Folge 1048
18. Februar 2018
Sender: rbb
Regie: Sebastian Marka
Drehbuch: Stefanie Veith
So war der Tatort:
Zwiebelförmig.
Denn nicht von ungefähr beschrieb Hauptdarstellerin Meret Becker ihren siebten Fall als Hauptkommissarin Nina Rubin im Vorfeld der Erstausstrahlung als Zwiebeltatort mit mehreren Schichten: Meta sei, so ergänzte ihr Kollege Mark Waschke, eine „Film im Film im Film Geschichte“. Und die Schauspieler haben absolut Recht: Regisseur Sebastian Marka (Der scheidende Schupo) und Drehbuchautor Erol Yesikaya (Alle meine Jungs) haben mit dem großartigen Münchner Tatort Die Wahrheit oder dem erstklassigen Wiesbadener Tatort Es lebe der Tod schon mehrfach Ausrufezeichen gesetzt, übertreffen ihr bisheriges gemeinsames Schaffen aber noch einmal mit Bravour.
Zwanzig Jahre nach der gescheiterten Krimisatire Ein Hauch von Hollywood, die 1998 die schlechteste Tatort-Einschaltquote aller Zeiten einfuhr, thematisieren die Filmemacher in ihrem mehrfach verschachtelten Meta-Tatort erneut eine Premiere auf der Berlinale, deren roten Teppich wir diesmal sogar zu sehen bekommen: Nina Rubin (Becker) und Robert Karow (Waschke) entdecken im Film „Meta“ von Regisseur Michael Schwarz (Isaak Dentler, Fürchte dich) Parallelen zu einem Mord an einer jungen Berliner Prostituierten. Die Verbindung zwischen filmischer Realität und Fiktion ist hergestellt und das spannende Spiel mit bis zu vier (!) Handlungsebenen gleichzeitig beginnt.
Während Karow sich die Nächte um die Ohren schlägt und ganz in der Kino-Geschichte von Drehbuchautor Peter Koteas (Simon Schwarz, Inkasso-Heinzi im Wiener Tatort) verliert, schenkt Rubin seiner Verschwörungstheorie keinen Glauben – ist aber zumindest um eine Verbesserung des kollegialen Verhältnisses bemüht.
Brachte die meisterhafte Wiesbadener Film-im-Film-Konstruktion Wer bin ich? 2015 bereits große Teile des Stammpublikums auf die Palme, geht der 1048. Tatort sogar noch einen Schritt weiter: Wenn sich bei Karows Filmsichtung durch die Ermittlungen der Filmhelden Rolf Poller (Ole Puppe, Der Maulwurf) und Felix Blume (Fabian Busch, Vielleicht) drei inhaltsähnliche Ebenen gleichzeitig eröffnen, fühlt sich das an, als würde man einen Spiegel in einem Spiegel spiegeln.
Schon während des Tatort-Vorspanns huschen Kinobesucher durchs Bild, die im Saal Platz nehmen und den Krimi auf der großen Leinwand genießen – ein fantastischer Meta-Einstieg, der beim Abspann feierlich wieder aufgegriffen wird und das letzte Kapitel dieses grandiosen Tatort-Meilensteins zuschlägt. Ähnlich wie in Steven Soderberghs Drogenthriller Traffic – Macht des Kartells kennzeichnen Farbfilter außerdem die verschiedenen Erzählebenen, um weniger mindfuckerprobten Zuschauern beim Entwirren der miteinander verknüpften Handlungsfäden Hilfestellung zu bieten.
Der komplexe Krimi ist aber nicht nur ein ästhetisch herausragendes und stark vertontes Spiel mit den Grenzen zwischen Fiktion und Realität, sondern auch eine grandiose Hommage an Martin Scorseses 70er-Jahre-Klassiker Taxi Driver: Die elegant eingearbeiteten Referenzen an den blutigen Feldzug von Vietnam-Rückkehrer Travis Bickle (Robert DeNiro) lassen das Herz jedes Cineasten höher schlagen, verkommen aber nie zum Selbstzweck. Nach einer Schnitzeljagd zu den Klängen von Bernard Hermanns berühmtem Soundtrack montieren die Filmemacher im Schlussdrittel bei einem mitreißenden Showdown alle drei Handlungsstränge parallel: Während sich Bickle brutal den Weg freischießt, quält sich der blutende Karow in ein Kinderbordell und auch Leinwandpolizist Poller gerät in Bedrängnis.
Statt als reines Zitatfeuerwerk zu stagnieren, ist der Krimi aus der Hauptstadt, der in den vergangenen Jahren oft als beinharter Milieuthriller daherkam (vgl. Das Muli), auf der Zielgeraden voll in seinem Element: Der bedauernswerte Karow muss einmal mehr blank ziehen und reichlich Malträtierungen ertragen. Wenngleich man ihm die fast fanatisch vorgetragenen Verschwörungstheorien nicht immer ganz abkauft und der Handlungsschlenker um die Organisation Gehlen ein wenig überambitioniert wirkt, überzeugt dieses verschachtelte Tatort-Meisterwerk doch vor allem durch das faszinierende Spiel mit den verschwimmenden Grenzen zwischen Film, Film im Film und Film im Film im Film.
Würden bei der Berlinale auch Goldene Bären für Fernsehkrimis verliehen, hätte Meta ihn zweifellos verdient.
Bewertung: 10/10
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