Folge 1314
16. November 2025
Sender: SWR
Regie: Robert Thalheim
Drehbuch: Bernd Lange
So war der Tatort:
Empfangsarm.
Große Teile des fünfzehnten Falls mit den Freiburger Hauptkommissaren Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) spielen nämlich auf Bergs abgelegenem Hof im Schwarzwald – und dort hat man nur Mobilfunkempfang, wenn man den Hügel hinterm Haus hinaufläuft. Anders würde die Geschichte von Drehbuchautor Bernd Lange (Der wüste Gobi) auch kaum funktionieren – in Zeiten von mangelhafter Handynetz- und Glasfaserabdeckung in ländlichen deutschen Regionen leider ein realistisches Szenario.
Schon der Auftakt der Folge lässt erahnen, dass uns kein klassischer Whodunit aus dem Tatort-Baukasten erwartet: Bevor wir die erste Leiche zu Gesicht bekommen, nähert sich bereits Bergs titelgebender Bruder Reinhard Berg (Felician Hohnloser, Verblendung) mit zwei weiteren, wie Obdachlose gekleideten Personen dem Hof, den der Kommissar kurz zuvor verlassen hat. Der Reini ist aus der geschlossenen Psychiatrie geflohen und bringt neben seiner wortkargen, psychisch labilen Freundin Mika Novak (Mareike Beykirch) auch den aufbrausenden, vielleicht gar nicht so kranken Luke Badrow (Karsten Antonio Mielke, Erbarmen. Zu spät.) mit. Die drei sind getürmt und haben in den frühen Morgenstunden eine Apotheke ausgeraubt.
In der Wohnung über eben jener Apotheke liegt der obligatorische Tote, dessen Mörder es zu finden gilt – weil die für den Leitungsposten im Revier kandidierende Tobler allerdings auf einer Fortbildung für Führungskräfte weilt, muss Berg am Tatort mit der maximal überforderten Kollegin Ella Pauls (Luise Aschenbrenner, Rettung so nah) Vorlieb nehmen. Die strahlt weniger Souveränität aus als eine Schülerpraktikantin und mausert sich im weiteren Verlauf des Films zu einer der nervtötendsten Figuren der jüngeren Tatort-Geschichte: Fehler reiht sich an Fehler und auch die Ratschläge ihrer erfahreneren Kollegen muss die junge Frau tapfer ertragen.
Ein sehr eigenwilliges Führungsverständnis, das Berg hier vorlebt – doch die Ermittlungen um den ermordeten Apotheker rücken glücklicherweise ohnehin schnell in den Hintergrund. Sie dienen vor allem dazu, die üblichen dramaturgischen Spielregeln der Krimireihe einzuhalten. Berg kehrt nach einem Anruf von Reini zurück auf seinen Hof, in dessen Garten unter einer dicken Betonplatte ein bereits im Vor-Vorgänger Ad Acta angedeutetes Geheimnis schlummert, und sieht sich dort mit den drei Flüchtigen konfrontiert: Seine Überraschung weicht Entsetzen, denn der durchgeknallte und bewaffnete Luke nimmt Berg als Geisel. Der Reini und die Mika sehen erst taten- und später auch machtlos zu.
Großeinsätze im beschaulichen Schwarzwald kennen wir schon aus dem bemerkenswert missglückten Freiburger Vorgänger Die große Angst, doch bis der Rest der Polizei im 1314. Tatort anrückt, dauert es fast 90 Minuten: Die bekannten Versatzstücke aus gängigen Geiselnahme-Thrillern werden abgespult, ohne dass die Staatsgewalt direkt draußen vor der Tür stünde. Fesseln, die hinterm Rücken heimlich durchtrennt werden, Kidnapper, die sich in die Wolle kriegen, und rabiate Anführer, die den starken Max markieren, weil sie die einzige Waffe in der Hand halten: Auf Bergs Hof passiert wenig, was man in diesem Genre nicht schon gesehen hätte. Aber spannend arrangiert ist es durchaus. Dass dabei das eine oder andere Logikloch klafft, versteht sich von selbst.
Unter Regie von Robert Thalheim, der auch schon beim Schwarzwald-Erstling Goldbach am Ruder saß, zeichnen die Filmschaffenden bei den Figuren erfreulicherweise nicht nur Schwarz-Weiß, sondern auch Grautöne: Im Gegensatz zum cholerischen Bilderbuch-Bösewicht Luke emanzipiert sich der treudoofe Reini schnell von seinem Raubmörder-Image und sammelt in den (leider mit gekünsteltem Dialekt durchsetzten) Brudergesprächen Sympathiepunkte. Die große Unbekannte des Films ist Mika; bis zum Schluss ist es kaum möglich, ihr Handeln auszurechnen – wie das eben so ist bei einer psychisch Erkrankten, die ihre Tabletten nicht schluckt. Es entwickelt sich ein fiebriges Kammerspiel, das räumlich vor allem durch Lukes Telefonate auf dem einleitend erwähnten Hügel am Berg-Hof aufgebrochen wird.
Und natürlich durch die parallel zur Geiselnahme montierten Ermittlungen der hilflosen Ella Pauls, die Tobler irgendwann unterstützen muss: Es ist eine Frage der Zeit, bis alle Handlungsstränge zusammenlaufen. So mündet die spektakuläre, aber geradlinige Geschichte schließlich in ein bleihaltiges, mit Wild-West-Anleihen gespicktes Finale, dessen tragischer, etwas überinszenierter Schlussakkord früh zu erahnen ist. Mit einem Cliffhanger gelingt den Filmschaffenden dennoch ein Brückenschlag zu Toblers krebskrankem Vater Bruno (Michael Hanemann), der nach seinem Auftritt in Ad Acta im Schwarzwald-Tatort wohl auch zukünftig eine wichtige Rolle einnehmen dürfte.
Bewertung: 6/10
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