Folge: 1191 | 27. Februar 2022 | Sender: BR | Regie: Christine Hartmann
Närrisch.
Kehraus spielt nämlich mitten im bayrischen Faschingstrubel: Die Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) suchen den Mörder eines Goldhändlers, der wenige Tage vor Rosenmontag nach dem Besuch einer Faschingsparty tot in einem Park liegt – und seine potenziellen Mörderinnen und Mörder sind, so hat es den Anschein, allesamt kostümiert.
War es der angeheiterte Indianer, pardon: der amerikanische Ureinwohner, mit dem der Tote auf der Feier in einer Münchner Kneipe aneinandergeraten war? Oder das volltrunkene Rotkäppchen, mit dem sich der Ermordete auf ein Techtelmechtel eingelassen hatte? Und was haben der Hippie und die Hexe beobachtet?
Die Ausgangslage ist wie gemalt für eine knifflige Tätersuche und einen ironisch angehauchten Whodunit – und die Drehbuchautoren Stefan Holtz (
KI) und Stefan Betz, der wie gewohnt in seiner Nebenrolle als Ritchy Semmler vor der Kamera zu sehen ist, lassen die Steilvorlage nicht ungenutzt. Die Ermittler nehmen selbst am Karnevalstrubel teil: Während der als Kapitän verkleidete, nicht mehr ganz nüchterne Batic vor dem nächtlichen Im-Park-liegt-eine-Leiche-Anruf zwei angeheiterte Bienchen mit in die Wohnung von Faschings- und Oktoberfest-Muffel Leitmayr schleppt, kuriert der verkaterte Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) seine Kopfschmerzen im Präsidium aus.
Alles nett anzusehen und eine Zeit lang ganz amüsant, doch fallen der trockene Humor und der sympathische Dialogwitz diesmal nicht ganz so spaßig aus wie im vieldiskutierten, stellenweise urkomischen Vor-Vorgänger
Dreams, der ein halbes Jahr später als
Kehraus gedreht, aber vier Monate früher ausgestrahlt wurde. Daran ändert auch der gelungene Doppel-Gag um ein
Steve-Jobs-Zitat wenig: Während Batic nachdenklich gestimmt ist, kontert Leitmayr gewohnt souverän.
BATIC:
Du bist der Durchschnitt der fünf Leute, mit denen du dich am meisten umgibst. Das heißt: Du kannst nur so gut sein wie die, die dauernd um dich herum sind.
LEITMAYR:
Hast du aber Glück gehabt.
BATIC:
Die einen sagen so, die anderen so.
Dass der 1191. Tatort mitten im zweiten
Corona-Teil-Lockdown im November 2020 entstand, ist dem Krimi kaum anzumerken: Die unter strengen Hygienevorgaben gedrehten, mit schönem 80er-Jahre-Soundtrack vertonten Faschingssequenzen wirken authentisch und das Einhalten der Abstandsregeln, sofern es vor der Kamera praktiziert wird, schmälert das Filmvergnügen nicht im Geringsten. Auch die Masken sind nicht etwa medizinischer (wie in
Die dritte Haut), sondern karnevalistischer Natur.
Kehraus, der 2022 pünktlich zum Höhepunkt der fünften Jahreszeit seine TV-Premiere feiert, ist dennoch eine kleine Enttäuschung. Nach dem humorvollen ersten Filmdrittel kommen die Ermittlungen unter Regie von Christine Hartmann (
Kaputt) nämlich nie richtig auf Touren und sind – zumindest mit Blick auf den Mordfall – überraschenderweise auch schon nach einer Stunde wieder vorbei.
Viel dreht sich um das unter Tatverdacht stehende, bis über beide Ohren verschuldete „Rotkäppchen“ Silke Weinzierl, charismatisch gespielt von Nina Proll (
Die harte Kern), mit deren Besetzung so mancher Zuschauer nach ihren Aktivitäten im Rahmen der peinlichen
#allesdichtmachen-Kampagne allerdings ein Problem haben dürfte. Eine sympathische Figur spielt die dem Querdenker-Milieu zuzuordnende Wienerin nicht, eine vielschichtige schon. Vor allem ist Silke aber auch eine Frau, zu der wir kaum Zugang finden – und eine, die sich bei den Streitereien mit Sohnemann Leonardo (Lennox Völklein) oder den Flirt-Szenen mit Batic durch bemühte Reißbrett-Dialoge auf Vorabend-Niveau hangeln muss.
Nach der ungewohnt frühen Auflösung des Mordfalls wird dann noch eine halbgare zweite Geschichte erzählt, weil sich der Ermordete mit organisierten Kriminellen aus Südafrika eingelassen hat. Das kann mit Blick auf die knappe Spielzeit kaum funktionieren: Der Zweitplot allein böte schon Potenzial für einen eigenen Sonntagskrimi und entwickelt entsprechend wenig Tiefgang. Da darf der skrupellose Klischee-Gangster Hergen van Doorn (Moritz Vierboom,
Bausünden), der sich in ermüdenden Drohgebärden übt, natürlich ebenso wenig fehlen wie die für die Krimireihe typische, kurze Verfolgungsjagd, die schon wieder vorbei ist, ehe sie richtig begonnen hat.
So bleibt nach dem Abspann trotz der guten Ansätze wenig im Gedächtnis haften – das ist nach einer Faschingsparty aber ja oft ganz ähnlich.
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