Folge 1310
12. Oktober 2025
Sender: MDR
Regie: Thomas Sieben
Drehbuch: Silke Zertz, Frauke Hunfeld
So war der Tatort:
Gorniaklos.
Und das ist im ersten Dresdner Tatort nach dem Ausstieg von Karin Hanczewski (weitere Informationen) deutlich zu spüren: Oberkommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) geht in Siebenschläfer nicht mehr mit der seit 2016 von Hanczewski gespielten Ex-Kollegin Karin Gorniak, sondern mit ihrem Vorgesetzten Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) auf Mördersuche. Die entpuppt sich als überraschend harmlose Angelegenheit.
Der Gelegenheitscholeriker, mit dem Winkler rätselhafterweise wieder per Sie ist, gibt sich so handzahm wie selten: Wenig Wutausbrüche, keine unüberlegten Chauvi-Sprüche und auch kaum Hektik, die der diesmal wenig autoritär auftretende Schnabel ausstrahlt. Ein Satz zum Bedauern des recht lieblos ans Ende gepappten Gorniak-Ausstiegs im Vorgänger Herz der Dunkelheit kommt ihm nicht über die Lippen – es ist Winkler, die eine Polizistin am Fundort des unter rätselhaften Umständen ertrunkenen Teenagers Lilly-Marie Reuter (Dilara Aylin Ziem) auf Gorniaks Kündigung aufmerksam macht und Schnabel bei der Gelegenheit diskret darauf hinweist, mögliche Beweisgegenstände am Tatort wohl besser mit Handschuhen anzufassen.
Schnabel fehlen die Basics an der Front, er läuft bisweilen rum wie Falschgeld – da nützt es wenig, dass die Drehbuchautorinnen Frauke Hunfeld (Tödliche Häppchen) und Silke Zertz, die ihr Debüt für die Krimireihe gibt, dem sonst so aufbrausenden Kripochef eine DDR-Jugend andichten, die dem Kernthema dieses Krimis sehr dienlich ist. So wie die tote Lilly, die sich nachts mit ihrem psychisch labilen Ex-Freund Pascal Schadt (Florian Geißelmann) hatte aus dem Staub machen wollen, verbrachte auch Schnabel einige Jahre seiner Kindheit in einem Kinderheim. Auf Spurensuche im Zwangszuhause der Jugendlichen – dem titelgebenden Heim Siebenschläfer – begibt er sich mit ständiger Betroffenheitsmiene.
Es scheint etwas nicht zu stimmen in der Unterkunft, die mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen hat wie viele andere Heime im Jahr 2025: Akuter Fachkräftemangel und ständige Fluktuation in der Belegschaft treffen auf untaugliche Bewerbende, und die schlechte Bezahlung der Erziehenden verträgt sich nur schlecht mit den vielen Überstunden, die das Personal leistet. Eine Situation, die weder den Betreuenden, noch den zu Betreuenden gerecht wird. Aber die Probleme liegen noch tiefer.
Unter Regie von Tatort-Debütant Thomas Sieben arbeitet der Film die bedauerlichen Zustände differenziert und beklemmend heraus, und auch das Spannungsfeld zwischen Eltern, Kindern und Gesellschaft, in dem sich die Jugendämter bewegen, bringt der Krimi schnörkellos auf den Punkt. Exemplarisch zeigt sich das Dilemma am zuständigen Amtsmitarbeiter Torsten Hess (Peter Moltzen, Angriff auf Wache 08), der es niemandem recht machen kann: weder Lillys einst überforderter Mutter Martina Reuter (Milena Dreißig, Die robuste Roswita) noch seiner Frau Anja (Marisa Bach, Der traurige König) oder der Leiterin des Jugendheims, Saskia Rühe (Silvina Buchbauer, Der Kormorankrieg). Den Kindern erst recht nicht.
Als Studie des bereits im Dresdner Tatort Die Zeit ist gekommen beleuchteten Milieus weiß der 1310. Tatort deshalb zu überzeugen – als klassischer Whodunit kommt er über das Mittelmaß allerdings nicht hinaus. Zu formelhaft gestaltet sich das Drehbuch, nach dessen zweiter Leiche man nach einer knappen Stunde die Uhr stellen kann. Und am Ende mündet alles in eine schwache Auflösung, bei der wir beim Miträtseln chancenlos sind: Spät und nur aufgrund schwacher Recherchen im Vorfeld überhaupt übersehen, zaubert das Skript auf der Zielgeraden plötzlich eine Person aus dem Hut, wir bis dato gar nicht kennenlernen durften und deren Motiven das Drehbuch nur noch wenig Beachtung schenkt.
Das ist nicht überzeugend – und dass der viel zu tatverdächtige Rabauke Pascal seine Ex-Freundin nicht auf dem Gewissen hat, dürfte zumindest dem Stammpublikum von Beginn dieses Krimis an ohnehin klar sein. Wer so oft über die Stränge schlägt und im Leben schon so viel ertragen musste, ist im Tatort garantiert kein Mörder. Auch die wenig koscheren Methoden des opportunistischen Psychiaters Lukas Brückner (unterfordert: Hanno Koffler, Was bleibt) sind schon deutlich früher zu erahnen, als es der Spannungskurve gut tut.
Schauspielerisch gibt sich der Fall jedoch keine Blöße: Neben der immer tollen Milena Dreißig setzt auch Jungdarsteller Florian Geißelmann einige Duftmarken. Unterm Strich ist Siebenschläfer dennoch eine kleine Enttäuschung, an Dresdner Highlights wie den Psychothriller Das Nest, den Horrorkrimi Parasomnia oder den vielgelobten Fall Unter Feuer reicht der Tatort bei weitem nicht heran. Bleibt zu hoffen, dass 2026 auch im Ermittlerteam wieder mehr Feuer ins Geschehen kommt: Wie der MDR im September bekanntgegeben hat, stößt im Elbflorenz eine junge Kommissarsanwärterin dazu (weitere Informationen).
Bewertung: 5/10
Drehspiegel: So geht es im Tatort aus Dresden weiter
Ausstieg: Weshalb Karin Hanczewski nicht mehr dabei ist
Ausblick: Dieser Krimi läuft am nächsten Sonntag
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