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Saras Geständnis

Folge: 1189 | 13. Februar 2022 | Sender: SWR | Regie: Kai Wessel

Bild: SWR/Benoit Linder
So war der Tatort:
Rutschig.
Denn nach dem qualitativen Nach-Oben-Ausrutscher mit dem grandiosen Mindfuck Damian von 2018 und ihrem folgenlosen Sex-Ausrutscher im vielkritisierten Karnevalskrimi Ich hab im Traum geweinet von 2020 haben die Ermittler im Schwarzwald diesmal mit der Witterung zu kämpfen: Schon am Fundort der Leiche hat der schneereiche Winter den Waldboden in Matsch verwandelt – und bei einer Verfolgungsjagd durch die spiegelglatte Innenstadt brechen sich die Freiburger Hauptkommissare später fast die Haxen.
Ansonsten sind Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) aber nicht so leicht aus der Balance zu bringen: Ihre Ermittlungen im Fall eines erstochenen Ex-Polizisten, der sich akribisch mit dem Kennedy-Attentat und vielen weiteren, nie vollständig geklärten Mordfällen beschäftigt hat, spulen sie routiniert ab – nicht einmal die unzuverlässige IT im Präsidium oder das im Netz viral gegangene Video einer rabiaten Gafferin, die Berg für einen kurzen Moment auf die Palme bringt, vermögen daran nachhaltig etwas zu ändern. 
Das Problem bei der Sache: Tobler und Berg bei ihrer Arbeit zuzusehen, gestaltet sich wahnsinnig zäh – und IT-Probleme sind schließlich schon im realen Leben nervig genug. Da nützt es wenig, dass Drehbuchautorin Astrid Ströher (Propheteus) dem Kommissar einen seltsamen Running-Gag um hartnäckig riechenden Kot an seinem neuen Wanderschuh in den Plot geschrieben hat. Überhaupt scheinen die Macher der Sonntagskrimis im Jahr 2022 gesteigerten Gefallen an Fäkalien gefunden zu haben: Nach der originellen Hundekot-Idee im Stuttgarter Tatort Videobeweis und einem Kackhaufen in Nachbars Garten als Mordmotiv im Kölner Tatort Vier Jahre hält die Scheiße bereits zum dritten Mal binnen sieben Wochen Einzug in ein Tatort-Drehbuch.
Wir lernen: Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.

BERG:
Das kann nicht sein! Mit der Zahnbürste hab ich einzeln aus den Ritzen die Scheiße rausgekratzt.

TOBLER:

Wer einmal Scheiße am Schuh hat…


Saras Geständnis startet ordentlich und beginnt mit der Entlassung der verurteilten Totschlägerin Sara Manzer (Johanna Wokalek, Falscher Hase) aus der JVA: Einst von Bergs verhasstem Kollegen Werner Bauder (Werner Wölbern, mimt Staatsanwalt Bachmann im Tatort aus Frankfurt) hinter Gitter gebracht, will Manzer ein neues Leben beginnen – und wir beginnen zu ahnen, dass der Fall mit dem Toten der Gegenwart in Verbindung steht und ihr damaliges Geständnis auf tönernen Füßen gebaut ist. Es sind die nächsten Parallelen, die sich zum Tatort Vier Jahre ergeben, der einen Sonntag zuvor ausgestrahlt wurde – über die Programmplanung der ARD kann man zum wiederholten Mal nur den Kopf schütteln.
Die Sprünge zwischen den Zeitebenen halten sich im 1189. Tatort allerdings in Grenzen: Unter unaufgeregter Regie von Kai Wessel besteht selten die Gefahr, das Publikum beim Entschlüsseln der klassischen Whodunit-Konstruktion zu überfordern. Während Tobler und Berg mit Zwischenfazits Gedankenstützen aufstellen, bleiben die Figuren recht flach und klischeehaft – das gilt nicht nur für Bauder, dessen harte Ermittlungsmethoden Berg moniert, sondern vor allem für den hoffnungslos überzeichneten Schichtleiter Schilling (Gian Luca Rausch), der von der auf Bewährung aus dem Knast entlassenen Manzer einen Blowjob als Gegenleistung für ihren neuen Job als Küchenhilfe einfordert.
Immerhin: Die gewohnt fabelhafte Johanna Wokalek darf in diesen Momenten Kostproben ihres Könnens geben – wird in ihrer geheimnisvollen Rolle als geläuterte Skandalnudel bei den Begegnungen mit Manzers hilfsbereiter Freundin Marlene Hopp (Sophie Lutz, Väterchen Frost), ihrem enttäuschten Ex-Mann Derek (Michael Klammer, Tschiller: Off Duty) oder der aufgeweckten Tochter Evi (Samirah Breuer) ansonsten aber selten gefordert. Schnell schimmert durch, dass die Auflösung der Täterfrage im privaten Umfeld der introvertierten Verlegertochter zu finden ist; krimierprobten Zuschauern dürfte die finale Wendung nur ein müdes Lächeln abringen. Dass dann auch noch die Schlampigkeit der SpuSi daran mitwirkt – nicht gerade einfallsreich.
Ansonsten setzt sich mit Blick auf die Tatort-Drehbücher in Saras Geständnis ein Phänomen fort, das schon lange nicht mehr für Originalität steht: Durch die Schulbekanntschaft zu Manzer ist auch Tobler privat in den Fall involviert – wenngleich sich diese Verstrickung hier weniger stark auswirkt als im Saarbrücker Tatort Das Herz der Schlange, im Münster-Tatort Des Teufels langer Atem oder im Dortmunder Tatort Gier und Angst, die in den Wochen zuvor ihre TV-Premiere feierten. Die Krimireihe war schon mal vielfältiger.
Bewertung: 4/10





📝 So war der Vorgänger: Kritik zum Kölner Tatort „Vier Jahre“


Kommentare

6 Antworten zu „Saras Geständnis“

  1. Kolleg:innen! Mein Gott, wie blöd

  2. Die Sch…am Schuh des Kommissars war vermutlich sinnbildlich gemeint, für die Qualität dieses grottenlangweiligen Tatort. Das Niveau der Autorin dieses angeblichen Krimis lässt zu Wünschen übrig.

  3. Öko-Trend der 20-er, Motiv-Recycling statt Creative Writing: Kommissarin in Lebensgefahr 2-mal, KI tötet 2-mal, Kommissar tötet unter Gifteinwirkung 2-mal, alter Fall Reloaded 2-mal, Hundekot 3-mal

  4. Endlich mal wieder ein Tatort bei dem nicht das kaputte Privatleben der Kommissare im Vordergrund steht. Von uns die Note 7

  5. Zum runter kommen war der Tatort genau richtig. Ziemlich langatmig das ganze. Irgendwann schlafen die zwei Kommissare bei ihren Ermittlungen ein.

  6. Mal wieder ein sehr guter Tatort… Gute Ermittler… Es wurde sich auf das wesentliche konzentriert… Auf den Fall… mit überraschenden Ende

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