Folge: 1098 | 10. Juni 2019 | Sender: WDR | Regie: Christine Hartmann
Bild: WDR/Thomas Kost |
So war der Tatort:
So wenig subtil wie viele andere Kölner Tatort-Folgen der jüngeren Vergangenheit – dabei aber eine ganze Ecke unterhaltsamer als der durchwachsene 08/15-Krimi Familien oder der schwache Fehlschlag Bausünden.
Auch im ähnlich pragmatisch betitelten Tatort Kaputt wird wieder bei jeder Gelegenheit dick aufgetragen, und Gelegenheiten bieten sich diesmal viele: Die Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) müssen fünf Monate nach Weiter, immer weiter erneut in den eigenen Reihe ermitteln, weil der Streifenpolizist Frank Schneider (Florian Duning) bei einem nächtlichen Einsatz von drei zugedröhnten jungen Erwachsenen zu Tode geprügelt wurde. Seine Kollegin Melanie Sommer (Anna Brüggemann, Murot und das Murmeltier) kommt mit dem Schrecken und blauen Flecken davon.
Dass Ballauf und Schenk sich dann auf der Dienststelle von Bernd Schäfer (Götz Schubert, Zorn) umhören und dessen Team auf den Zahn fühlen, passt Schäfer überhaupt nicht – und auch die homosexuelle Beziehung des Mordopfers zu seinem Mitarbeiter Stefan Pohl (Max Simonischek) war alles andere als gern gesehen.
Exemplarisch für den erzählerischen Holzhammer-Stil steht jedoch eine andere Szene: Der jungen Polizeibeamtin Janine Meier (Caroline Hanke) brennen bei einer Verkehrskontrolle die Sicherungen durch, weil sich ein Temposünder von ihr nichts sagen lässt, ehe Ballauf und Schenk ihn routiniert in die Schranken weisen.
Auch mit Floskeln feuern die Filmemacher aus allen Rohren: Nach dem frühen Mord am hauptverdächtigen Junkie Ben Theissen (Hauke Diekamp) bringt dessen Bruder Thomas (Ronny Miersch) das Kunststück fertig, in drei Sätzen Polizei-Bashing gleich zwei banale Binsenweisheiten zu platzieren.
THEISSEN:Auge um Auge, Zahn um Zahn. Was für’n verlogener Verein, hat er immer gesagt. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
Was ist es also, das Kaputt zu einer der besseren der oft so formelhaft wirkenden Tatort-Folgen aus der Domstadt macht? Ganz einfach: Neben der überragenden Nebendarstellerin Anna Brüggemann, die in ihrer Schlüsselrolle als traumatisiertes Gewaltopfer eindrucksvoll aus dem ansonsten eher limitierten Cast herausragt, bewegt sich auch die Spannungskurve auf hohem Niveau.
Schon der Mord an Theissen – bis dahin vergeht gerade mal eine Viertelstunde – ist ein echter Überraschungsmoment, weil er in der klassischen Einleitungsphase mit den Erzählmustern der Krimireihe bricht und das Geschehen von jetzt auf gleich auf den Kopf stellt. Auch die letzten zwanzig Minuten des Films sind gerade für die meist gemächlichen Kölner Verhältnisse mitreißend arrangiert. Zwar dürfte die Auflösung der Täterfrage eingefleischte Krimi-Fans vor keine größeren Probleme stellen, doch ist der Weg dahin vielschichtiger, als es zunächst den Anschein hat.
Mit pfiffigeren Dialogen und einer weniger überfrachteten Geschichte hätte aus dem soliden Whodunit sogar ein richtig gutes Krimidrama werden können, doch tappt Regisseurin Christine Hartmann (Türkischer Honig), die gemeinsam mit Rainer Butt auch das Drehbuch geschrieben hat, leider auch in einige Klischeefallen: Die dominante und linksradikale Selina Greve (Svenja Jung, Wer jetzt allein ist) aus ärmlichen Verhältnissen ist beispielsweise ebenso stark überzeichnet wie ihr schüchterner Kumpel Lukas Strauss (Luke Neite), der einer bildungsnäheren Schicht entstammt und durch den falschen Umgang – natürlich zur Überraschung seiner ignoranten Eltern – trotzdem auf die schiefe Bahn geraten ist.
Die Therapiesitzungen des Polizeipsychologen Dr. Peters (Thomas Goritzki, Fakten, Fakten…) mit Sommer hingegen fallen dermaßen substanzlos aus, dass die labile Polizistin sich die klugen Ratschläge auch gleich bei ihren trinkfesten Kollegen hätte abholen können, die beim Feierabendbierchen um keine Stammtischparole verlegen sind.
Dafür darf sich Norbert Jütte (Roland Riebeling), der für den Personalrat kandidiert, erstmalig von der Schablonenhaftigkeit seiner Sidekick-Figur emanzipieren: Der brutale Tod des Kollegen aus dem Streifendienst bringt den sonst so gemütlichen Assistenten auf die Palme, was ihn den Grundsatz der Objektivität vergessen lässt und in ein saftiges Donnerwetter von Ballauf mündet. Auch im Nachklapp zu dieser Szene wäre weniger allerdings mehr gewesen.
Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Glück allein“
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