Bild: SRF/Sava Hlavacek

Fährmann

Folge 1285

22. Dezember 2024

Sender: SRF

Regie: Michael Schaerer

Drehbuch: Stefan Brunner, Lorenz Langenegger

So war der Tatort:

Adventlich-mythologisch.

Denn der achte Tatort mit den Kantonspolizistinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zürcher) und Tessa Ott (Carol Schuler) spielt nicht nur im vorweihnachtlichen Zürich, sondern zugleich auf die griechische Mythologie an: Der Fährmann ist darin zuständig für die Überfahrt der Toten ins Reich des Hades, die Unterwelt. Für seinen Dienst am Ufer des Styx verlangt der Titelgeber dieses Krimis einen Wegzoll in Form einer Silbermünze, die Angehörige den Verstorbenen unter ihre Zunge legen. Wer ohne Münze am Grenzfluss zur Unterwelt ankommt, muss hundert lange Jahre als Schatten am Ufer umherirren.

Dieses Ritual praktiziert auch der eiskalte Serienmörder, den es in diesem hochspannenden Schweizer Tatort zu fassen gilt. Seine Identität und Täterschaft ist uns dabei anders als Grandjean und Ott direkt bekannt: Marek Godecki (Lucas Gregorowicz, Schweinegeld) arbeitet für eine global agierende Unternehmensberatung und krempelt strauchelnde Konzerne im Auftrag des Managements auf links. Sehr zum Leidwesen der Mitarbeitenden: Sie verlieren nicht nur ihren Job, sondern bisweilen auch ihr Leben, wenn es Godecki wertlos erscheint. Ökonomische Euthanasie.

Starker Tobak, den uns die Drehbuchautoren Stefan Brunner und Lorenz Langenegger da servieren – die beiden konzipierten bereits den beim Deutschen Fernsehkrimi-Festival mit dem Drehbuch-Sonderpreis geehrten und für den Fernsehfilmpreis der Televisionale nominierten Vorgänger Von Affen und Menschen. Ihre mit mythologischen Einschüben gespickte Geschichte reißt auch diesmal mit, denn der Verzicht auf das Whodunit-Prinzip tut dem Thrill keinen Abbruch, sondern steigert ihn sogar. Dafür nutzen Brunner und Langenegger allerdings einen häufig bemühten Kniff: Sie involvieren eine ermittelnde Person persönlich in den Fall. Zuletzt war das im Dresdner Tatort Unter Feuer, im Kölner Tatort Diesmal ist es anders oder im Wiener Tatort Dein Verlust in ähnlicher Form zu beobachten.

Aber auch diesmal geht die Rechnung aller Abgegriffenheit zum Trotz wieder auf: Godecki lauert Grandjean zu Beginn des Films auf dem Weihnachtsmarkt auf. Die Ermittlerin ahnt nicht, wem sie da an der Lebkuchenherzbude gegenübersteht, und dass der attraktive Mann im maßgeschneiderten Mantel nicht nur für einen aktuellen Toten, sondern auch für mehrere Morde verantwortlich zeichnet, für die sie als junge Ermittlerin in der Westschweiz fälschlicherweise einen Unschuldigen verhaftet hatte.


GODECKI:
Es tut mir leid, ich hab‘ keine Zeit für korrektes Sozialverhalten. Nicht mehr. Hier drin wächst der Tod. (zeigt auf seinen Kopf)

GRANDJEAN:
Im Ernst? Ein Hirntumor zum Flirten?

Godeckis todbringender Tumor, der Erinnerungen an die ersten Auftritte des hessischen Tatort-Kommissars Felix Murot (Ulrich Tukur) weckt (vgl. Das Dorf), macht den mordenden Psychopathen im teuren Anzug zum unberechenbaren Antagonisten. Wer nichts mehr zu verlieren hat, dem ist schließlich alles zuzutrauen. Grandjean lässt sich nicht nur auf ein Schäferstündchen, sondern auch auf ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel mit ihm ein. Und fahndet diesmal ohne Rücksicht auf Vorschriften und Befindlichkeiten im Alleingang, um einen schlimmen Fehler der Vergangenheit korrigieren zu können. Die Folge gehört ganz ihr.

Regisseur Michael Schaerer (Zwischen zwei Welten), der beim Vorgänger Von Affen und Menschen ebenfalls am Ruder saß, entspinnt aus der brisanten Konstellation einen fesselnden und stimmungsvollen Psychothriller. Die Klaviatur des Serienmörder-Genres spielen die Filmschaffenden routiniert durch, wenngleich das Drehbuch die ausgetretenen Pfade selten verlässt und auf bekannte Versatzstücke setzt: Statt sie etwa einfach zu töten, serviert der Killer den Todgeweihten den aus der griechischen Historie bekannten Schierlingsbecher. Zahlen und Botschaften führen zum Leichnam, rätselhafte Objekte am Tatort zum Motiv, Muster aus der Vergangenheit zum Mörder. Neu ist das nicht, aber es funktioniert unheimlich gut.

Kleinere Schönheitsfehler wie die einmal mehr recht plump abgespulte Kapitalismuskritik (vgl. Der Elefant im Raum oder Seilschaft), die eher bemüht eingeflochtene Nebenhandlung um Otts Mitbewohner Charlie Locher (Peter Jecklin) und eine Begegnung mit einer früheren Gin-Tonic-Bekanntschaft fangen in Fährmann dafür andere Stärken auf. Die bis dato recht blasse Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) etwa droppt mehrere witzige One-Liner und auch Assistent Noah Löwenherz (Aaron Arens) stiehlt zwei Szenen. Besonders packend ist ansonsten das Schlussdrittel: Einem akuten Lebensgefahr-Moment und dem fiebrigen Showdown folgt noch eine letzte, bittersüße Schlusspointe am Styx-Ufer.

Und da ist, allen voran, Lucas Gregorowicz, der in der ungewohnten Episodenhauptrolle als Bösewicht zu großer Form aufläuft: Wenngleich sein perfider Mörder als Figur nicht mit Kult-Killern wie Kai Korthals (Lars Eidinger, Borowski und der stille Gast) mithalten kann, hinterlässt der frühere Polizeiruf-110-Kommissar im Psychoduell mit Grandjean trotz seines bewusst reduzierten Spiels nachhaltig Eindruck. Godeckis Antrieb bleibt zwar bis zum Finale etwas rätselhaft – dennoch ist Fährmann bis dato eindeutig die beste Folge der Zürcher Ermittlerinnen. Im Jahr 2024 sind die beiden endlich in der Krimireihe angekommen.

Bewertung: 8/10


Kommentare

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24 Antworten zu „Fährmann“

  1. Toller, estrem spannender Thriller! 8 Punkte sind verdient! 👍🏻

  2. Wieso kommen keine neuen Kritiken mehr?

    1. Wie kommst du auf die Idee? Sie erscheinen wie gewohnt direkt nach der TV-Premiere.

      1. Bei mir wurden sie erst heute sichtbar…

  3. Avatar von Bernd Engels
    Bernd Engels

    Gut dass unsere Polizeibeamten nicht so sind. Es gibt Schauspieler, die auch für wenig Geld alles spielen. Der Tatort war unterirdisch.

  4. Wieder mal viel zu viele Untertitel. Wenn ich lesen will nehme ich mir ein Buch. Und denkt auch mal an sehbehinderte Menschen! Deshalb haben wir abgeschaltet.
    Als Tatort-Fan schon traurig!

  5. Avatar von Dietmar Herr Seidelmann
    Dietmar Herr Seidelmann

    Erschreckend was aus dieser Kultserie geworden ist ! Für den Sonntagabend sollte man sich getrost etwas anderes vornehmen…

  6. Avatar von B. Boedeker
    B. Boedeker

    Was für ein Quatsch!
    Völlig realitätsfremde, und mehrfach illegal handelnde Kommissarin Grandjean. 2 Kommissarinen ohne jeglichen Esprit. Dazu ständiges Abgleiten in die Mythologie des Hades-Fährmanns mit total albernen und nervenden Einspielern.
    Eine Folge zum Ausschalten!!!!
    P. S. :
    Immerhin hat Gregorowicz den Psychopathen hervorragend gespielt.

  7. Dieser Tatort war sehr spannend, aber nur Dank der hervorragenden schauspielerischen Leistung von Lucas Gregorowicz, der fast schon an das Niveau eines Anthony Hopkins alias Hannibal Lecter herankam. Nur das Ermittler-Team war diesmal besonders schwach und unglaubwürdig. Allen voran die Kommissarin Grandjean, die sich hier als dumme, notgeile und team-unfähige Kommissarin zeigte. Sie gehört fristlos entlassen, da sie nicht fähig ist im Team zu arbeiten, und damit die Ermittlungsarbeiten stark behindert! Ich kann nur hoffen, daß dies der letzte Tatort mit dieser dämlichen Ermittlerin war!

  8. Avatar von Anonymous

    War echt ein guter Tatort.
    PS: Der Täter wurde am Ende mehrfach mit dem Nachnamen Godecki bezeichnet und nicht mit Kowalski, so wie es oben im Kritik Text drin steht, auch wenn in manchen offiziellen Angaben auch „Kowalski“ genannt wurde.

  9. Uns hat der Tatort im Gegensatz zu dem langweiligen Quatsch aus Münster von voriger Woche gut gefallen. War halt mal was anderes. Die beiden Ermittlerinnen fanden wir in den ersten Folgen nervig, aber inzwischen sind die doch ganz gut- weiter so.

  10. Ich fand den Fährmann super.

    1. und ich dachte immer… schlimmer geht nimmer. Hab ich mich geirrt. Schlimmer geht immer…

  11. Avatar von Dr. Wilhelm Geisemeyer
    Dr. Wilhelm Geisemeyer

    Es ist traurig. Da bemühen sich gute Schauspieler, eine völlig abgefahrene Story einigermaßen darzustellen. Bei allem Bemühen: das ist nicht sehenswert. Total herbeigeholter Inhalt, kaum nachvollziehbarer Plot, eifrig bemüht, aber wirklich: überflüssig. Braucht kein Mensch.

  12. Mindfuck gequirlt….schade, der Tatort wurde früher bei uns Sonntags ritualisiert konsumiert. Leider ist uns der Spass daran vergangen. Wer denkt sich denn bloss so einen Mist aus.

  13. Als Schweizer und (sorry) Normalo (wie 99% der Zuschauer) hab ich mich über diese dämlichen zwei Damen wieder mal nur genervt. Möchtegern, idiotisch links-verklärt, ohne jeden Sinn und Spass. Die zwei sind einfach nur peinlich – aber damit es gesagt ist: es gibt in der Schweiz nur wenige, die diese Tatorte irgendwie gut finden. Das ist nicht Frauenpower, das ist nur Frauenschauer. Grässlich. Typisch für die SRG, hat nichts zu bieten, ausser Woke.

    1. Wie wahr, wie wahr.

  14. Avatar von Frau Angelika Jensen
    Frau Angelika Jensen

    Wow, dieser Tatort hatte das gewisse etwas.
    Der war mal wieder richtig gut.

  15. Avatar von BLAUROCK, Eheleute
    BLAUROCK, Eheleute

    Wir lassen mal die schlimmen Wörter weg – aber doch soviel :
    Nach Jahrzehnten Tatort- Konsum war dieser „Fährmann „ das Schlimmste, was wir je genießen durften!!

  16. Avatar von Peter Kußmaul
    Peter Kußmaul

    Vielleicht liegt es an den unglaublich guten Serien bei den Streaming Anbietern aber wer schon einmal in den Genuss von Serien wie Mindhunter, True Detectiv oder Fargo gekommen ist, der schläft bei so einem Tatort über kurz oder lang ein und hat meiner Meinung nach auch wirklich nichts verpasst.
    Dann doch lieber lustig mit Thiel und Boerne.

  17. Avatar von BLAUROCK, Eheleute
    BLAUROCK, Eheleute

    Wir sind Tatort – Konsumenten seit Jahrzehnten und haben nie kritisiert, aber so einen Scheiß wie in diesem „ Fährmann „ haben wir noch nie gesehen!!!!

  18. Avatar von Thomas Kirsten
    Thomas Kirsten

    Der Zürich Tatort ist der letzte
    Müll, hier werden Gebührengelder
    Verbrannt.

    1. Völlig absurd. Vielleicht sollten sich die Tatortmacher mal auf ihre primäre Aufgabe,nämlich das Publikum mit der Lösung von Kriminalfällen zu unterhalten besinnen.Gutgemachte Krimis gehen anders und heißen anders. Z.b. Nachtschicht,Harter Brocken oder Sahra Khor .

  19. Es wird immer schlimmer.

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