Bild: MDR/MadeFor/Steffen Junghans

Herz der Dunkelheit

Folge 1292

2. Februar 2025

Sender: MDR

Regie: Claudia Garde

Drehbuch: Claudia Garde, Ben von Rönne

So war der Tatort:

Tragisch.

Und das gleich doppelt, wenn auch nicht in Bezug auf den mit Spannung erwarteten Abgang von Karin Gorniak (Karin Hanczewski): Unaufgeregt und unspektakulär, ja geradezu normal verabschiedet sich die langjährige Dresdner Hauptkommissarin in ihrem letzten Fall aus einem Tatort-Team, das seit dem Dienstantritt ihrer Kollegin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) in Das Nest zweimal im Jahr so ziemlich das Spannendste ablieferte, was die Krimireihe in den 2010er und 2020er Jahren zu bieten hatte. Man erinnere sich nur an den elektrisierenden Horror-Tatort Parasomnia oder den wilden Husarenritt Katz und Maus.

Herz der Dunkelheit, in dem Gorniak zum letzten Mal an Winklers Seite und unter Führung ihres cholerischen Vorgesetzten Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) ermittelt, kommt da vergleichsweise bodenständig daher: Abgesehen von dem mit düsteren Thriller- und Mystery-Anleihen gespickten Auftakt, der uns auf eine feuchtfröhliche Schülerparty im Elternhaus einer Abiturientin entführt, erzählt Regisseurin Claudia Garde (Borowski und das hungrige Herz) einen für Dresdner Verhältnisse auffallend ruhigen und konventionellen Whodunit, in dem das Schicksal während der Party zweimal tragisch zuschlägt.

Da ist zunächst der unbeliebte Sonderling Marlin Baum (Max Wolter), der die Party im Streit verlässt und auf einer Landstraße vor einem LKW erfasst wird – er überlebt zwar die erste Krimiviertelstunde mit schweren Verletzungen, verstirbt aber im Krankenhaus. Und da ist ein weiterer, deutlich mysteriöser Vorfall, den Gorniak und Winkler aufklären müssen: Marlin hat kurz vor seiner Flucht den angeblich leblosen Janusz Simiak (Louis Wagenbrenner) in einer Dusche sitzen sehen und einen Notruf abgesetzt. Als die Kripo am Tatort eintrifft, ist Janusz allerdings spurlos verschwunden und niemand will mitbekommen haben, wann er die Party verlassen hat.

Der unbekannte Aufenthaltsort des Jugendlichen und die Frage nach dem Schicksal, das ihm in der wilden Partynacht widerfahren ist, sind der Antriebsmotor dieses Krimis – doch wie schon im vielgelobten Vorgänger Unter Feuer bemühen die Filmschaffenden darüber hinaus einen inzwischen fast ärgerlichen, weil in der Krimireihe zu häufig bemühten Kniff. War im Vorgänger Winklers verstorbener Bruder in den Fall verstrickt, ist diesmal Gorniaks neuer Lover Paul Brahms (Hannes Wegener, Freddy tanzt) zufällig der Vater der Schülerin Romy (Charlotte Krause), die ebenfalls auf der Feier war und etwas Entscheidendes verheimlicht. Zuletzt waren etwa in Fährmann oder Diesmal ist es anders ähnliche Manöver zu beobachten.

Der Spannungskurve ist Gorniaks persönliche Betroffenheit dienlich, erlaubt sie ihr doch etwa heimliche Recherchen im Jugendzimmer der Tochter des verwitweten Mannes, in dessen Bett sie übernachtet. Die Glaubwürdigkeit des Krimis, an der auch die für ihr Alter eher seltsame Musikauswahl der Teenager (80er, 90er, 2000er) nagt, leidet aber auch diesmal erheblich – welche Ermittlerin würde bei einer solch offensichtlichen (und eingeräumten) Befangenheit wohl nicht von einem Mordfall abgezogen. Schnabel nimmt die Sache allerdings relativ locker.


SCHNABEL:
Geheiratet haben Sie aber noch nicht?

GORNIAK:
Nee, so weit sind wir noch nicht. Hätten Sie aber auch ’ne Einladung bekommen.

Das Drehbuch, das Regisseurin Claudia Garde gemeinsam mit Ben von Rönne (aka Benjamin Braeunlich, Die Ferien des Monsieur Murot) schrieb, sieht ansonsten die typische Handvoll Verdächtiger vor, die unter Tatverdacht stehen und mit in der Krimireihe noch angenehm unverbrauchten Gesichtern besetzt wurden: Alles konzentriert sich auf die authentisch skizzierten Jugendlichen, also neben Romy auch auf Janusz‘ Freundin Maya Wolff (Katharina Hirschberg) sowie Leander (Amon Schicke), Inge (Victoria Friedrich), Luka (Casper von Bülow) und Khaleb (Leander Lesotho). Trotz der vordergründigen Sorge und Trauer um den verschwundenen und verstorbenen Freund sind sie keine Kinder von Traurigkeit.

Gleichzeitig hat der 1292. Tatort, dessen Ausstrahlung die ARD wegen des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2024 kurzerhand anstelle einer eigentlich geplanten Polizeiruf-110-Folge vorzog (weitere Informationen), ein bisschen was vom berühmten Agatha-Christie-Klassiker Mord im Orient-Express: Mit Mayas Elternhaus sowie dem angrenzenden Poolhaus, in dem Janusz‘ zuletzt gesehen wurde, gibt es ein begrenztes Setting und mit den sechs Teenagern ausreichend Auswahl an potenziellen Täterinnen und Tätern, die womöglich unter einer Decke stecken – eine Waldszene im Mittelteil deutet das an.

Entsprechend ist die Auflösung in Herz der Dunkelheit zwar sauber vorbereitet, aber keine Überraschung – auf dem Weg dorthin überzeugt der Film aber als tiefgründig und emotional erzähltes Krimidrama, wie es in den Tatort-Folgen aus Sachsen bisher selten zu sehen war. Gorniaks Abschied, der zumindest vor der Kamera ähnlich leise ausfällt wie 2018 der ihrer früheren Kollegin Henni Sieland (Alwara Höfels) in Wer jetzt allein ist, fügt sich wunderbar in diese Stimmung ein. Wie im richtigen Leben muss es nicht immer ein großer Knalleffekt sein – und eine kleine Hintertür für ein Comeback bleibt an der Elbe sogar offen.

Bewertung: 6/10


Kommentare

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11 Antworten zu „Herz der Dunkelheit“

  1. Nicht der beste Dresden-Tatort. Zuviele Längen, zuviel Gerede, wenig Spannung. Das Ende definitiv mißlungen. Der Ausstieg von Gorniak kam viel zu kurz. Das war echt schwach. Aber egal, besser als der Saarbrücken-Tatort mit den beiden Komikern war’s auf alle Fälle.

  2. Schnabel ist für mich einfach ein ostdeutscher Harry Bosch. Dresden wird ja auch oft als das LA an der Elbe bezeichnet.

  3. Avatar von Deloryse Brauner
    Deloryse Brauner

    Fand den Tatort richtig super..war spannend
    Würde mir mehr davon wünschen

  4. Guter Tatort, wie meist mit diesem Team!
    Auch die Ansage von Schnabel an die Kids am Ende – super!
    Gorniak verschwindet sang- und klanglos – leider! Etwas überraschend – zumindest stirbt sie nicht!

  5. „Herz der Dunkelheit“ ist ein etwas enttäuschender Krimi. Angesichts der konstant hervorragenden Filme aus Dresden seit 2018 ist das etwas schade, vor allem wenn man bedenkt, dass Kommissarin Gorniak sich hiermit verabschiedet.

    Der Auftakt ist angenehm undurchsichtig und mitreißend erzählt. Doch dieses Niveau kann der Film leider nicht halten. Das liegt vor allem an den vielen Figuren, die in einem begrenzten Zeitrahmen gezwungenermaßen mal präzise mal zu grob gezeichnet sind. Während etwa Leander viele verschiedene Facetten entfaltet, bleiben Luka und Khaleb uns fremd. Ausgerechnet die wichtige Figur Romy durchläuft kaum eine Charakterentwicklung.

    Ebenfalls ungünstig ist dieses Mal der oft angewendete Trick, dass ein Familienmitglied oder Freund eines Ermittlers REIN ZUFÄLLIG involviert ist. An sich kann das hervorragend funktionieren, wie das etwa im letzten Tatort aus Dresden, „Unter Feuer“, der Fall war. Damals hatte der Fall mit Leonie Winklers Bruder zu tun, was der Spannung sowie der Figurenentwicklung sehr dienlich war. Dieses Mal ist das anders: War die Geschichte um Winklers Bruder über mehrere Folgen sorgfältig vorbereitet worden, kommt Gorniaks neuer Freund völlig aus dem Nichts. Dadurch wirkt die Liebesgeschichte willkürlich konstruiert. Auch der Glaubhaftigkeit ist das alles andere als dienlich: Gorniak weiß anfangs nicht mal, wo die Toilette ist; andererseits scheint es so, als wären Gorniak und ihr Partner schon eine ganze Weile zusammen: Immerhin spielen sie bereits mit dem Gedanken, zusammenzuziehen.

    Wenigstens ist der Kriminalfall ganz gut durchdacht und die Auflösung ist einigermaßen überraschend. Auf den ganz großen Knall wartet man allerdings vergeblich. Im Bereich „Logik“ gibt es ebenfalls nicht die volle Punktzahl: Dass etwa die angehende Polizeischülerin erst gegen Ende die entscheidenden Informationen herausrückt, ergibt für mich absolut keinen Sinn.

    Erst in den letzten Minuten verabschiedet sich Gorniak ganz unspektakulär. Endlich muss eine scheidende Kommissarin nicht sterben! Und doch ist dieses Ende nicht vollends befriedigend: Es kommt wieder zu plötzlich und steht irgendwie losgelöst vom restlichen Film. Warum Gorniak, die bei der Arbeit schon mehrmals fast ihr Leben oder, vielleicht noch schlimmer, ihren Sohn verloren hätte (z.B. „Wer jetzt allein ist“, „Das Nest“, „Unsichtbar“), nach diesem vergleichsweise harmlosen Fall eine Pause braucht, erschließt sich mir ganz und gar nicht. Mal wieder wäre es bitter nötig gewesen, den Ausstieg angemessen vorzubereiten – Fehlanzeige.

    Alles in allem konnte mich der Film, trotz des soliden Kriminalfalls, nicht überzeugen. Insgesamt enttäuschend: 4/10. Dass das so tolle Team mit dem (auch in diesem Tatort wieder) legendären Peter Schnabel und seinen – in einem anderen Tatort so wörtlich – „besten Männern“ auch mal einen Ausrutscher nach unten verzeichnet, ist normal. Dass es ausgerechnet die letzte Folge mit Karin Gorniak sein musste, ist bedauerlich. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, dass sich Karin Hanczewski doch noch umentscheidet und zurückkehrt (und mangels Nachbesetzung ist das auch möglich!) – mir jedenfalls wäre sie immer willkommen.

    1. Ich schließe mich dieser Rezension voll und ganz an. An und für sich war der Film nicht schlecht, aber dennoch für Dresden nicht ganz überzeugend.

  6. Ein guter Tatort von einem der besten Teams. Dresden liefert immer ab. Ich werde Gorniak vermissen. 8/10

  7. Unsympathische, eiskalte, empathielose Kids. Nur wenn es um eigene Belange geht wird auf Tränendrüsen gedrückt. Leider oft auch im richtigen Leben so. Verwahrloste Wohlstandskids. Zum Glück gibt es auch andere. Die Welt geht noch nicht unter.

  8. Avatar von Andreas Töpfer
    Andreas Töpfer

    Ein toller Tatort ohne gequälte Dialoge oder übertriebener Effekthascherei. Grandios die Schlußansage von Chef Schnabel an die versammelte Schülerschaft im Schwimmbadgebäude. Nach meiner Meinung mindestens 8 von 10 Punkten.

  9. Avatar von Frau Angelika Jensen
    Frau Angelika Jensen

    Das war ein starker Tatort!

    1. Fand ich auch.

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