Folge: 592 | 20. März 2005 | Sender: NDR | Regie: Kaspar Heidelbach
Bild: NDR/Marion von der Mehden |
So war der Tatort:
Kubanisch.
Und das nicht nur, weil sich der Kieler Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) gleich in den Anfangsminuten von einer Seite zeigt, die auf den ersten Blick so gar nicht zu ihm passen will: Wir erleben den mürrischen Ermittler in feucht-fröhlicher Atmosphäre beim Salsa-Tanzen mit der Polizeipsychologin Frieda Jung (Maren Eggert), die er zuvor zum Abendessen eingeladen hatte. Eine der wohl spannendsten, aber auch kompliziertesten Beziehungen in der langen Tatort-Historie nimmt hier ihren Anfang – und endet ziemlich genau fünf Jahre später, wenn die beiden in Tango für Borowski erneut eine flotte, wenngleich romantischere Sohle aufs Parkett legen.
In Schattenhochzeit hat der Abend für den verkaterten Borowski allerdings noch ein unangenehmes Nachspiel: Er erwacht am nächsten Morgen mit einem Filmriss. Fortan plagt ihn die Frage, ob in der Nacht eventuell mehr gelaufen und wie dann damit umzugehen ist. Eine Situation, die den ansonsten so standfesten Kommissar kolossal überfordert, was (auch für Frieda Jung) einfach herrlich mitanzusehen ist.
BOROWSKI:Liebe Frau Jung, wir sollten auch in Zukunft Dienstliches und Privates trennen. Ich mag nicht solch ein… Kuddelmuddel.
Ein heiterer, wenn auch wenig innovativer Nebenschauplatz, für den sich neben Kriminalrat Roland Schladitz (Thomas Kügel) auch das halbe Präsidium zu interessieren scheint und der im krassen Gegensatz zum ernsten Ermittlungsalltag steht. Schließlich gibt es auch einen Mordfall zu lösen, der ebenfalls die Brücke nach Lateinamerika schlägt: Auf einer Großbaustelle im Marinequartier wird die Leiche eines Wachmanns gefunden, der von einem Auto überfahren wurde. Der Besitzer des Wagens ist schnell ermittelt: Torsten Brück, Mitarbeiter des einflussreichen Bauunternehmers Ulrich Wahl (klasse: Vadim Glowna, Wie einst Lilly), ist nicht nur vorbestraft, sondern auch seit Wochen nicht zur Arbeit erschienen.
Die Befragung von Brücks aus Kuba stammender Frau Teresa (Rebecca Lina, Der glückliche Tod), die nicht weiß, wo ihr Mann arbeitet und auch sonst wenig Auskunft geben kann, gerät zur Farce. Während Borowski hier mit passablem Spanisch glänzt, macht sein Lotto spielender Kollege Alim Zainalow (Mehdi Moinzadeh) auch im vierten Einsatz alles andere als eine gute Figur und zieht sich, unter anderem wegen einer zerstörten Hörspielkassette, den Unmut seines Chefs zu.
Bezüglich der Tätersuche lässt die 592. Tatort-Folge (scheinbar) wenig Interpretationsspielraum. Recht früh nimmt Borowski – in bester Columbo-Manier – den ebenso arroganten wie bemitleidenswerten Wahl, der der jungen Teresa verfallen und irgendwie in den Fall verstrickt ist, ins Visier. Das raffinierte Drehbuch aus der Feder von Karl-Heinz Käfer (Bittere Mandeln) geht eher der Frage nach dem Wie und dem Warum nach und weiß dabei durchaus zu überraschen.
Thematisch beleuchtet Schattenhochzeit dieselbe Problematik wie zehn Jahre zuvor der Münchner Tatort-Meilenstein Frau Bu lacht: Scheinehen. Doch die Wucht des bayrischen Krimis erreicht die Kieler Episode nicht, dazu wagt sie einfach nicht genug. Am Beispiel der ebenso naiven wie vom Schicksal gebeutelten Teresa, die mexikanische Telenovelas schaut, während sie auf ihren „Märchenprinzen“ wartet, gewinnen wir einen Einblick in die kubanische Kultur. Es wird angedeutet, was junge Menschen aus Kuba dazu bewegt, ihr Heimatland zu verlassen.
Regisseur Kaspar Heidelbach (Bausünden) verzichtet dabei weitestgehend auf Klischees und erzählt stattdessen eine ebenso traurige wie aussichtslose Liebesgeschichte, die in einem dramatischen Schlussakkord alle Beteiligten ins Unglück stürzt. Dass der Pizza ausliefernde Tanzlehrer Rafael Ortiz (Ernest Allan Hausmann, Im gelobten Land) und Frieda Jung sich zufällig vom Salsa-Tanzen kennen, wirkt zwar konstruiert, bleibt in einer stimmigen Inszenierung aber Randnotiz.
Weniger stimmungsvoll geht es dagegen im Hause Wahl zu. In einem bewusst düster gehaltenen, mit Musik von Chopin unterlegten Ambiente offenbart sich das zerrüttete Verhältnis zwischen dem Unternehmer und seiner Frau Ingrid (grandios: Corinna Kirchhoff, Unklare Lage). Die Pianistin weiß längst um die heimliche Lieb- und Machenschaft ihres Mannes, verfolgt den Untergang ihres Gatten aber wie gelähmt und mit versteinerter Miene.
Als Standortbestimmung für den neuen Kieler Tatort, bei dem man nach dem vielversprechenden Auftakt Väter, dem enttäuschenden Nachfolger Schichtwechsel und dem soliden Stirb und werde noch nicht so recht wusste, wo die Reise hingeht, zeigt der Trend ab diesem Fall nun klar nach oben. Dem unvergessenen Vadim Glowna ist es in seiner Rolle zudem vorbehalten, die über zwanzigjährige Erfolgsgeschichte der Borowski-Tatorte ungewollt vorauszusagen…
WAHL:Ich hatte gleich den Verdacht, dass ich Sie nicht so schnell loswerde.
Bewertung: 7/10
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