine knifflige Auflösung, ein spannendes Finale oder interessante Figuren – die Beantwortung der Täterfrage ist für Genrekenner dank unübersehbarer Indizien aber mühelos zu erahnen, während die Kurzauftritte des von Roger Bonjour gespielten IT-Assistenten Röbi („Soll ich das schon mal einscannen? Dann können wir die Daten besser handlen.“) ebenso in die unfreiwillige Komik abdriften wie die Wutausbrüche des traumatisierten Gisler.
Und dann ist da noch die indiskutable Synchronisation der schwyzerdütschen Originalfassung, bei der die Lippen der Schauspieler und die Tonspur zwei verschiedene Geschichten zu erzählen scheinen – an die hat man sich im Schweizer Tatort aber mittlerweile fast schon gewöhnt. Findet man überhaupt etwas Positives in diesem Krimi, sind es die guten Leistungen der stark geforderten Nebendarsteller, die gegenüber der mit haarsträubenden Zufällen gespickten Handlung aber auf verlorenem Posten stehen.
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