Bild: Das Erste

In der Familie (2)

Folge: 1147 | 6. Dezember 2020 | Sender: BR | Regie: Pia Strietmann

Bild: BR/WDR/X Filme Creative Pool GmbH/Hagen Keller

So war der Tatort:

Mafiös, zum Zweiten.
Denn in Teil 2 der großartigen Doppelfolge zum 50-jährigen Tatort-Jubiläum bekommen es die Ermittler ein weiteres Mal mit der ‚Ndrangheta zu tun – doch anders als im Vorgänger In der Familie (1) lautet der Schauplatz diesmal nicht Dortmund, sondern München.
In die Stadt an der Isar hat es gleich zwei Mörder verschlagen, die in Teil 1 nicht gefasst werden konnten: In der stimmungsvollen Eröffnungssequenz auf einer Brücke im Wald begegnen wir wieder dem aufbrausenden Italiener Giuseppe „Pippo“ Mauro (Emiliano De Martino), der einen Drogendealer auf dem Gewissen hat, und Pizzabäcker Luca Modica (Beniamino Brogi), der seine Frau Juliane erwürgen musste, weil ihm die Mafia keine Wahl ließ.
Die dritte Leiche lässt nicht lange auf sich warten.
Auch Lucas Tochter Sofia (Emma Preisendanz) – beim Hinspiel eher am Rande in Erscheinung getreten – ist mit Pippo und Papa in einer kleinen Wohnung in München untergekommen. Und anders als bei ihrem ersten Auftritt hieven sie Drehbuchautor Bernd Lange und Regisseurin Pia Strietmann (Unklare Lage) im zweiten Teil der atmosphärisch unheimlich dichten Mafiatragödie auf die große TV-Bühne: Sofia weiß weder, dass ihre Mutter tot ist, noch um die Täterschaft ihres Vaters – und sie setzt alles daran, es in Erfahrung zu bringen.
Ihr Unwissen ist lange Zeit der zentrale Konflikt in einer hochemotionalen Tatort-Folge, die mit vielen Konventionen bricht und in der die Kündigung von Nora Dalay (Aylin Tezel) nicht mehr thematisiert wird: Der Dortmunder Hauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann), der die Hauptschuld an ihrem Ausstieg und an Modicas Tod trägt, reist allein mit sich und seiner Schuld nach München, um den Fall abzuschließen. Willkommen ist er dort aber nur bedingt, denn die bayrischen Platzhirsche Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) begegnen ihm zwischenzeitlich mit Skepsis.

BATIC:
Sollen wir den Faber anrufen?

LEITMAYR:

Na. Wir haben schon genug Tote.


Zwischen den Kommissaren läuft das Zusammenspiel diesmal flüssiger als im Vorgänger, in dem Batic und Leitmayr bisweilen wie das fünfte Rad am Dortmunder Wagen wirkten – es war daher die richtige Entscheidung, nicht das ganze Ermittlerquartett aus dem Ruhrpott nach Bayern zu schicken. Dort sorgt das Wiederauftauchen einer „entführten“ BVB-Tasse ebenso für kleinere Lacher wie Fabers amüsante Begegnungen mit Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer, der uns im sehr lesenswerten Interview mehr über das Zusammenspiel mit Jörg Hartmann verriet).

In der Familie (2) ist auch in den Nebenrollen hervorragend besetzt: Während Neuentdeckung Emma Preisendanz in ihrer ersten großen TV-Rolle über sich hinauswächst, gibt Paolo Sassanelli (Kopper) den eiskalten Paten Domenico Palladio. Ein starker Auftritt, der bei einer Imbissbegegnung mit den Kommissaren seinen ersten Höhepunkt erreicht. Das Vokabular ist derb, die Gangart brutal – wer sich auf einen gemütlichen Whodunit nach Schema F gefreut hat, der sitzt erneut im falschen Film. Besonders in der ersten Filmhälfte findet vieles hinter dem Rücken der Kommissare statt.
Ohne Kenntnisse des Vorgängers In der Familie (1) hängt man als Zuschauer aber in der Luft: Keine Rückblenden, keine Erklärungen, keine Neueinführung der Figuren. Sie wurden im ersten Teil ausführlich skizziert. Die Charaktere, die neu dazukommen – wie Baudezernatsleiter Martin Hainer (Florian Brückner, Im Alleingang) oder Bauunternehmer Willi Sailer (Rainer Haustein) – bleiben eher blass und stereotyp. Ein kleiner Schwachpunkt des Films.
Ähnlich verhält es sich auf Seiten der Mafia: Die Filmemacher gestehen der charismatischen Unterweltgröße Domenico Palladio ähnlich viel Kamerazeit zu wie den Modicas in Teil 1, seiner Frau Claudia (Barbara Romaner) und seinem Sohn Marc (Valentin Mirow) bleibt aber deutlich weniger Spielraum – und so entwickeln die Begegnungen mit der verzweifelten Sofia nicht ganz die Intensität, die vielleicht möglich gewesen wäre.
Dennoch reift die 1147. Tatort-Folge schnell zum mitreißenden Krimidrama, das in ein ebenso aufwühlendes Finale mündet wie der starke Vorgänger, und in dem der Schlussakkord auf einer Landstraße ähnlich eigenwillig ausfällt wie im Münchner Tatort-Meilenstein Frau Bu lacht. Den inszenierte 1995 (ebenso wie Teil 1 dieser Doppelfolge) Dominik Graf – im Hinblick auf die Regie von Pia Strietmann ist in der Fortsetzung im Übrigen kein Qualitätsverlust zu erkennen. 

In der Familie (2) hat Wucht, hat Spannung und hat Herz – da freut man sich doch direkt auf die nächsten 50 Tatort-Jahre.
Bewertung: 8/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Die Familie (1)“


Kommentare

10 Antworten zu „In der Familie (2)“

  1. Der erste Teil war trotz einiger Schwächen insgesamt spannend und eine Bereicherung, da er Einblick in die Methoden der Mafia gewährte. Gerade persönliche Folgen wurden authentisch dargestellt.
    Der zweite Teil ist an vielen Stellen ähnlich beeindruckend, etwas irritierend ist nur, dass kaum Bezug auf den ersten Teil genommen wird.
    Obwohl die Zusammenarbeit von Faber und den Münchnern dieses Mal besser gelungen ist, ist die rein männliche Besetzung der Polizisten in der zweiten Jubiläumsfolge sehr schade. Wenigstens darf die im ersten Teil etwas vernachlässigte Tochter diesmal groß aufspielen. Weil wir als Publikum vom Schicksal ihrer Mutter wissen, hat jedoch die Enthüllung der Wahrheit keine besonders große Durchschlagskraft. Wir erfahren ja nichts Neues. Für ein paar Überraschungen ist dieser nicht auf ganzer Linie überzeugende Tatort dennoch gut.
    8/10 sind meiner Meinung nach im direkten Vergleich mit der Wucht anderer Folgen mit dieser Wertung einfach nicht drinnen: Wie der erste Teil, von mir noch 7/10, was etwas enttäuschend für eine Jubiläumsfolge ist.

  2. Viele alte weiße Männer, die den halben Film damit verbringen, sich drohend voreinander aufzubauen.

  3. Jeder Wilsberg ist besser gemacht.

  4. Wie Teil eins: hervorragend

  5. Wie soll eine Geldwäsche konkret funktionieren, wenn man sich öffentliche Aufträge kauft? Dadurch wird schwarzes Geld nicht weiß und verdient hat man auch kaum etwas.

  6. Langweilig? Auf keinen Fall. Der Tatort war sehr gut gemacht. Man spürt die Dominanz und allgegenwärtig der Mafia jederzeit. Es wäre unrealistisch gewesen die wahren Täter zu überführen. Gelungene Vorstellung der Münchner und der Dortmunder Kommissare. Sehr starke Charaktere bei fast allen Darstellern in beiden Teilen. Mir hat es gefallen, Dir auch Pinocchio? ?

  7. Ein zu hoher Anteil in Fremdsprache mit nur sehr kurz angezeigten Untertiteln – anstregend dem Film zu folgen. Zudem sehr viele dunkle Szenen und die folgen ziehen sich in die Länge. Lieber kurz mit Action und Spannung. Relativ langweilig.

  8. Klasse! Endlich mal wieder Spannung aber nichts für schwache Nerven

  9. Das waren die beiden langweiligen Tatort die ich je gesehen habe.������

  10. 50 Jahre tatort?
    Der tatort ist tot.
    Es lebe der Polizeiruf.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert