Folge 1106
27. Oktober 2019
Sender: SRF
Regie: Tom Gerber
Drehbuch: Felix Benesch, Mats Frey
So war der Tatort:
Genauso miserabel wie der erste Tatort aus Luzern.
Und damit schließt sich für Hauptkommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser) acht Jahre nach dem völlig missglückten Erstling Wunschdenken und weiteren Tiefpunkten wie Hanglage mit Aussicht oder Zwischen zwei Welten der Kreis: Anfangs noch einmalig unterstützt von Co-Ermittlerin Abby Lanning (Sofia Milos), stellte das SRF dem Kommissar und Hobbysegler ab seinem zweiten Fall Skalpell die lesbische Kommissarin Liz Ritschard (Delia Mayer) zur Seite – und wenn man ehrlich ist, hat man über Flückiger und Ritschard in den folgenden Jahren auch nicht viel mehr erfahren, als dass er eben auf Boote und sie eben auf Frauen steht.
Der Elefant im Raum ist der letzte Fall der beiden und brennt nochmal ein ordentliches Feuerwerk ab: Bei einem einleitenden Pyro-Anschlag auf ein Dinner der oberen Zehntausend der Stadt – zu denen offenbar auch Flückigers Freundin Eveline Gasser (Brigitte Beyeler) zählt, die den Kommissar dort hingeschleppt hat – kommt Schiffskapitän Iten (Christoph Künzler) mit einer Rauchvergiftung ums Leben. Außerdem verschwindet Kantonsrat Bernhard Ineichen (Martin Hug), um kurze Zeit später als Wasserleiche wiederaufzutauchen – und wo es was zu sehen gibt, ist auch der sensationslüsterne Betreiber der alternativen News-Plattform Veritas News nicht weit.
Der gewiefte Fake-News-Verfasser Frédéric Roux (Fabian Krüger) hat in Luzerns Elite und der Polizei sein Feindbild ausgemacht – und macht es sich fortan zur Aufgabe, die Kripo auf seiner Online-Plattform nach allen Regeln der Kunst vorzuführen.
Allein dieser Wutausbruch Flückigers macht deutlich, in welchen Sphären die Filmemacher im 1106. Tatort unterwegs sind: Die Drehbuchautoren Felix Benesch und Mats Frey, die schon die Geschichte zum verkorksten Schweizer Tatort Zwei Leben schrieben, werfen Journalisten (die in der Krimireihe ohnehin meist in ein schlechtes Licht gerückt werden, vgl. Durchgedreht oder Lohn der Arbeit) in denselben Topf wie Hetzer und Verschwörungstheoretiker. Wer einseitige Stimmungsmache oder Videos aus dubiosen Quellen im Netz verbreitet, ist für Benesch und Frey ein Journalist. Umgekehrt haben bei einer Pressekonferenz alle Medienvertreter bimmelnde Push-Nachrichten von Veritas News abonniert, um über neue Pseudo-Leaks auch ja auf dem Laufenden zu bleiben.
Was die Filmemacher die Figuren für billige Kapitalismuskritik und Halbwissen über die Pressefreiheit in die Welt posaunen lassen, ist abenteuerlich – so scheint die Kripo auch überhaupt kein Problem damit zu haben, dass der nervtötend überzeichnete Roux eine Hausdurchsuchung ins Netz streamt und seine Assistentin (Linda Gunst) den Beamten dabei mitten ins Gesicht filmt.
Mit ihren eindimensionalen Figuren erweisen die Filmemacher dem Zuschauer ebenfalls einen Bärendienst: Nicht jeder Fake-News-Verbreiter ist schließlich ein so arrogantes und manipulatives Arschloch wie Roux – das ist Charakterzeichnung mit dem Vorschlaghammer. Für die übrigen Verdächtigen gilt das Gleiche: Die aalglatten Unternehmer Planker Senior (Andrea Zogg, Schmutziger Donnerstag) und Junior (Manuel Löwensberg) sind seelenlose Klischees auf zwei Beinen und machen natürlich mit irgendwelchen Schmiergeldern irgendwelche miesen Waffengeschäfte.
All das wird nur kurz angerissen, spielt für die Geschichte aber im Grunde auch überhaupt keine Rolle. Viel interessanter ist doch, mit welchem Trick es der pfiffigen KTU-Chefin Corinna Haas (Fabienne Hadorn) wohl gelingt, Zugriff auf die Veritas-Server zu erhalten – nur eine von unzähligen unfreiwillig komischen Szenen, die so unbeholfen arrangiert sind, dass man den letzten Luzerner Tatort häufig kaum ernst nehmen kann.
Daran ändern auch die schwache Synchronisation des Schwyzerdütschen, die platten Dialoge und die fest im Ensemble verankerten Figuren nichts, an die man sich über die Jahre ja fast schon gewöhnt hat: Der ans Karikatureske grenzende Regierungsrat Eugen Mattmann (Jean-Pierre Cornu) nervt zum x-ten Male mit cholerischen Standpauken und einem aberwitzigen Verteidigungsreflex gegenüber jedem, der leise Kritik an Politik und Wirtschaft übt.
So ist Der Elefant im Raum unterm Strich ein Krimi zum Fremdschämen, der den Abschied der Luzerner Ermittler wie eine Erlösung erscheinen lässt – ihre Nachfolgerinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zürcher) und Tessa Ott (Carol Schuler) machen es ab 2020 in Zürich zumindest ein bisschen besser.
Bewertung: 1/10
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