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Mördergrube

Folge: 463 | 25. Februar 2001 | Sender: WDR | Regie: Christiane Balthasar

Bild: WDR/Michael Böhme
So war der Tatort:
Offenherzig.
Denn in diesem Krimi macht weder Hauptkommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) noch sein Vater Walter (Peter Franke, Eine unscheinbare Frau), der zum ersten und letzten Mal in einem Kölner Tatort zu sehen ist, aus seinem Herzen eine Mördergrube: Ballauf Senior landet im Präsidium, nachdem er wegen Diebstahl verhaftet worden ist – und Ballauf Junior quartiert seinen Erzeuger, der seine Mutter und ihn vor 30 Jahren ohne Abschiedsworte hat sitzen lassen, kurzerhand in seinem Pensionszimmer ein.
Es ist spannend zu beobachten, wie sich das Verhältnis zwischen den beiden im Laufe des Films wandelt: Ist Ballauf anfangs noch ablehnend, traurig und verärgert darüber, dass sich sein Vater aus dem Staub gemacht hat und in die Obdachlosigkeit abgerutscht ist, scheint er später sehr gewillt, ihm zurück in die Spur zu verhelfen. Gleichzeitig wird das Vertrauen in seinen Vater enttäuscht und er weiß nie mit voller Gewissheit, ob er ihm über den Weg trauen kann.
Für die Charakterzeichnung der langjährigen Hauptfigur ist dieser ausführlich illustrierte Nebenschauplatz pures Gold. Doch er führt auch dazu, dass Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) gelegentlich auf Ballaufs Dienste verzichten oder seine Stimmungsschwankungen ertragen müssen. Das Klima auf dem Revier ist gereizt – was auch daran liegt, dass sich Oberstaatsanwalt von Prinz (Christian Tasche) diesmal nicht auf die Seite der Kommissare schlägt.
Das hat einen Grund: Ballauf und Schenk ermitteln nach dem Tod der Studentin Martha Dreher (Miranda Leonhardt) in der Welt der Juristen – und die haben es in der Krimireihe traditionell schwer. So auch hier: Fakultätsleiter Professor Hüttner (Peter Rühring, Abschaum), Marthas Tutor Dr. Kögel (Martin Umbach, Das Glockenbachgeheimnis) und der pensionierte Richter Grau (Jürgen Hentsch, Perfect Mind: Im Labyrinth) überbieten sich gegenseitig mit ihrer übertriebenen Arroganz und ihrem hochnäsigen Auftreten.
Mit dieser klischeehaften Skizzierung eines ganzen Berufsstands sind sie in guter Gesellschaft: Auch die Journalisten bekommen in Mördergrube wieder ihr Fett weg – und wer seine Brötchen als Bautaucher verdient, kann sich eine Ehe mit einer Juristin in der Vorstellung der Filmemacher direkt abschminken. Ach so? Diese Erfahrung macht zumindest Michael Linder (Patrick Joswig, Ihr Kinderlein kommet), der jähzornige Ex-Freund des Opfers, der schnell unter dringenden Tatverdacht gerät und damit – erfahrene Zuschauer wissen das zu deuten – als wahrer Mörder praktisch ausscheidet.

SCHENK:
Marthas neuer Freund, was wissen Sie über den?

LINDER:
Nur, dass es einer von der Uni war.

SCHENK:

Hat Martha Ihnen das gesagt?


LINDER:
Ja, das war doch aber eh klar. Musste ja so kommen, früher oder später. Oder haben Sie schon mal von einer Richterin mit einem Bautaucher gehört?


Drehbuchautor Robert Schwentke (Bildersturm) teilt den 463. Tatort gewissermaßen in zwei Hälften: Werden anfangs noch mehrere Tatverdächtige ins Visier genommen und als Täter wieder ausgeschlossen, konzentrieren sich die Ermittlungen später auf den – ebenfalls übertrieben arroganten – Jurastudenten Alexander Grau (Florian Lukas, Im Namen des Vaters), der für den tödlichen Anschlag auf seine Kommilitonin kein Motiv und für einen zweiten Mord ein wasserdichtes Albi mitbringt.
Unter solider Regie von Christiane Balthasar (Märchenwald) wandelt sich der Whodunit dann zum Howcatchem: Wird es Ballauf und Schenk gelingen, Graus These vom perfekten Verbrechen, die 2020 ein gleichnamig betitelter Berliner Tatort erneut aufgreift, zu widerlegen? Beide Ansätze haben ihren Reiz und lassen die Spannungskurve selten in den Keller fallen. Der jahrgangsbeste Jurastudent manövriert sich aus jeder schwierigen Lage heraus und lässt Schenk seine Überlegenheit spüren. Und wird es doch einmal eng, ist da noch sein Vater, dessen hohen Ansprüchen er – auch das ist ein Klischee – natürlich nie gerecht werden konnte.
Neben dem Tourbus der Kelly Family und der jungen Miranda Leonhardt (die 2008 als Assistentin Nika Banovic in Hart an der Grenze im Stuttgarter Tatort debütiert) gibt es in Mördergrube auch den jungen Denis Moschitto zu entdecken – er mimt einen Dieb, der Fachliteratur stiehlt und von Schenk auf frischer Tat ertappt (und irritierenderweise laufen gelassen) wird. Dem späteren Good Bye, Lenin!-Star Florian Lukas, der mit deutlich mehr Kamerazeit gesegnet ist, hätte das Finale zwar viel Chancen zur Entfaltung bieten können – doch leider ist es schon wieder vorbei, bevor es richtig begonnen hat.
Gleiches gilt unterm Strich für diesen Tatort: Alles nett anzuschauen, souverän arrangiert und selten langweilig – aber auf den zweiten Blick auch etwas mutlos und vorhersehbar.
Bewertung: 6/10


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