Denn Borowski und die Angst der weißen Männer erzählt von Männern, die es für ihr gutes Recht halten, ihre Frauen zu unterdrücken und sich erst dadurch wie echte Männer fühlen. Von Männern, die von Frauen zurückgewiesen werden, die Schuld aber nie bei sich selbst suchen. Und von Männern, die sich in geheimen Bünden organisieren und die Überfremdung ihres Heimatlandes fürchten – und die nun radikal zurückzuschlagen wollen.
Es ist kein Zufall, dass die ARD die TV-Premiere der 1159. Tatort-Folge auf den Vorabend des Weltfrauentags 2021 terminiert hat – was im Sinne der thematischen Abwechslung allerdings keine ganz glückliche Wahl ist. Der Ludwigshafener Tatort Hetzjagd liegt erst drei, der Dortmunder Tatort Heile Welt zwei Wochen zurück – und bereits in diesen Krimis wurde das Thema Rechtsextremismus intensiv behandelt.
Dafür können die Drehbuchautoren Peter Probst (Auge um Auge) und Daniel Nocke (Borowski und das Haus am Meer) allerdings ebenso wenig wie Regisseurin Nicole Weegmann (Hydra) – und mit dem Thema Antifeminismus, den die rechtskonservativen Kräfte online und offline für sich vereinnahmen, fügen sie der in der Krimireihe schon häufig geführten Debatte um rassistische geistige Brandstifter einen durchaus unverbrauchten Aspekt hinzu.
Darüber hinaus lernen wir vom Kieler Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) so manches über die Incel-Bewegung und die Zahl 14 – und die Lehrstunde für seine unwissende Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik), die bei der Suche nach dem Mörder einer jungen Frau erfreulich oft eigene Akzente setzt, wird dabei subtil-humorvoll und etwas eleganter eingeflochten als die zur Zahl 88 im Tatort Hetzjagd.
BOROWSKI:
14 Words. Das steht weltweit ganz oben auf der Liste rechter Codes. Ich hab das schon für Sie ausgedruckt, Sie müssen gar nicht nachschauen.
Borowski und die Angst der weißen Männer ist ein temporeich, aber auch etwas theatralisch und aufdringlich inszenierter Film – und er hat seine stärksten Momente dann, wenn die Filmemacher vom Gas gehen und sich in den ruhigen Momenten Zeit für ihre Figuren nehmen.
Das ist vor allem im Bezug auf den psychisch labilen Einzelgänger Mario Lohse (stark: Joseph Bundschuh, Das ist unser Haus) der Fall: Datet unbeholfen im schlecht sitzenden Hemd das entzückende Mauerblümchen Vicky (die jüngere Schwester Mathilde Bundschuh, Klingelingeling), wirft sich vorm Spiegel in Schale und wird dann ausgerechnet von Borowski und Sahin ausgebremst – eine köstliche Sequenz, bei der man fast Mitleid mit dem schlecht frisierten Dauersingle haben kann.
Letztlich gerät das Psychogramm des Mannes, der mit der meisten Kamerapräsenz aller Nebenfiguren gesegnet ist, aber recht dünn: Lohses Probleme mit der Damenwelt leiten sich vor allem aus seinem Äußeren ab. Der maskulinistische Hassprediger Hank Massmann (Arnd Klawitter, Spieglein, Spieglein), der mit seinen tumben frauenfeindlichen Parolen bei Lohse Anklang findet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Prototyp des intellektuellen Rechten, der im Journalisten eine Gefahr und in der Dummheit seiner Anhänger die Chance auf Macht und Moneten sieht. Vieles im 1159. Tatort gerät plakativ, die Substanz bleibt aber bisweilen auf der Strecke.
Auch als Whodunit funktioniert Borowski und die Angst der weißen Männer nur bedingt: Nach einer knappen Stunde rückt die Frage, ob der tatverdächtige Lohse die junge Frau nach einem Clubbesuch getötet hat, stark in den Hintergrund, weil es für die Ermittler ein größeres Verbrechen zu verhindern gilt – Utøya, Christchurch und Hanau stehen Pate. Ermittelt wird auch im Darknet – eine Gemeinsamkeit, die der Film mit dem deutlich stärkeren Thriller Borowski und das dunkle Netz teilt. Das bietet Gelegenheit für amüsante Reibereien mit Cybercop Paulig (Jan-Peter Kampwirth, Das Wunder von Wolbeck), gestaltet sich aber allein schon aufgrund der makellosen Orthografie in den Chaträumen der Rechtsextremen nicht immer authentisch.
Die letzten zwanzig Minuten sind aber sehr mitreißend arrangiert, weil sowohl Borowski als auch Sahin getrennt voneinander in Bedrängnis geraten – der Showdown gestaltet sich damit packender als die obligatorischen Scherereien mit dem Staatsschutz, nach denen man die Uhr stellen kann. Nach dem Abspann hängen wir aber hilflos in der Luft und das Schicksal der ins Visier radikaler Frauenhasser geratenen Politikerin Birte Reimers (Jördis Triebel, Am Ende des Tages) lässt uns merkwürdig kalt, weil dieser Handlungsstrang recht leblos nebenher läuft.
So bleibt es bei einem reizvollen Thema, einigen kraftvollen Bildern und einem spannenden Finale – ein auf ganzer Linie überzeugender Krimi ist der fünfte Tatort mit Borowski und Sahin mit Blick auf die recht platten Figuren und die reißerische Umsetzung unterm Strich aber nicht ganz geworden.
15 Antworten zu „Borowski und die Angst der weißen Männer“
Anonym
Endlich mal wieder ein guter Tatort! Das Ermittlerteam ist hervorragend und die anderen Hauptprotagonisten überzeugen durch ihre schauspielerische Qualität mit der sie ihre Rollen ausfüllen und ihnen die nötige psychologische Tiefe verleihen. Zudem wurde ein äusserst aktuelles Thema, das leider in der Gesellschaft heruntergespielt wird, spannend inszeniert. 8 von 10 Punkten für diesen tollen Kieler Tatort!
Realitätsfern und wieder politisch motiviert dieser Tatort. Weiße Männer gegen Frauen wirkt sehr stigmatisiert. Die ARD sollte mal kundtun, wo es überhaupt so einen Fall mal gegeben haben soll. Ich kenne andere Übergriffe auf Frauen. Steht fast täglich in den Zeitungen.
Incels sind tatsächlich eine Gefahr. Wahrscheinlich sind Sie eine Frau.
Aus verschiedenen Gründen sind die Frauen heutzutage in Ihrer Auswahl des Sexualpartners so gestrickt dass ein gewisser Teil, meist deutscher Männer, systematisch nicht berücksichtigt wird.
Das erzeugt Frust, Depression und Frauenhass.
einmal googlen was incels sind und selber recherchieren – oder auch mal gerne die Kommentare HIER durch lesen: weiter oben bekennt sich einer derer öffentlich dazu selsbt ein Incel zu sein und bekundet zu dem süffisant wie viele sie doch wären. Es geschehen tagtäglich Femizide und Gewaltaten an Frauen von denen viele schlicht und ergreifend hassmotivert sind – das ist alles andere als realitätsfern – realitätsfern ist, sowas nicht auf der Kette zu haben und die eigene Unwisseneheit anderen vorzuwerfen…. Nur weil etwas bislang nicht als Femizide und Incel Taten benannt wurde, heisst das lange nicht, dass es nicth existiert.
Hass auf Frauen gibt es sicherlich, aber aus allen Schichten. Ich sehe es auch so. Wie z. B. Frauen die Bahnhofstreppe herunter gestoßen oder öffentlich attackiert werden. Aber was hat das mit Rechtspopulismus zu tun.
Schon mal was von Femizid gehört. Chefreporter Per Hinrichs berichtete gestern in Welt am Sonntag, dass in Deutschland jährlich ca. 300 Frauen zu Tode kommen.
Über Femizid habe ich auch gelesen. Besonders gefährdet sind Frauen aus patriarchalisch geprägten Ländern. Aktuell werden in Deutschland mehrere Fälle verhandelt.
Nach anfänglichen Blabla der üblichen Fakten ( Asylanten, Unterdrückung der Männer, Gehirnwäsche ) könnte das Ende doch noch ein wenig Spannung, aber nur ganz wenig, erzeugen. Und Borowski sollte sich endlich das nuscheln angewöhnen !
Mir hat der Tatort sehr gut gefallen. Die Tragik dass der Haupttäter tatsächlich fast eine echte Partnerin findet die aufrichtig an ihm interessiert ist. Von beiden gut gespielt.
Borowski souverän.
Weshalb nur 6 Punkte? Ich würde mindestens 8 Punkte vergeben!
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