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Des anderen Last

Folge: 1252 | 3. Dezember 2023 | Sender: WDR | Regie: Nina Wolfrum

Bild: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke
So war der Tatort:
Vorweihnachtlich.
Denn passend zur Erstausstrahlung am 1. Advent 2023 spielt Des anderen Last in der hektischen und für Paketzusteller stressigsten Zeit des Jahres: wenige Tage vor Heiligabend. An jenen Tagen also, an denen die meist unterbezahlten und oft am Rande der Legalität beschäftigten Fahrer von DHL, Hermes & Co. in der Hoffnung auf ein Trinkgeld schon mal in Weihnachtsmann-Montur an der Tür klingeln (müssen), um ein kleines Trinkgeld abzustauben – aber oft nicht mal ein Dankeschön von denen ernten, die ihre Geschenke lieber bei Amazon ordern, als den Einzelhandel in der Innenstadt zu stärken.
Ein Gesellschaftsthema, wie gemalt für einen Tatort aus Domstadt – und darum lassen sich Drehbuchautor Paul Salisbury (zweiter Kölner Tatort nach Schutzmaßnahmen) und Regisseurin Nina Wolfrum (dritter Tatort nach Niemals ohne mich und Wie alle anderen auch) auch nicht lange bitten. Sie konstruieren einen Whodunit der klassischen Bauart, wie er am Rhein seit über 25 Jahren erfolgreich erzählt wird und sich über die Dekaden eine treue Fangemeinde aufgebaut hat. Ein Mord zum Auftakt, eine halbes Dutzend Verdächtige und bodenständige Ermittlungsarbeit – das sind die üblichen Zutaten.
Nach dem tödlich endenden Überfall auf den Paketfahrer Milan Strasser (Dennis Svensson), der von einem als Weihnachtsmann kostümierten Unbekannten niedergestochen wird, übernehmen die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) den Fall. Unterstützt werden sie einmal mehr von Rechtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch), dem Kollegen Norbert Jütte (Roland Riebeling) und Kriminaltechnikerin Natalie Förster (Tinka Fürst), der in diesem Tatort – zum zweiten Mal nach Spur des Blutes – eine sehr gewichtige Rolle zukommt.
Förster lässt sich nämlich undercover als Fahrerin in der Spedition der profitgesteuerten Sybille Jäger (Susanne Bredehöft) einschleusen, wie es Tatort-Figuren aus der zweiten Reihe (unabhängig von ihrem eigentlichen Tätigkeitsbereich) gerne mal tun. Man denke in den Jahren zuvor an Leonessa, an Pumpen oder an Wer zögert, ist tot. Einleitend will aber zunächst das Thema des Themenkrimis zwischen den Kommissaren verhandelt werden – auch das ist typisch für den Kölner Tatort und die Krimireihe im Allgemeinen. Dabei übertreiben es die Filmemacher diesmal nicht mit sorgenvollen Mienen der Kriminalisten: Ein paar abfällige Worte von Freddy Schenk reichen aus, um das Los einer ganzen Branche auf den Punkt zu bringen.

BALLAUF:
Wo warst’n du die ganze Zeit?
SCHENK:
Weihnachtsgeschenke.

BALLAUF:

Kann man doch auch im Internet bestellen.
SCHENK:
Damit die armen Schweine noch mehr zu schleppen haben?


Des anderen Last wäre thematisch perfekt als Krimi für den 2. Weihnachtstag denkbar gewesen, doch ist die Sache für ein entspanntes Ausklingen der Feiertage vielleicht einfach zu ernst: Mit glaubwürdigen, wenn auch grob skizzierten Figuren wie dem für Jägers Paketdienst schuftenden Rentner „Sandalen-Klaus“ Brettschneider (Hans-Martin Stier, Schattenlos), der traurig-toughen Fahrerin Jenny Wegner (Paula Kober) oder dem rücksichtlosen Chefinnenliebling Boris Riedle (Nils Hohenhövel, Love is Pain) wird das knüppelharte Tagesgeschäft in den Zustellfahrzeugen schonungslos filetiert. Ein Empfehlungsschreiben für einen Vollzeitjob in der Branche ist das Krimidrama sicher nicht. Aber auch nach Feierabend hat hier jeder sein Päckchen zu tragen.
Gleichzeitig gönnt sich der Film hier und da Heiterkeit – etwa dann, wenn Freddy Schenk sich partout weigert, seiner Gattin eine teure Handtasche zu schenken („Nee, Susanne!“) oder Jütte beim heimlichen Online-Shopping im Präsidium daran verzweifelt, das passende Präsent für seinen Wichtelpartner zu finden („Je länger ich drüber nachdenke, umso schlimmer wird’s.“). Zu den warmherzigsten Momenten zählen die Besuche beim einsamen Rentner Erich Lobusch (grandios: der kurz nach den Dreharbeiten verstorbene Dieter Schaad, Das fleißige Lieschen), der sich von seiner Nachbarin täglich seinen Adventskalender öffnen lässt, weil er selbst die Zahlen der Türchen nicht mehr entziffern kann. Das hat was von einem Edeka-Werbespot.
Als Krimi zum Miträtseln fällt der 1252. Tatort aber nicht ganz so überzeugend aus – mit Blick auf die Figuren und mehrere frühe Andeutungen ist die Auflösung der Täterfrage nur Formsache. Auch echte Spannungsmomente sind rar gesät, sie generieren sich etwa aus bekannten Jetzt-könnte-die-Tarnung-gleich-auffliegen-Momenten bei Fürsts Undercover-Recherchen in den Räumen der Spedition. Und auf der Zielgeraden driftet der Tatort leider in den Kitsch ab: An die bedeutungsschwangeren Zeitlupen zu schnulzigen Popsongs hat man sich bei Ballauf und Schenk längst gewöhnt – aber müssen den Kriminalisten beim gemeinsamen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt wirklich noch die ersten Kunstschneeflocken des Jahres ins Gesicht schneien? Da wäre weniger mehr gewesen.
Bewertung: 6/10

👀 Rückblick: So war der Vorgänger „Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“


Kommentare

27 Antworten zu „Des anderen Last“

  1. 7,5 von 10 Punkten

  2. Sehr guter Tatort aus Köln. Nachvollziehbare Handlung, Kommissare sind nicht verwandt oder befreundet mit den Tätern und haben keine Psychosen, sie werden nicht suspendiert. Nur ein etwas unrealistisch erscheinender Undercover Einsatz.

  3. Seit langem endlich wieder mal ein supertoller Tatort. Vielen Dank dafür!

  4. Einer der besten Kölner Tatorte! Sehr glaubwürdige Schauspieler, sehr tolle Geschichte! Von Anfang bis Ende gelungen. (Kritiker können nur kritisieren!!!)

  5. Das war ein Supertatort mit hervorragenden schauspielerischen Leistungen, sehr spannend und einfühlsam. Danke an das tolle Kölner Team. 9 von 10 Punkten.

  6. Weis jemand ob man diesen weihnachtsmann fürs Auto irgendwo bekommt??

  7. Mittelmäßig 5 pkt da fehlte Spannung, eher was fürs Vorabend Programm, aus der Story wäre was zu machen gewesen, aber zu harmlos und artig , der Weihnachts Kalender sollte wohl Spannung bringen

  8. Avatar von der blanke Hans
    der blanke Hans

    Vorab: Mal wieder ein Tatort- Max & Freddy können es einfach. Kein privaten Scharmützel, gendern etc.etc. Die Story an sich wäre eigentlich etwas für eine Doku – traurig traurig was tatsächlich nicht nur bei (Paket) Zustellern abläuft. Ich sehe ja ein, dass 2x 25kg Katzenstreu begleitet von 1 Pallette Katzenfutter für ältere Menschen im 5 Stock ohne Fahrstuhl sein müssen – aber ohne diese "unsere" Fahrer würde nicht viel gehen… und ja – leider verschwinden immer wieder Pakete – ob durch kriminelle Banden oder eben leider Gottes manchmal auch aus den eigenen Reihen. Fazit: Von allen gute schauspielerische Leistung – der "Fall" sonst ganz interessant… 6,5 ****** Sterne sind ok

  9. …super Tatort 5 Sterne …

  10. Swhr vorausschaubar. Es war gleich klar, dass die Paketbotin die Mörderin war. Der einzige Horror in diesem Tatort? Das Gendern! Leute lasst das, beleidigt nicht die Frauen die auf ein * reduziert werden.

    1. achso dir ist es also lieber Frauen gar nicht zu erwähnen, erbärmlich

  11. Ein sehr guter Tatort aus Köln, der ausnahmsweise über das solide Mittelmaß hinausgeht – und doch leider einige (kleinere) Schwächen aufweist.

    Typisch für den Kölner Tatort ist die Gesellschaftskritik, die hier, anders als sonst, sehr wohl dosiert ist und durchaus zum Nachdenken anregt. Großes Lob auch dafür, dass der Kriminalfall von der Message nicht unterdrückt wird. Spannungsmomente sind zuhauf vorhanden – man denke etwa an den ergreifenden Tod des Unsympathen Boris, dem man so eine Todesangst und das Ende dennoch keineswegs wünscht.
    Toll ist auch die Figurenzeichnung in diesem Film: Von der Tatperson, deren Handeln wir gut nachvollziehen können, bis hin zu kleineren Figuren wie der Tochter des "Sandalen-Klaus" – sie alle haben ihr Paket zu schleppen und berühren durch ihr Schicksal. Selbst die strenge Chefin ist gar nicht mal so unsympathisch und weit entfernt vom Klischee.
    Etwas Besonderes ist auch die Tatperson als Sympathieträger, was besonders durch die leicht kitschige, aber herzerwärmende Beziehung zum älteren Nachbarn deutlich wird.

    Kleine Schwächen sind aber nicht von der Hand zu weisen: Die Auflösung der Täterfrage ist gewiss nicht das Hauptqualitätsmerkmal, aber auch keine Vollkatastrophe.
    Einige Handlungsschwenker sind komplett absurd, aber angesichts des hohen Unterhaltungswertes verzeihlich, etwa die Undercover-Aktion der Kriminaltechnikerin (geht fast schon in Richtung Münster) oder ihr leichtsinniger Sprung aus dem Fenster. Hätte sie nicht einfach die Kommissare anrufen und um Hilfe bitten können?
    Und ja, das Ende ist wirklich purer Kitsch, was übrigens auch auf die geschmacklosen Geschenke zutrifft.

    Aber das sind alles Kleinigkeiten in einem sonst sehr gut gelungenen Tatort: Insgesamt 7/10 (mit Tendenz nach oben!) von mir.

  12. Ich fands heute etwas langweilig. 4/10

  13. Mal wieder ein guter Tatort. Auf Schenk uns Ballauf ist Verlass.
    Auch braucht man keine Untertitel wie beim Österreich Tatort.

  14. Sehr realitätsnahe Darstellung eines Milieus, spannend, wenn auch vielleicht etwas überzogen. Dennoch: Genau so muss ein “Tatort” sein, und nicht so eine pseudo-intellektuelle Psycho-Kacke wie in den meisten anderen der jüngeren Zeit.

  15. Avatar von Macadoli

    Spannend und einfühlsam. Kölner Team sehr sympathisch und auch die anderen Darsteller wunderbar dargestellt. Dickes Lob!

    1. Dem stimme ich voll zu. Ein sehr nachdenklich ? machender Tatort aus Köln.

  16. Endlich mal wieder ein spannender und gut gespielter Tatort ohne Schnörkel. Gute Geschichte, machte nachdenklich!

  17. Mir hat der Tatort heute sehr gut gefallen. Ich fand ihn sehr unterhaltsam und spannend.

  18. Bis 21:05 hatte ich durchgehalten, dann half nur noch das AUS.
    …aber immerhin haben die Sonntag-Abends-Basher hier wieder ihren dummdreisten Auftritt gehabt !

  19. Schöne uns gut erzählte Geschichte.
    Mir hat der Tarort gefallen.

  20. War ein echt guter Krimi, und gefühlvoll. Zum Glück mal wieder ein richtiger Tatort

  21. Tragisch und fein erzählte Geschichte. Bin echt gerührt !

  22. So la la, 6.5/10

  23. Auf Köln ist Verlass. Solide Arbeit ohne idiotische Experimente oder Genderwahnsinn. Toll!

    1. Hauptsache, völlig zusammenhanglos noch was zum Gendern unterbringen. Peinlich.

    2. sorry, aber solche Kommentare sind es die peinlich sind

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