Folge: 1075 | 23. Dezember 2018 | Sender: SWR | Regie: Stefan Schaller
Bild: SWR |
So war der Tatort:
Raffiniert arrangiert.
Denn nach seinem tollen Skript zum beklemmenden Saarbrücker Tatort Hilflos, der zu den besten Tatort-Folgen des Jahres 2010 zählte, legt Regisseur und Drehbuchautor Stefan Schaller bei seiner zweiten Arbeit für die Krimireihe einen weiteren Hochkaräter nach: Damian ist nicht nur eine fabelhaft gespielte, sondern vor allem clever verschachtelte Kreuzung aus klassischem Krimi und aufwühlendem Psychodrama, die dem Zuschauer ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit abverlangt.
Wer hier nicht hellwach ist, bleibt angesichts der komplexen Erzählstruktur spätestens bei der Auflösung auf der Strecke, befindet sich dabei aber in guter Gesellschaft: Auch die Freiburger Hauptkommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) und Aushilfskommissar Luka Weber (Carlo Ljubek, ersetzt in diesem Tatort einmalig den erkrankten Hans-Jochen Wagner) schleppen sich übermüdet durch die Ermittlungen, weil sie den Schreibtisch ohnehin voller Arbeit haben und Kripo-Chefin Cornelia Harms (Steffi Kühnert) ihnen gleich vier Todesfälle auf einmal aufs Auge drückt. Ein viele Jahre zurückliegender Mord an einer jungen Frau ist mit dem Doppelmord an einer 17-Jährigen und ihrem Tennislehrer im Hier und Jetzt verknüpft – und dann ist im Schwarzwald auch noch eine Waldhütte abgebrannt, in der die Überreste eines unbekannten Mannes gefunden werden.
Was das alles miteinander zu tun hat, offenbart sich erst auf der Zielgeraden – nicht alles im Leben muss schließlich so einfach gestrickt sein wie der tatverdächtige Bauarbeiter Peter Trelkovsky (köstlich: Johann von Bülow, Der schöne Schein), der seine zwei Schäferhunde kurzerhand ins Jenseits befördert, weil er sie auf Montage nicht hätte versorgen können.
TRELKOVSKY:
Ich wollte nicht, dass die leiden oder hungern.
WEBER:Glauben Sie nicht, dass es da eine andere Lösung gegeben hätte?
TRELKOVSKY:
Natürlich, hinterher ist man immer klüger…
Was Damian zu einer der stärksten Tatort-Folgen des Jahres 2018 macht und dem Film auch eine Nominierung für den Medienkulturpreis auf dem Festival des deutschen Films bescherte, ist aber nicht nur die Tatsache, dass sich Carlo Ljubek bei seinem Gastspiel so harmonisch ins Schwarzwälder Ensemble einfügt oder der selbsternannte Frauenheld Trelkovsky fast jede Szene stiehlt: Es ist das raffinierte Arrangement der verschiedenen Handlungsebenen (im Stile von Christopher Nolans Meisterwerk Memento) und das Installieren eines großartigen Twists (im Stile von David Finchers Klassiker Fight Club), die dem Zuschauer förmlich den Boden unter den Füßen wegziehen – und die im Vorfeld an verschiedenen Stellen angedeutet werden.
Und natürlich ist es auch die fantastische Performance von Jungschauspieler Thomas Prenn, der seine erste große TV-Rolle als titelgebender Jurastudent Damian bravourös meistert: Seine mitreißende Performance als von Angstzuständen getriebenes, psychisch labiles und am Erfolgsdruck zerbrechendes Mitglied einer Landsmannschaft, das seiner naiven Freundin Mia (Lena Klenke, Fünf Minuten Himmel) weniger anvertraut als seinem geduldigen Kumpel Georg (Enno Trebs, Dinge, die noch zu tun sind), ist allein schon das Einschalten wert.
Und es empfiehlt sich auch unbedingt ein zweites Mal: Seine ganze Klasse entfaltet der 1075. Tatort, dessen außergewöhnliches Drehbuch Stefan Schaller zusammen mit Newcomer Lars Hubrich schrieb, erst nach der zweiten Sichtung – die Anspielungen auf die späteren Aha-Effekte stechen einem dann nur so ins Auge (Beispiele: Prospekt auf dem Schreibtisch, Wasserspender im Präsidium oder Schnaps auf der Studentenparty). Das Chaos in Damians Kopf und an den Wänden seines staubigen Studienzimmers spiegelt sich im Chaos am Arbeitsplatz der Kommissare – und auch der eine oder andere Zuschauer dürfte nach dem Abspann noch ein paar Minuten brauchen, um seine Gedanken neu zu sortieren und das Gesehene in all seiner Komplexität zu verarbeiten.
Einen herben Schönheitsfehler hat Damian dann aber doch: Die überzeichnete Polizeiberaterin Meike Richter (unterfordert: Nora von Waldstätten, Herz aus Eis) wirkt als alberner Sidekick im Präsidium von Beginn an völlig deplatziert und bleibt ihre Daseinsberechtigung für die Geschichte bis zum Schluss schuldig.
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