Folge: 1060 | 27. Mai 2018 | Sender: WDR | Regie: Samira Radsi
Bild: WDR/Thomas Kost |
So war der Tatort:
Kulinarisch.
Denn Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) darf in Schlangengrube mal wieder einer neuen Leidenschaft frönen: Der Rechtsmediziner ist unter die Gourmetköche gegangen und hofft auf ein Engagement für den TV-Produzenten Dr. Richard Stockmann (Robert Hunger-Bühler, Preis des Lebens), der einen besonders anspruchsvollen Gaumen mitbringt und ihm die Fernsehshow „Boerne kocht“ in Aussicht stellt.
Im megapopulären Tatort aus Münster gibt es in dieser Hinsicht also nichts Neues zu vermelden: Nach der Aktionskunst im Vorgänger Gott ist auch nur ein Mensch, der Jagd im Vorvorgänger Fangschuss und dem Tanzen im Vorvorvorgänger Ein Fuß kommt selten allein (um nur die drei letzten zu nennen), soll Boerne durch sein neuestes Hobby wieder für die sorgfältig kalkulierten Lacher sorgen.
Auch die Standardwitze über seine kleinwüchsige Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) dürfen in Westfalen nicht fehlen („Jetzt reden Sie doch nicht länger, als Sie selber sind!“) – ebenso wenig die bemühten Reibereien zwischen Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und seinem kiffenden „Vaddern“ Herbert (Claus Dieter Clausnitzer), mit dem Thiel diesmal eine Radtour – natürlich, ins Coffee-Shop-Paradies Amsterdam – geplant hat, und die seit 2002 so fest zum Inventar gehören wie die Nikotinsucht von Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann).
Die wird im 1060. Tatort erfreulicherweise nicht überzelebriert – stattdessen kommt Klemm in Schlangengrube eine Schlüsselrolle zu, weil sie nach dem Mord an ihrer Nachbarin Patrizia Merkens (Lilia Lehner, Heimspiel) unter Mordverdacht gerät. Zeit für müde Wortwitze bleibt natürlich dennoch.
KLEMM:Doch nicht Shoppingstraße – Chopinstraße! Wie der Komponist, mit C!
Die Stammautoren Jan Hinter und Stefan Cantz, die als Erfinder der Folgen aus Münster gelten, und Regisseurin Samira Radsi, die ihr Tatort-Debüt gibt, arrangieren eine seichte und über weite Strecken gähnend langweilige Krimikomödie, nach deren Geschichte man einmal mehr die Uhr stellen kann.
Da darf die obligatorische zweite Leiche nach einer Stunde ebenso wenig fehlen wie der heitere Schlussakkord, um die Zuschauer sanft in die Nacht zu entlassen – die wirklich originellen Szenen lassen sich hingegen an einer Hand abzählen. Doch es gibt sie: Fast-Food-Fan Thiel hätte man kaum zugetraut, Boernes kulinarische Kreationen mit Geheimtipps zu vergolden – und auch der Showdown, der angesichts der Aquarienkulisse als Verweis auf den 70er-Jahre-Klassiker James Bond 007: Der Spion, der mich liebte mit Unterwasser-Bösewicht Karl Stromberg (Curd Jürgens) gewertet werden kann, zählt visuell zu den Highlights dieser ansonsten enttäuschenden Tatort-Folge.
Unter dem Strich ist die mit einem harmlosen Dudel-Soundtrack vertonte Krimikomödie dank der Aufnahmen im Allwetterzoo Münster, in dem Thiel undercover der Tierpflegerin Henny Neubert (Julischka Eichel, Der rote Schatten), dem Tierarzt Dr. Gremlich (Dirk Martens, Müll) und dem Zoodirektor Dr. Schönweis (Felix Vörtler, Sturm) auf den Zahn fühlt, so nah an kitschiger Familienunterhaltung á la Unser Charly oder Hallo Robbie! und öffentlich-rechtlichen Zoo-Doku-Soaps wie nie zuvor: Am Ende darf sogar noch eine putzige Pinguindame gerettet werden.
Der engagierte Auftritt von Ex-Franziska-Darstellerin Tessa Mittelstaedt als überzeichnete und auf 80er Jahre frisierte Staatsanwältin Ungewitter verkommt zum reinen Selbstzweck, während sich Thomas Arnold (bis Tollwut regelmäßig im Tatort aus Dortmund zu sehen) als Dokumentarfilmer Henry Schlör zumindest etwas Charisma erarbeitet.
Letztlich sind die Schauspieler aber nur Gefangene der Aneinanderreihung von humorvollen Dialogen und routiniert abgespulten Standardmomenten, die allesamt im Plot untergebracht werden müssen – und so bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten, um zu erahnen, dass die beiden Handlungsstränge um Boernes Gourmetküche und Thiels Tierpfleger-Aktivitäten bei der Auflösung ihres 33. Falls am Ende zusammenlaufen.
Die bombastischen Einschaltquoten – zuletzt 14,5 und 12,9 Millionen Zuschauer – geben dem WDR im Hinblick auf das inhaltlich variierte Aufwärmen der immergleichen Mechanismen zweifellos Recht, im Hinblick auf Spannung und Originalität sind Thiel und Boerne sechzehn Jahre nach ihrem Debüt in Der dunkle Fleck aber nur noch ein Schatten früherer Tage.
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