Folge: 397 | 20. September 1998 | Sender: BR | Regie: Thomas Freundner
Bild: Bavaria Film GmbH/BR/klick/Rolf von der Heydt |
So war der Tatort:
Religiös.
Denn geflüsterte Bibelverse und katholische Symbole durchziehen den 20. Fall der Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) bis ins kleinste Detail. Heiligengeschichten und Ermittlungen im Kirchenumfeld dienen sowohl dem Münchner Ermittlerduo als auch den Zuschauenden zur Erweiterung ihres (religiösen) Horizonts.
Doch zunächst tauchen im 397. Tatort Schlag auf Schlag mehrere Leichen auf, zwischen denen die Ermittler zu Beginn keinen Zusammenhang herstellen können: ein nicht identifizierter Leichnam in der Kanalisation, ein sterbender Pharmaunternehmer auf der Müllkippe und ein toter Journalist in einer Fabrikhalle. Nicht nur erahnt das Publikum schnell eine Verbindung zwischen den drei Funden, sondern Regisseur Thomas Freundner (Herzversagen) lässt uns von Beginn an ganz offen wissen, dass es sich um eine Mordserie handelt.
Auch aus dem Täter macht der Filmemacher, der noch viele weitere Male für die Krimireihe am Ruder sitzt, kein großes Geheimnis: Während die Kommissare noch im Dunkeln tappen und hinter den Kulissen einer korrupten Wohltätigkeitsorganisation unter Leitung des windigen Klaus Aigner (Jürgen Tonkel, Die letzte Wiesn) ermitteln, erhalten wir immer wieder Einblicke in die wahnhafte Gedankenwelt des zutiefst christlichen Mörders. Da er sich bei seinem Morden am katholischen Heiligenkalender zu orientieren scheint, werden die Ermittlungen zu einem temporeichen Wettlauf gegen die Zeit.
Die Verbindung zwischen den drei Opfern stellt der ehemalige Messdiener Leitmayr her, den Drehbuchautor Peter Probst (Der Traum von der Au) zur religiösen Höchstform auflaufen lässt. Der selbsternannte „Heide“ Batic steht den Bibelrecherchen seines Kollegen eher kritisch gegenüber, während Assistent Carlo Menzinger (Michael Fitz) nicht nur die beiden Kriminalhauptkommissare, sondern auch die Zuschauenden mit seinen Ausführungen über Kraft-Buddhismus irritiert.
Die Kommissare können nicht nur bei allen Leichen Bibelverse sicherstellen, sondern finden darüber hinaus heraus, dass die drei ermordeten Männer Besucher eines Münchner Bordells waren. Bei den Ermittlungen dort macht Leitmayr Bekanntschaft mit der attraktiven Prostituierten Frances (Eva Hassmann, Falsches Alibi), die entscheidende Hinweise für die Suche nach dem Täter und zugleich die Erklärung für den Titel dieses Krimis liefern kann.
FRANCES:
Wie seid ihr denn auf DEN Spinner gekommen?LEITMAYR:
Du kennst den?
FRANCES:
Der war ’ne Zeit lang die Lachnummer im Milieu. Der ist immer mit seinen Heiligenbildchen rumgerannt und hat erzählt, wir wären gefallene Engel. Und die Freier waren für ihn die Satansknechte.
Mit Gefallene Engel hat Peter Probst einen sehr logischen Tatort konstruiert, in dem die beiden Münchner Kommissare aber auch sehr viel Glück bei ihrer Suche nach dem Mörder haben: Einige erstaunlich hilfsbereite Mitarbeiter der katholischen Kirche, eine Künstlerin mit ausgezeichnetem Gedächtnis (Johanna Bittenbinder, Kehraus) oder glückliche Zufälle wie eine versehentlich eingeschaltete Radiosendung über Heiligengeschichten tragen ganz entscheidend zur Auflösung des Falls bei. Und am Ende sind es nicht Batic und Leitmayr, die den Täter finden, sondern eher umgekehrt.
Obwohl man den Ermittlern auch durch Freundners stimmungsvolle, bisweilen etwas dick aufgetragene Inszenierung immer mindestens einen Schritt voraus ist, bleibt deren Suche nach dem christlich motivierten Serienmörder bis zum Schluss spannend. Ab der Hälfte des Films erahnen wir zwar, worauf das Ganze hinausläuft, aber wir fiebern trotzdem mit den Kommissaren mit, während sie das Puzzle Stück für Stück zusammensetzen.
Der übliche trockene Humor und die gewohnt religionskritische Einstellung des Münchner Duos machen Gefallene Engel unterm Strich zu einem unterhaltsamen und differenzierten Tatort. Schade ist allerdings, dass der so talentierte Schauspieler Edgar Selge, der später als Transsexuelle im Kölner Tatort Altes Eisen oder als Kidnapper im Berliner Tatort Machtlos brilliert, in seiner Rolle als Taxifahrer Bruno Ellner zwar häufig zu hören, aber kaum auf der Bildfläche zu sehen ist. Andererseits ist es genau das, was die unheimliche Aura des von allen kaum beachteten Fanatikers ausmacht.
Bewertung: 7/10
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