Folge: 1128 | 13. April 2020 | Sender: SR | Regie: Christian Theede
Bild: SR/Manuela Meyer
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So war der Tatort:
Vielversprechend.
Denn nach der durchwachsenen Max Palu-Ära von 1988 bis 2005, der 2006 schwach beginnenden und 2012 stark endenden Kappl & Deininger-Phase (vgl. Verschleppt) und dem völlig fehlkonzipierten Stellbrink & Marx-Intermezzo ab 2013 (Tiefpunkt: Eine Handvoll Paradies) hebt der SR im Jahr 2020 ein Ermittlerduo aus der Taufe, mit dem es in Sachen Unterhaltungswert nachhaltig aufwärts gehen könnte.
Die Saarbrücker Hauptkommissare Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov, Weiter, immer weiter) bringen alles mit, was das Fundament für ein langfristig erfolgreiches Team ausmacht: überzeugende Schauspieler, eine interessante Figurenzeichnung und sogar einen gemeinsamen Background – genauer gesagt eine Freundschaft aus Kindheitstagen, nach der sich die beiden aus den Augen verloren und nun im Polizeipräsidium wieder zusammengefunden haben.
Bei ihren Ermittlungen unterstützt werden Schürk und Hölzer von der knuffigen Forensikerin Henny Wenzel (Anna Böttcher, Der Hammer) und den Kripo-Kolleginnen Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer, Kein Mitleid, keine Gnade) und Esther Baumann (Brigitte Urhausen, Mord Ex Machina) – und die sind auf Berlin-Rückkehrer Schürk deutlich besser zu sprechen als auf Hölzer, mit dem sie schon länger zusammenarbeiten.
Seine eklatante Schwäche, in kritischen Momenten seine Dienstwaffe nicht abzufeuern, vermag allerdings (noch) keinen Keil zwischen die beiden Kommissare zu treiben.
BAUMANN:
Dein Partner, der hat Schiss in der Buchse.SCHÜRK:Willst du auch einen Tipp? Halt einfach mal deine Fresse, ja?
Es herrscht nun ein rauerer Umgangston im Präsidium, und das ist auch gut so: Stellbrink & Co. ließ sich eher attestieren, um Authentizität bemüht zu sein, während das neue Quintett sie bei seinem Debüt in Das fleißige Lieschen auch ausstrahlt. Schürk ist der aufbrausende Einzelgänger, der in seiner ersten Szene einem rabiaten Vater eine reinhaut, Hölzer der fleißige Teamplayer und Softie, der bei den Kollegen einen schweren Stand hat. Darauf lässt sich aufbauen.
Regisseur Christian Theede und Drehbuchautor Hendrik Hölzemann, die bereits Mord Ex Machina realisierten, bescheren den beiden zum Auftakt einen spannenden Krimi der alten Schule: Erik Hofer (Gabriel Raab) liegt erschlagen im Wald, nachdem sein Großvater Bernhard (Dieter Schaad, Im toten Winkel) ihn zum Nachfolger als Leiter der traditionsreichen Tuch- und Textilfabrik Hofer & Söhne erklärt hat – und vor allem Eriks Bruder Konrad (Moritz Führmann, Nachtsicht), der selbst gern Firmenchef geworden wäre, gerät unter dringenden Tatverdacht.
Der Whodunit nach klassischem Strickmuster liest sich zugleich wie ein typischer Erstlingsfall eines neuen Ermittlerduos: Um die Hauptfiguren nachhaltig im Kopf der Zuschauer haften zu lassen, braucht es nicht nur ausführliche Charakterzeichnung, sondern auch die einleitend erwähnte, fundierte Backgroundstory. Das geht auch im 1128. Tatort zwangsläufig auf Kosten des Mordfalls, für den dadurch weniger Zeit bleibt.
Darüber hinaus gibt es weitere Handlungsschlenker, in die viel Zeit investiert wird: Konrad Hofers Beziehung zu Jaques Fontaine (Marc Oliver Schulze) und Schürks amüsanter Privatfeldzug gegen Pförtner Knut Ehrlich (Axel Siefer, Das ewig Böse) bringen die Handlung ebenso überschaubar voran wie Erik Hofers Wettschulden beim skrupellosen Wettbürobetreiber Lars Weißer (Robert Gallinowski, Tod und Spiele) – zumal es ohnehin ein ungeschriebenes Tatort-Gesetz ist, dass Kleinkriminelle, denen die Kommissare nebenbei das Handwerk legen, am Ende unschuldig sind.
Sehr reizvoll gestaltet sich dafür die über fünf Generationen reichende Familien- und Firmengeschichte der Hofers, in der sich dank der Erzählungen von Lida Tellmann (Marie Anne Fliegel, Borowski und das Haus am Meer) ein düsteres Kapitel aus der NS-Zeit offenbart: Hier fehlt am Ende ein wenig die Zeit, um in angemessener Tiefe auszuerzählen, welch schreckliche Dinge sich einst auf dem Firmengelände abspielten.
Trotzdem ist Das fleißige Lieschen unterm Strich ein atmosphärisch dicht inszenierter und moderner Krimi, in dem auch die Nebenrollen überzeugend besetzt sind: Allein die vereinnahmende Performance von Dieter Schaad als herrischer Patriarch und sadistischer Alt-Nazi ist das Einschalten wert, und wie so oft im Tatort wird die Autorität dieses Scheusals auch in den privaten Erfahrungen eines Kommissars reflektiert.
Am Ende stehen ein gelungenes Debüt für Schürk und Hölzer und ein knackiger Cliffhanger, der bereits die Neugier auf den zweiten Fall der beiden weckt.
Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Die Zeit ist gekommen“
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