Hendrik Heiden

Wunder gibt es immer wieder

Folge: 1182 | 19. Dezember 2021 | Sender: BR | Regie: Maris Pfeiffer

Bild: BR/Roxy Film GmbH/Hendrik Heiden
So war der Tatort:
Wunderbar altmodisch.
Denn Wunder gibt es immer wieder wirkt in seinem Agatha-Christie-Erzählstil im Dezember 2021 ein bisschen wie aus der Zeit gefallen – und das ist in Zeiten sperriger Philiosophiekrimis (vgl. Murot und das Prinzip Hoffnung), aufwühlender Beziehungsdramen (vgl. Die Kalten und die Toten) oder ambitionierter Wissenschaftsthriller (vgl. Unsichtbar), die in den Wochen zuvor ihre TV-Premiere feierten, ja fast schon eine entschleunigende Wohltat.
In dem von Regisseurin Maris Pfeiffer (Tod und Spiele) unaufdringlich inszenierten Sommerkrimi, der mit der gleichnamigen Schnulze von Katja Ebstein nicht mehr als den Titel gemein hat, läuft alles so ab, wie es im Tatort schon vor Jahrzehnten gemacht wurde: Die Drehbuchautoren Alex Buresch und Matthias Pacht, die bereits die Münchner Folgen Die ewige Welle und Der Wüstensohn gemeinsam konzipierten, erzählen einen unaufgeregten Kriminalfall und entführen ihr Publikum in einen vielversprechenden Mikrokosmos – genauer gesagt in ein Nonnenkloster im malerischen Voralpenland.
Vor dieser traumhaft schönen Kulisse und innerhalb dieser – ja stets etwas Geheimnisvolles versprechenden – Klostermauern arrangieren sie einen Whodunit aus dem Lehrbuch, den die altgedienten, aber noch lange nicht ausgedienten Münchner Hauptkommissare lösen müssen: Ein Wirtschaftsprüfer, der dem Kloster auf den Zahn gefühlt hat, wurde mit dem Extrakt des Gefleckten Schierlings vergiftet – und es liegt an Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), seine Mörderin zu finden. 
Als Täterinnen infrage kommen neben dem vorbestraften Hausmeister Friedrich Neubauer (Aurel Manthei) eigentlich nur die Nonnen, um deren Alltag sich in diesem Krimi alles dreht – und umgekehrt fühlen auch die Schwestern Barbara (Corinna Harfouch, Die Ballade von Cenk und Valerie), Klara (Constanze Becker), Jacoba (Petra Hartung), Julia (Christiane Blumhoff, Bier vom Faß) und Angela (Ulrike Willenbacher, One Way Ticket) sowie die junge Novizin Antonia (Maresi Riegner) den Kommissaren auf den Zahn. Die quartieren sich nämlich für ein paar Nächte in einer Klosterzelle ein und müssen sich von den keineswegs hinterm Mond lebenden Nonnen hier und da den Spiegel vorhalten lassen.

SCHWESTER JULIA:
Wann waren Sie beide denn das letzte Mal beim Beichten und haben Buße getan?

LEITMAYR:
Glauben Sie mir, Schwester, der Kollege büßt für seine Verfehlungen jeden Tag.

BATIC:
Das ist wahr.


Verblüffende Wendungen, ästhetische Spielereien oder das ganz große Drama gibt es im 1182. Tatort nicht – Wunder gibt es immer wieder wird weder Filmpreise gewinnen, noch hitzige Debatten auslösen. Stattdessen kommen all jene Zuschauer auf ihre Kosten, die am Sonntagabend „endlich mal wieder einen ganz normalen Krimi“ genießen und auf der Suche nach der richtigen Auflösung mit den routinierten, einmal mehr prächtig harmonierenden Kommissaren aus Bayern um die Wette rätseln möchten. Warum denn auch nicht?
Auch der sonst so emsige Kommissar Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer), der sich erst auf der Zielgeraden zu seinen Vorgesetzten gesellt, lässt es entspannt angehen – wir sind live dabei, wenn sich Kalli in den Badesee stürzt, dringende Anrufe aber natürlich trotzdem annimmt. Der Pathologe Dr. Mathias Steinbrecher (Robert Joseph Bartl) schlussfolgert die vermeintliche Todesursache hingegen aus einem Fitnesstracker – würde dieser kurze High-Tech-Moment nicht so früh im Film platziert, wirkte er in der Welt akribisch gepflegter Kräutergärten, feierlicher Tischgebete und stimmungsvoller Kirchengesänge fast wie ein Fremdkörper.
Mehr als einmal werden Erinnerungen an die atmosphärisch dichte Literaturverfilmung Der Name der Rose wach, in der der erfahrene William von Baskerville (Sean Connery) und der junge Adson von Melk (Christian Slater) auf Mördersuche hinter Klostermauern gingen: Waren im Historienkrimi von 1986 die blauen Zungen der Toten ein wichtiges Indiz für die richtige Auflösung, sind es hier die roten Hälse der Opfer, die einen Hinweis auf die pflanzenkundige Mörderin liefern. Das hat etwas Nostalgisches und wirkt dabei deutlich geerdeter als der futuristische Münchner Vorgänger Dreams, der dafür mit anderen Stärken punktete.
Ob es die Geschichte um eine Blut weinende Holzmadonna und den Besuch zweier arg überzeichneter Vertreter des Vatikans in dem ansonsten so bodenständigen Klosterkrimi gebraucht hätte, darf allerdings bezweifelt werden: Die Zeit hätte man besser in die Charakterzeichnung investiert, denn gerade über die Mörderin erfahren wir unterm Strich doch recht wenig. Überhaupt wirkt die Auflösung wenig inspiriert: Batic und Leitmayr versammeln alle Nonnen und setzen zur ganz großen Abschlussrede an – genau so, wie es auch schon vor Jahrzehnten in Krimis gemacht wurde.


Kommentare

9 Antworten zu „Wunder gibt es immer wieder“

  1. Bin ein Fan vom Team München, aber der war echt langweilig…

  2. Mir hat der Tatort diese Woche nicht gefallen. Und wenn ich erfahre, dass beim miserablen Tatort "Die ewige Welle" dieselben Drehbuchautoren am Werk waren, erklärt sich so einiges. Denn diese Folgen sind gleichermaßen vorhersehbar, uninspiriert und langatmig.
    Was dieser Folge für mich das Genick bricht, ist erstens die stereotype Darstellung der Nonnen, die in Serien wie "Um Himmels Willen" noch durchgehen konnte, aber hier im Tatort nicht dem erwarteten Niveau entspricht. Natürlich, immer wenn eine schlimme Nachricht kommt, folgt ein Kreuzzeichen. Natürlich, Nonnen leben doch nicht hinterm Mond – und das muss man auch dadurch zeigen, dass eine dieser Nonnen in Aktiengeschäften tätig ist, freilich nur so nebenbei als Hobby (ich glaube, das gab es auch schon bei Wilsberg (!)). Und die Novizin hat auch anderweitige Interessen neben ihrem Dienst. Fehlen darf selbstverständlich auch das Wunder nicht.
    Zweiter Schwachpunkt: Die Spannungskurve, bzw. die nicht vorhandene Spannungskurve. Diesem Film fehlt es komplett an Spannung oder Drama. Das kann auch durch die Horrorfilmmusik nicht vertuscht werden, die in einem Kloster ja auch fast schon selbstverständlich ist. Schließlich sind Kloster groß, unnahbar und gruselig…
    Und drittens: Der Plot. Viel zu vorhersehbar, viel zu langsam erzählt! Dass etwa der Hausmeister beim Essen vergiftet wurde, ist doch offensichtlich, es wird aber dem unaufmerksamen Zuschauer nochmal sogar mit Rückblende (!) erklärt. Nicht jeder Tatort muss einen fordern, aber wenn einem auch noch das Mitdenken verwehrt wird, sind wir auf dem Niveau von "Rosenheim Cops" (und damit wieder in einem unterhaltsamen ZDF-Programm, das jedoch nicht auf Tatort-Niveau unterwegs ist).
    Besonders ärgerlich ist die schon zuvor angebahnte Auflösung: Wer oft Krimis schaut, dem wird der Verweis auf den toten Ehemann nicht entgangen sein. Schön Minute für Minute vorgetragen von den Kommissaren.
    Einige Lichtblicke gefällig? Vielleicht das nette Setting, das gerade in der Coronazeit Sehnsüchte widerspiegeln dürfte. Auch freilich die Kommissare, die einfach wahnsinnig Humor besitzen und nach so vielen Dienstjahren immer besser werden (wobei der Wortwitz hier mal mehr, mal weniger gelungen ist: Das war im letzten Münchner Fall besser).
    Unterm Strich retten diese zwei Kleinigkeiten den sonst rundum misslungenen Film nicht vor dem Label "miserabel": Fast so schlecht wie "Die ewige Welle" eben. 2/10

  3. Ein bisschen langweilig aber endlich mal keine durchgeknallten oder kaputten Kommisare die 2 sind einfach die Besten mit den Münsterländern die anderen Tatort Sendungen schauen wir sowieso nicht mehr an

  4. Der Tatort war sehenswert .

  5. Langweilig.. "Im Name der Rose" läßt Grüßen.

  6. Top Tipp des Tages: da erwsrtet man etwas anderes.Action statt Langeweile und langatmigeRecherchen. Das am Sonntagabend enttäuschend, wie so oft.

  7. Wohltuend!

  8. Das war doch mal wieder ein"normaler" Tatort, ohne Drama, komplizierte Storys und übertriebenes Getue

  9. Langweilig

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