Folge 1307
14. September 2025
Sender: BR
Regie: Max Färberböck, Danny Rosness
Drehbuch: Max Färberböck, Catharina Schuchmann
So war der Tatort:
Ringelhahnlos.
Im ersten Tatort nach der Sommerpause 2025 muss der Nürnberger Hauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) nämlich erstmalig ohne seine langjährige Partnerin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) auskommen, die 2024 zu den Klängen von The Sound of Silence leise und unaufgeregt im ansonsten recht wilden „Dadord“ Trotzdem den Dienst quittierte. Neben Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) und SpuSi-Kollegin Esmeralda Schmuck (Lisa Sophie Kusz) steht dem Ermittler dafür der zu seinem persönlichen Fahrer umfunktionierte Fast-Ruheständler Manfred „Fred“ Kramer (Sigi Zimmerschied, Freies Land) zur Seite.
Das hat einen guten Grund: Nach einem Sturz in seiner Wohnung wird Felix Voss einleitend eine AC-Gelenksprengung diagnostiziert, die ihn freilich nicht vom Arbeiten abhält – und mit der tritt er in die Fußstapfen vieler weiterer erkrankter oder verletzter Tatort-Kriminalisten. Zuletzt lief etwa Thorsten Lannert (Richy Müller) im Stuttgarter Provinzkrimi Lass sie gehen auf Krücken, schleppte sich Karin Gorniak (Karin Hanczewski) im Dresdner Tatort Rettung so nah mit Grippe ins Präsidium oder begab sich Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) im Wiener Tatort Krank mit Hexenschuss auf Mörderfang. Aber auch sonst kommt uns in Ich sehe dich vieles bekannt vor.
Am Ruder des elften Franken-Tatorts sitzt nämlich einmal mehr Max Färberböck (Warum), der mit Catharina Schuchmann das Drehbuch zu diesem trist fotografierten Herbstkrimi schrieb und sich in Person von Danny Rosness auch für die Regie Unterstützung holte: Färberbock inszeniert zum wiederholten Male einen ästhetisch sehr eigenwilligen, auffallend spärlich beleuchteten Film und schlägt auch auf der Tonspur recht anstrengende Töne an. Abrupte Akustikschnitte sorgen oft für plötzliche Stimmungsumschwünge, die uns für einen Augenblick in der Luft hängen lassen – dazu kommt ein aufdringlicher Klangteppich, der nicht immer zum ansonsten eher melancholisch angehauchten Krimidrama passt.
Ich sehe dich ist audiovisuell kein Krimi von der Stange, und auch die Dialoge wirken bisweilen verkopft und gekünstelt. Oder sie lassen uns ratlos zurück – etwa dann, wenn Fred den gehandicapten Voss zu Erika Schönfeld (Marion Reuter), der Mutter des tot aufgefundenen, seit zwei Jahren vermissten Fahrradhändlers Andreas Schönfeld (Benjamin Schaefer), kutschiert und der Kommissar seinen wortkargen Fahrer auf dessen nahende Pension anspricht.
Der einsilbige, aber nicht auf den Mund gefallene Fred ist die skurrilste und gleichzeitig gewinnbringendste Figur dieses Krimis – was auch daran liegt, dass die Filmschaffenden sie zwar humorvoll anlegen, aber nicht komplett überzeichnen. Ein mehrfach verdutzter Voss, unangebrachte Gemütlichkeit im Stile des Kölner Tatort-Kollegen Norbert Jütte und plötzliche Durchsetzungskraft, wenn es drauf ankommt: Fast ein bisschen schade, dass das sympathische Gastspiel einmalig bleibt, weil Felix Voss 2026 mit Emilia Rathgeber (Rosalie Thomass) eine neue Tatort-Partnerin zur Seite gestellt wird (weitere Informationen).
Den beiden ist zu wünschen, dass sie dann stärkere Drehbücher bekommen als das, das der 1307. Tatort-Ausgabe als Vorlage dient: Startet Ich sehe dich noch als klassischer Whodunit und präsentiert nach einer halben Stunde die obligatorische und diesmal wenig überraschende zweite Leiche, wandelt sich der Film im Schlussdrittel zum Howcatchem, weil das Tätergeheimnis früh gelüftet wird. Der düsteren, von der Bildsprache unterstützten Stimmung zum Trotz baut sich eine echte Spannungskurve aber kaum auf. Wirklich aufregend wird es erst auf der Zielgeraden, weil auch noch ein Suizid verhindert werden will.
Während Wanda Goldwasser vorwiegend Recherchen übernimmt und das Präsidium selten verlässt, übt sich Voss – so überzeugt und selbstsicher er seine Erkenntnisse auch vorbringt – vor allem in Küchenpsychologie. Die Motive und die Gedankenwelt eines Mannes, der Frauen nachgestellt, sie fotografiert und wohl auch vergewaltigt hat, bricht er in Rekordzeit herunter, den Einsatz eines Profilers hält der Nürnberger Kripochef Dr. Kaiser (Stefan Merki) nicht für nötig. Das wirkt dünn und wird mit reißerischen Psycho-Anleihen kaschiert – etwa einer gruseligen Mutter in einem großen Haus und einem schrillen Bösewicht mit Perücke.
Viel Zeit nehmen sich die Filmschaffenden dabei – meist hinter dem Rücken der Kripo – für die blinde Lisa Blum (gewohnt toll: Mavie Hörbiger, Die letzte Wiesn) und ihren kulturaffinen Lebensgefährten Stephan Gellert (Alexander Simon, Wofür es sich zu leben lohnt). Aufgrund eines düsteren Prologs und eines später eingeschobenen Rückblicks ist schnell offensichtlich, in welcher Verbindung die beiden zum vor zwei Jahren im Wald verscharrten Mordopfer stehen. Und es ist ebenso schnell absehbar, wohin die Reise in diesem Krimi geht – und damit ist nicht der bevorstehende Urlaub der beiden gemeint.
Bewertung: 5/10
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