Folge 1288
5. Januar 2025
Sender: WDR
Regie: Claudia Garde
Drehbuch: Karlotta Ehrenberg
So war der Tatort:
Arm.
An Innovationen und echter Spannung, was für den Kölner Tatort nicht ungewöhnlich ist, vor allem aber: reich an armen Menschen. Genauer gesagt: verschuldeten Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Kredite abbezahlen sollen. Und in diesem Krimidrama deshalb die Täterin oder der Täter sein könnten: Einleitend wird der arrogante Inkasso-Manager Fabian Pavlou (Thomas Hauser) vor laufender Videocall-Kamera seines gerade U-Bahn fahrenden Gatten David Gross (Vladimir Korneev, Azra) attackiert und verschwindet. Zurück bleiben eine Blutlache und drei Fragen: Wo ist er, wer war’s – und warum?
Abgesehen von der fehlenden Leiche, die die Abstinenz von Rechtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch) in diesem Film erklärt, ist Restschuld damit ein Whodunit aus dem Bilderbuch. Und zugleich ein Themenkrimi, den Drehbuchautorin Karlotta Ehrenberg (Marlon) den altgedienten Kölner Hauptkommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) förmlich auf den Leib geschrieben hat: eine wahrscheinlich tödliche Straftat zum Auftakt, ein Opfer mit vielen Feinden, eine Handvoll Tatverdächtige und ein sozialkritisches Thema, das – wie könnte es am Rhein anders sein – im Privatleben der Kriminalisten gespiegelt wird.
Nachdem sich der Kölner Tatort zuletzt bereits dem harten Tagesgeschäft von Sexarbeiterinnen (in Siebte Etage), ausbeutenden Schneeballsystemen (in Pyramide) oder dem stressigen Job von Paketfahrern (in Des anderen Last) widmete, dreht sich der Film diesmal um das Thema Verschuldung: Während Ballauf als kinderloser Junggeselle und gut verdienender Staatsbeamter nicht weiß, wofür er sein monatliches Gehalt ausgeben soll, lebt Familienvater Schenk auch im fortgeschrittenen Alter noch von der Hand in den Mund – das Häuschen will weiterhin abbezahlt werden. Augen auf bei der Kreditauswahl.
Vor einem noch größeren Dilemma stehen die Tatverdächtigen: Die an Arthritis erkrankte Geigenspielerin Monika Lehnen (Tilla Kratochwil, Der Maulwurf) und ihr Mann Jost (Roman Knižka, Rebland), der wegen eines Burnouts nicht mehr als Lehrer arbeiten kann, rationieren sogar das heiße Wasser, weil ihnen die Raten für ihr Haus über den Kopf wachsen. Die Steuerfachangestellte Stefanie Schreiter (Katharina Marie Schubert, Anne und der Tod) hat für ein Startup gebürgt, das pleite ist. Und Physiotherapeut Timo Eckhoff (Ben Münchow, Trotzdem) lebte schon als 18-Jähriger auf Pump, verweigert aber aus Stolz die Privatinsolvenz und wird von den Zinsen für seine Kredite aufgefressen. Armut hat viele Gesichter.
Viel aufzuarbeiten für Ballauf und Schenk, die sich unter Regie von Claudia Garde (Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes) und mit gewohnter Unterstützung ihres Kollegen Norbert Jütte (Roland Riebeling) sowie Kriminaltechnikerin Natalie Förster (Tinka Fürst) routiniert durch Dialoge nach der Wann-haben-Sie-das-Opfer-zuletzt-gesehen-Formel hangeln und das zentrale Krimithema auf dem Weg zu Freddys Dienstwagen reflektieren. Das gerät mal weniger, aber leider auch mal mehr kitschig – etwa dann, wenn die Ermittler betroffen vor einem Werbeplakat für ein vermeintlich sorgloses Kreditangebot stehen. Plakativer, im wahrsten Sinne des Wortes, geht es nicht.
Auch die Auflösung der eher zweitrangigen Täterfrage ist kein großer Wurf – dass wir die klamme Stefanie Schreiter früh beim Kauf eines Messers in einem Kaufhaus beobachten und auf eine bestimmte Fährte gelockt werden sollen, ist eine durchschaubare Nebelkerze. Einer der Tatverdächtigen lebt zudem unter geheimnisvollen Umständen – und dass er bei der Tat offenbar nicht alleine gehandelt hat, macht die Sache nicht komplizierter, sondern mit dem Auftritt dieser Person noch durchschaubarer. Sehr interessante und angenehm differenzierte Einblicke eröffnet Restschuld dafür in die Arbeit von Inkasso-Unternehmen, deren Geschäftspraktiken sonst selten thematisiert werden.
Seine besten Momente hat der 1288. Tatort dann, wenn er als stark besetztes Sozialdrama im Krimimantel den täglichen Kampf und das Versteckspiel der Betroffenen illustriert: Während Stehaufmännchen Jost Lehnen mit Zwieback zum Frühstück zufrieden ist und sich tapfer im Selbstbelügen suhlt, stiehlt seine Gattin heimlich bei der Tafel. Sie traut sich nicht, ihrer wohlhabenden Juristenfreundin Susanne Peters (Tanja Schleiff, Der Reiz des Bösen) reinen Wein einzuschenken, und bezahlen kann sie ihn auch nicht. Uns wiederum soll der Schluck aus dem Glas im Halse stecken bleiben – denn wir können ihn uns leisten, entspannt auf der Fernsehcouch sitzend. So kennen wir die Krimis aus Köln: kritisch und kalkuliert.
Bewertung: 5/10
Drehspiegel: Drei neue Tatort-Folgen aus Köln sind schon abgedreht
Ausblick: Dieser Tatort läuft am nächsten Sonntag
Keine News mehr verpassen: Abonniere uns bei WhatsApp
Schreibe einen Kommentar