Folge: 1096 | 26. Mai 2019 | Sender: BR | Regie: Andreas Kleinert
Bild: BR/Wiedemann & Berg Television GmbH & Co. KG/Johann Feindt
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So war der Tatort:
Wiedersehensreich.
Und das nicht nur für den Münchner Hauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), der mit den Spätfolgen eines Portugal-Urlaubs in den 80er Jahren konfrontiert wird, sondern auch für den Zuschauer: Schließlich ist es keine drei Monate her, dass Schauspieler Andreas Lust im Schwarzwald-Tatort Für immer und dich einen pädophilen Entführer mimte und von den Kommissaren lange Zeit vergeblich gejagt wurde – so wie auch in Die ewige Welle, in dem er den kleinkriminellen Surflehrer und Medikamentendealer Mikesch Seifert spielt, der vor seinem alten Busenkumpel Leitmayr und dessen Kollegen Ivo Batic (Miroslav Nemec) durch die Stadt flüchtet.
Der letzte Tatort-Auftritt von Justus Johanssen, der hier in der Rolle von Seiferts jüngerem Freund Robert Kraut zu sehen ist, liegt sogar erst zwei Wochen zurück (in Das Monster von Kassel) – an solch ärgerliche TV-Terminierungen hat man sich ja fast schon gewöhnt.
Und dann ist da noch Frida de Kuyper (Ellen ten Damme, Filmriss), die sich in Portugal einst auf eine prickelnde Ménage à trois mit Seifert und Leitmayr einließ und dem Kommissar womöglich ein Kind geboren hat, von dem der bis dato gar nichts wusste: Auch sie steht Franz – oder wie sie ihn zu Batic‘ Erheiterung nennt: Francisco – plötzlich gegenüber, wird von Erinnerungen überwältigt und bittet ihren mittlerweile ergrauten Ex-Liebhaber erneut in die Horizontale.
Alte Liebe rostet eben nicht, wenngleich Leitmayr sie in den 80er Jahren offenbar weniger mit seinen Künsten auf dem Surfbrett, als vielmehr mit seinem Charme und seiner Rebellion gegen die spießigen Ordnungshüter beeindruckt hat.
BATIC:
Warst du ein Surfer?LEITMAYR:Sagen wir mal so: Ich hab’s versucht.
Man muss lange zurückdenken, um sich überhaupt an einen wirklich schwachen Tatort aus München zu erinnern – Gesang der toten Dinge von 2009 war so einer, oder auch Ein Sommernachtstraum von 1993, als Batic und Leitmayr noch relativ grün hinter den Ohren waren.
Nun gesellt sich unter Regie von Andreas Kleinert (Borowski und das Glück der Anderen) einer hinzu: Größtes Manko im 1096. Tatort ist das Fehlen jeglicher Spannungsmomente, denn der 81. Einsatz der altgedienten Ermittler aus Bayern ist eine dieser Folgen, bei denen man sich ständig dabei ertappt, wie man zwischendurch auf die Uhr schaut.
Für einen packenden Sonntagskrimi fehlt es der eigenwilligen Geschichte von Alex Buresch und Matthias Pacht, die bereits den gelungenen Münchner Tatort Der Wüstensohn konzipierten, schlichtweg am Unterbau: Weil ein Junkie, der Mikesch einleitend mit einem Messer niedersticht und die Kommissare damit auf den Plan ruft, schon nach zwanzig Minuten an einer Überdosis stirbt, hat sich die Jagd auf den Verbrecher erledigt, bevor sie so richtig angefangen hat.
Stattdessen versuchen sich die Filmemacher an einer ebenso kitschigen wie nostalgieschwangeren Aufarbeitung von Leitmayrs umtriebiger Vergangenheit und einer Kreuzung aus seicht-sentimentalem Sommerkrimi, bittersüßer Romanze und schräger Gaunergeschichte – was leider völlig misslingt, weil man zur unsympathischen Schlüsselfigur Mikesch kaum Zugang findet, der Erzählton des Films im Minutentakt wechselt und sich die stark überzeichneten oder absurden Nebenfiguren die Klinge in die Hand geben.
Genija Rykova (Ich töte niemand) ist als unterkühlte Kunstsammlerin Svenja ebenso ein Klischee auf zwei Beinen wie der Münchner Drogenkönig Reja Shaban (Pero Radicic, Weihnachtsgeld), während der kauzige Lebenskünstler Heinrich (Michael Tregor, Das Glockenbachgeheimnis) mit seinem Faible für eine rosafarbene Footballjacke an Lächerlichkeit kaum zu überbieten ist. In einer launigen Gangsterkomödie hätte eine solche Figur sogar funktionieren können, hier jedoch wirkt sie spätestens bei seiner Flucht auf einem winzigen Fahrrad vor dem Streifenwagen und einer anschließenden Odyssee in Richtung Klinik völlig deplatziert.
Selbst Batic und Leitmayr scheinen sich irgendwann innerlich von diesem verkorksten Fall zu verabschieden, fläzen sich auf eine Wiese und rauchen erstmal ein Tütchen. „Tschuldigung, brauchen Sie mich noch?“, fragt sie der mit Handschellen gefesselte und dabei fast karikaturesk anmutende Schläger Anatoli Tschuprinov (Roman Kanonik) in einer anderen Szene, als sich die Kommissare gedankenverloren alten Gedichten aus Leitmayrs Feder widmen, und es wirkt fast so, als möchten sie ihm antworten: Nein, wir haben heute andere Sorgen.
Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Anne und der Tod“
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