Bild: Radio Bremen/btf |
Seit dem 20. November steht die sechsteilige Mockumentary-Serie „How To Tatort“ mit den neuen Bremer Tatort-Kommissaren Dar Salim, Luise Wolfram und Jasna Fritzi Bauer in der ARD-Mediathek zur Verfügung. Wir verraten, ob sich das Einschalten lohnt.
Bis zum offiziellen Tatort-Debüt der Bremer Ermittler Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer), Mads Andersen (Dar Salim) und Linda Selb (Luise Wolfram) müssen wir uns noch ein wenig gedulden: Die TV-Premiere ihres ersten Falls mit dem Arbeitstitel Neugeboren, der Anfang Dezember abgedreht wurde, hat die ARD für Pfingsten 2021 angekündigt.
Bereits am 20. November ist als Vorgeschmack auf das neue Team die Mockumentary-Serie How To Tatort in der Mediathek erschienen – und in der skizziert Regisseurin Pia Hellenthal in sechs humorvollen Folgen mit einer Länge zwischen 8 und 13 Minuten, wie die drei Schauspieler für ihre Rollen als Tatort-Kommissare fit gemacht werden.
Der zweiminütige Trailer, den Radio Bremen im Dezember 2019 nach der Vorstellung seiner neuen Hauptdarsteller veröffentlichte, ließ bereits erahnen, wie gut die drei harmonieren – und dieser Eindruck bestätigt sich auch in der Miniserie schon nach wenigen Minuten.
Die Drehbuchautoren Sebastian Colley, Tarkan Bagci und Dennis Eick setzen auf ein erzählerisches Prinzip, das wir aus der Erfolgsserie Stromberg kennen: Vermeintlich dokumentarische, oft zum Fremdschämen einladende Szenen im Produktionsbüro und bei Außeneinsätzen werden parallel zu Statements montiert, in denen die Schauspieler in bester Reality-Show-Manier getrennt voneinander einem Interviewer im Off ihr Herz ausschütten.
Da ist zum einen Luise Wolfram, die in ihrer Rolle als BKA-Kollegin Linda Selb bereits sechsmal an der Seite ihrer Bremer Tatort-Vorgänger Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) zu sehen war (zuletzt in Wo ist nur mein Schatz geblieben?) – und die offenbar gar keine Lust darauf hat, das Rampenlicht nun erneut teilen zu müssen.
Dann ist da Jasna Fritzi Bauer, die im neuen Tatort von der Weser trotz ihrer geringen Körpergröße eine respektseinflößende Kriminalkommissarin spielen soll – und die eigentlich viel lieber auf den Brettern der Volksbühne steht. Ihr Papa ist aber riesiger Tatort-Fan und ihm zuliebe hat sie die Rolle zugesagt.
Und da ist – last but not least – der Däne Dar Salim, der 2014 im herausragenden Bremer Tatort Brüder einen finsteren Clan-Chef mimte und nun auf die Seite der Gesetzeshüter wechselt: International durch seine Rolle im HBO-Megahit Game of Thrones bekannt geworden, spricht er fast durchgehend Englisch, bekommt einen Übersetzer (Ryan Wichert) an die Seite gestellt und ist mit seinen Gedanken oft bei den Dreharbeiten zum Spin-Off.
Schon bei der ersten Begegnung im Büro lassen sich die Unsicherheit und das gegenseitige Misstrauen förmlich greifen – ehe der schwer nikotinsüchtige Regisseur Ulrich Bock (Moritz Führmann, Das fleißige Lieschen) und die Dortmunder Tatort-Darstellerin Anna Schudt, die sich selbst spielt, dem peinlichen Schweigen und dem unbeholfenen Small Talk mit herrlicher Selbstverliebtheit ein Ende bereiten. Die Sequenz mit Schudt ist das erste ganz große Highlight in How To Tatort – neidischer Seitenhieb auf die Kollegen aus Münster inklusive.
SCHUDT:Wenn mal irgendwas sein sollte, dann ruft ihr mich an. Beim Tatort sind wir nämlich alle eine große liebevolle Familie. Also außer den Idioten aus Münster. 14,5 Millionen, das ist, also, das ist… 14,5 Millionen! Und wofür? Für ’ne schlechte Story und ein paar müde Gags.
Bild: Radio Bremen/btf |
Schudts selbstironisch-überzeichneter Gastauftritt in Folge 1, bei dem auch ihr Emmy für die Hauptrolle im Fernsehfilm Ein Schnupfen hätte auch gereicht nicht unerwähnt bleibt, ist bei weitem nicht der einzige. Schon bald begegnen die Bremer Tatort-Darsteller einem herrlich arroganten Wolfram Koch (bekannt als Hauptkommissar Paul Brix aus dem Frankfurter Tatort), der sich als furchtbar parteiischer Schauspielcoach entpuppt und Folge 2 zur besten der sechsteiligen Miniserie macht.
Vieles in How To Tatort erinnert nicht nur an Stromberg, sondern auch an den umstrittenen Impro-Tatort Das Team und den grandiosen Wiesbadener Meta-Tatort Wer bin ich? – und es spricht sehr für die Mockumentary, dass die Parallelen zum wegweisenden Film-im-Film-Experiment des Hessischen Rundfunks ganz offen thematisiert werden. Der ähnlich gelagerte Tatort-Meilenstein Meta hingegen bleibt unerwähnt – dafür gibt es in Folge 4 ein köstliches Treffen mit Meret Becker auf dem Damenklo, bei der die Berliner Tatort-Kommissarin die irritierte Luise Wolfram mit geheimnisvollen Verschwörungstheorien ins Grübeln bringt.
WOLFRAM:Wer will uns sabotieren?
BECKER:
Tut mir leid, kann ich dir nicht sagen. Zu gefährlich. Was meinst du, warum ich mit dem Tatort aufhöre?
Bild: Radio Bremen/btf |
Die lebensgefährlichen Sabotage-Akte, denen das Team beim Training der Polizeiarbeit ausgesetzt ist, und das gegenseitige Misstrauen zwischen Jasna Fritzi Bauer, Dar Salim und Luise Wolfram sorgen praktisch im Minutentakt für Lacher und sind zugleich die dramaturgischen Antriebsfedern der kurzweiligen Miniserie.
Die mal mehr, mal weniger subtil arrangierte Situationskomik, das perfekte Timing und das tolle Gespür der Filmemacher für das oft Unausgesprochene zwischen vordergründig freundlichen Dialogzeilen halten den Unterhaltungswert bis zur letzten Folge auf höchstem Niveau. Und es sind nicht zuletzt die drei Hauptdarsteller, die How To Tatort so ungemein sehenswert machen: Keiner der drei scheint eine vorgegebene Rolle zu spielen, sondern einfach sich selbst.
Erst auf der Zielgeraden, als das Komplott gegen die angehenden Tatort-Kommissare noch irgendwie aufgelöst werden muss, geht der Mockumentary spürbar die Luft aus – das temporeiche Finale ist nicht halb so originell wie vieles davor. Spätestens beim Gastauftritt von tagesschau-Moderatorin Linda Zervakis schießen die Filmemacher mit einer gut gemeinten, aber doch ziemlich dick aufgetragenen Botschaft deutlich über ihr Ziel hinaus.
Dennoch ist die How To Tatort hervorragend gelungen und stellenweise brüllend komisch – ob man die gut einstündige Miniserie am Stück schaut oder in kleinen Etappen, bleibt dabei jedem Zuschauer selbst überlassen und beeinflusst den Unterhaltungswert nicht. Die Pointen sitzen fast immer und kein Running Gag verbraucht sich zu schnell.
Die Lust auf das Debüt von Liv Moormann, Mads Andersen und Linda Selb ist damit geweckt.
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