Bild: WDR/Martin Rottenkolber

Feuer

Folge 1305

9. Juni 2025

Sender: WDR

Regie: Nana Neul

Drehbuch: Markus Busch

So war der Tatort:

Ernüchternd.

Da ist zuerst der Mordfall, der in eine frustrierende Auflösung mündet und den Scheinwerfer erstmalig in der Geschichte der Krimireihe direkt in ein Frauenhaus richtet: Von ihren Männern misshandelt, bedroht oder vergewaltigt, suchen gepeinigte Frauen dort Zuflucht. Unter ihnen die schutzlos ausgelieferte Meike Gebken (Nadja Becker, Schwarzer Peter) mit ihrer Tochter Zoe (Tesla Tekin): Sie kehrte noch einmal in ihr eigentliches Wohnhaus zurück und starb dort – anders als Zoe – nach einem Brand an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Ein Anschlag ihres gewalttätigen Ex-Partners Jens Hielscher (Sebastian Zimmler, Hochamt für Toni)?

Das müssen der Dortmunder Hauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) und seine Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) herauszufinden, doch ersterer stößt in offizieller Mission als Mann im Frauenhaus an seine Grenzen. Während sich Unterkunftsleiterin Katrin Schär (Jele Brückner) relativ auskunftsfreudig zeigt, vermag Faber den Bewohnerinnen des Zufluchtsorts keine Infos zum Mordopfer zu entlocken. Das veranlasst Teamchefin Ira Klasnic (Alessija Lause), die im Polizeirevier mehrfach ihr Revier markiert, in Feuer zu einer (vermeintlich) unkonventionellen Maßnahme: Sie ordert Herzog an, sich undercover im Frauenhaus einzuschleusen, obwohl diese kein gutes Gefühl dabei hat.

Was im 1305. Tatort bei Herzog Widerstand und Gewissensbisse auslöst, war in vielen anderen Tatort-Folgen kaum der Rede wert: Undercover-Einsätze der Kriminalisten – zuletzt etwa im Münchner Tatort Charlie, im Kieler Tatort Borowski und das ewige Meer oder im Saar-Tatort Der Fluch des Geldes – sind in der Krimireihe ein Standardrezept zum Erzeugen von Spannung und werden allenfalls pro forma auf Gefahrenpotenzial und Vorschriften hinterfragt. Während Nervenbündel Herzog schon vor dem Einzug mit sich hadert, nimmt Faber die Sache mit Galgenhumor – es ist einer der besten Wortwechsel in einem Dortmunder Tatort, der auch sonst wieder mit erstklassigen Dialogzeilen gesegnet ist.


HERZOG:
Wetten Sie lieber drauf, wann ich dort ’nen Nervenzusammenbruch bekomme.

FABER:
Wär doch perfekt für den Job.

Doch die Ernüchterung beim Anschauen des bedrückenden Krimidramas stellt sich nicht erst auf der Zielgeraden ein: Dem Film unter Regie von Tatort-Debütantin Nina Neul geht das titelgebende Feuer bisweilen ab. Statt fiebrige, geheime Ermittlungen hinter den Kulissen zu illustrieren, köchelt die Spannung auf Sparflamme. Während im Frauenhaus Herzen ausgeschüttet, Einrichtungen zertrümmert und Männer verflucht werden, denen juristisch nicht beizukommen ist, ist der heißeste Moment des Films tatsächlich ein kurzes Techtelmechtel zwischen Herzog und dem ehemaligen Streifenpolizisten Otto Pösken (Malick Bauer), der nach seinem Debüt im tollen Vorgänger Abstellgleis erneut mit von der Partie ist.

Auch LKA-Kollege Daniel Kossik (Stefan Konarske) schlägt wieder bei der Kripo auf, doch Brisanz bringt das kaum in den Film: Lebte der Vorgänger, in dem Faber unter Mordverdacht geriet, von der packenden Horizontale und weniger vom Kriminalfall um eine vermeintliche Fahrerflucht, ist die Fortführung dieser Geschichte in Feuer eine kleine Enttäuschung. Kossik erwähnt zwar, der Tod von Sebastian Haller sei noch nicht vollständig aufgeklärt, und auch Herzogs tödlicher Nothilfeschuss auf den des Mordes überführten Rechtsmediziner Magnus Gabor könnte noch Folgen haben – hat er hier aber (noch) nicht. Gar nicht erst thematisiert wird, in welcher rätselhaften Beziehung Klasnic zu Clanmitglied Lorik Duka steht, mit dem sie sich in Abstellgleis überraschend vertraut zeigte.

So schleichen sich ein paar Längen in den ansonsten so intensiven, beklemmenden Film ein, weil alles weitererzählt werden soll. Wirklich voran bringt es den Pfingsttatort 2025 aber selten. Auch Herzogs ungewollte Undercover-Mission endet früher als erwartet, was fast schon originell ist: keine riskanten Versteckspielchen, kein Eingriff in höchster Not, keine gefährliche Enttarnung. Wenig würde sich ändern, hätte Herzog im Frauenhaus einfach ihren Dienstausweis vorgezeigt. Häusliche Gewalt und Femizide sind wichtige, medial zu wenig beleuchtete und juristisch zu selten geahndete Themen – und sie gehören unbedingt in die Primetime. Im Dresdner Tatort Das kalte Haus etwa gelang das aber schon spannender.

Die Vorhersehbarkeit im Drehbuch von Markus Busch (Die Kalten und die Toten), der bereits die Geschichte zum wilden Dortmunder Tatort Inferno schrieb, ist ein weiterer Malus: Weil der rabiate „Ex“ Hielscher viel zu verdächtig ist, als dass er ernsthaft als Täter in diesem Whodunit infrage käme, kann man sich die Auflösung an zwei Fingern abzählen. Die bittere Schlusspointe des Krimis, die uns rat- und hilflos zurücklässt, ist dann an Ernüchterung schwer zu toppen: Während eine Frau für einen Mord ins Gefängnis wandert, bekommt der gewalttätige Gatte die Kinder und geht straffrei seines Weges. Leider gar kein so unrealistisches Szenario.

Bewertung: 6/10


Kommentare

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3 Antworten zu „Feuer“

  1. Avatar von Oliver Rau
    Oliver Rau

    Ja, das Ende ist unbefriedigend und lässt einen hilflos zurück. Aber es ist halt realistisch. Ich glaube, die klassische Der-böse-Bube-ist-hinter-Gittern-und-Gerechtigkeit-hergestellt-Auflösung hätte mich sogar mehr enttäuscht. So verstärkt dieser Tatort das ungute Gefühl um sein Hauptthema herum, und das ist dem Sujet angemessen. Und dass die Figur Rosa Herzog – wunderbar glaubwürdig gespielt von Stefanie Reinsperger – mit dem Undercover-Einsatz (zu Recht) hadert, finde ich gut und macht mir die Figur noch sympathischer.

    Übrigens: im ersten Absatz ist bei „Sebastian Zimmmler“ ein „m“ zu viel, das müssen wir abziehen. 😉

  2. Avatar von

    Die Vorgesetzte, Frau Klasnič, ist einfach nur überheblich, arrogant und bösartig. Tatorte vermitteln uns genau so ein Bild der Frauen. Wer schreibt Drehbücher? Frauenfeinde?

  3. Avatar von Christoph L.
    Christoph L.

    Meine persönliche „Auflösung“ des offenen Ende dieses Falls: Der Stick mit allen verräterischen Daten steckt im Einhorn! Diese Möglichkeit wurde leider nicht angedeutet.

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