Folge 1050
4. MĂ€rz 2018
Sender: SWR
Regie: Axel Ranisch
Drehbuch: Sönke Andresen
So war der Tatort:
Teambuildend.
Denn nach dem Abschied ihres langjĂ€hrigen Kollegen Mario Kopper (Andreas Hoppe), der zwei Monate zuvor in Kopper den Dienst quittierte, wollen Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Fallanalytikerin Johanna Stern (Lisa Bitter), Gerichtsmediziner Peter Becker (Peter Espeloer) und Assistentin Edith Keller (Annalena Schmidt) etwas fĂŒr den Teamgeist tun: Gemeinsam mit Coach Simon Fröhlich (Peter Trabner, spielt auch Rechtsmediziner Falko Lammert im Dresdner Tatort) fĂ€hrt die Truppe in den Lorenzhof â ein abgelegenes Hotel im Schwarzwald, das seine besten Tage lange hinter sich hat.
FĂŒr den Tatort aus Ludwigshafen gilt das genauso: Das kolossal gescheiterte Impro-Experiment Babbeldasch markierte im Februar 2017 den vorlĂ€ufigen Tiefpunkt einer Entwicklung, die sich nach dem Zwischenhoch mit Kopper nun nahtlos fortsetzt. Denn Waldlust, bei dem das Ensemble aus der Kurpfalz erneut unter Regie von Axel Ranisch ohne festes Drehbuch und Kenntnis der Auflösung vor der Kamera improvisiert, war zum Zeitpunkt der mit reichlich Boulevard-HĂ€me bedachten Babbeldasch-Premiere schon abgedreht â eine Kurskorrektur konnte nicht mehr stattfinden und die Einschaltquote reduziert sich nach dem Tatort-Vorspann auch diesmal wieder empfindlich (beim ersten Impro-Tatort hielt knapp ein Sechstel der sechseinhalb Millionen Zuschauer nicht lĂ€nger als eine Viertelstunde durch).
Derweil spricht Odenthal nach dem ersten Coaching und dem Fund eines menschlichen Knochens im vegetarischen Abendessen das aus, was wohl auch viele Zuschauer denken.
Irgendwo zwischen bemĂŒhtem Edgar Wallace-Ableger, schrĂ€gem Impro-Theater und einer unfreiwillig komischen Shining-Variation hĂ€tte aus dem 1050. Tatort eine amĂŒsante Krimi-Persiflage werden können, doch leider nehmen sich die Beteiligten â allen voran die auf Krawall gebĂŒrstete Odenthal â beim lebhaften Improvisieren viel zu ernst. Der ErzĂ€hlton wechselt zudem im Minutentakt: Wenn Assistentin Keller im Garten Tai-Chi-Ăbungen macht und sich Coach FrĂŒhling hinter ihrem RĂŒcken nach einem Saunagang nackt in den Schnee schmeiĂt, ist das ein amĂŒsanter Moment â kurz zuvor sollen wir uns aber noch fĂŒrchten, wenn Odenthal und Stern durch einen dunklen Keller stiefeln und billige Jump Scares erleben, die Ă€hnlich dĂŒnn ausfallen wie der Geisterbahn-Horror im missratenen Frankfurter Tatort FĂŒrchte dich.
Auch das reizvolle Setting im verschneiten Schwarzwald, das dank mangelhafter Verkehrsanbindung und fehlendem Mobilfunknetz an abgeschottete Whodunit-Konstruktionen wie den Klassiker Mord im Orient-Express erinnert, wird in Waldlust verschenkt, weil die Spannung durch die bescheuerten Figuren und die absurde Handlung im Keim erstickt wird. Das zweite Krimi-Experiment im Jahr 2018 nach dem brillanten Berliner Tatort Meta ist dermaĂen trashig inszeniert und wild geschnitten, dass den Schauspielern kaum eine Chance bleibt, in der wirren Geschichte fĂŒr voll genommen zu werden.
Nebendarsteller Heiko Pinkowski (Das goldene Band) als grobschlĂ€chtiger Hotelbetreiber Bert „Humpe“ Lorenz und Eva Bay (Eine Frage des Gewissens) als freundliche Wirtin Dorothee sind genauso Gefangene der losen Vorgaben von Babbeldasch-Autor Sönke Andresen wie JĂŒrgen Maurer (Zahltag) und Christina Grosse (Borowski und der freie Fall) in ihren Rollen als ortskundige Polizisten Jörn und Elli Brunner. Doch die betagte Ex-Schauspielerin Lilo Viadot (Ruth Bickelhaupt) setzt dem Desaster die Krone auf: In einem weiĂen Ballkleid mit Federboa soll die frĂŒhere Diva zu Grammophonmusik Melancholie in den erschreckend schwachen Tatort zaubern, lĂ€dt mit ihrer grotesken Zirkusnummer aber eher zum FremdschĂ€men ein.
Auch die OrchesterklĂ€nge der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz sind Perlen vor die SĂ€ue: Wurden der herausragende Wiesbadener Tatort Im Schmerz geboren oder der starke Frankfurter Tatort Die Geschichte vom bösen Friederich vom HR-Sinfonieorchester vergoldet, wirkt die klassische Musik in Waldlust selbst beim westernĂ€hnlichen Finale seltsam aufgesetzt und kann ĂŒber die dramaturgischen SchwĂ€chen des erneut krachend gescheiterten Impro-Experiments nicht hinwegtĂ€uschen. Dass anders als in Babbeldasch nur wenig Mundart und keine Laiendarsteller zum Einsatz kommen, fĂ€llt am Ende kaum positiv ins Gewicht.
Bewertung: 1/10
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