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Der böse König

Folge: 1163 | 11. April 2021 | Sender: SWR | Regie: Martin Eigler

Bild: SWR/Benoit Linder

So war der Tatort:

Mikroexpressiv.
Denn Fallanalytikerin Johanna Stern (Lisa Bitter), die ihre Fähigkeiten nach jahrelanger analytischer Enthaltsamkeit auch schon im enttäuschenden Vorgänger Hetzjagd endlich mal wieder unter Beweis stellen durfte, setzt in Der böse König auf eine besondere Technik: Sie bittet den Hauptverdächtigen Anton Maler (stark: Christopher Schärf, Her mit der Marie!) zum Verhör vor der Kamera und wertet seine Mikroexpressionen – zum Beispiel das Weiten seiner Pupillen – anschließend am Laptop aus.
Ob diese Methode zur Überführung des Täters und zum Entlarven seiner Lügen wirklich nötig gewesen wäre, darf am Ende allerdings bezweifelt werden, denn Regisseur und Drehbuchautor Martin Eigler (Sturm) setzt bei seinem siebten Tatort-Skript auf eine durchaus ungewohnte Struktur: Mutet die erste Hälfte noch an wie ein recht biederer Whodunit, spitzt sich das Geschehen in der Folge so eindeutig auf Maler zu, dass dessen Schuld weder vom Zuschauer, noch von Stern und Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ernsthaft bezweifelt werden kann.
Bis zu diesem Zeitpunkt läuft in Ludwigshafen eigentlich alles wie immer: Nach dem Mord an Spätkaufbetreiber Sandro Esposito (Christoph Gaugler, Wunschdenken), in dessen Luftröhre Rechtsmediziner Dr. Özcan (Kailas Mahadevan) vier Münzen findet, stellt Odenthal ein Dutzend Fragen aus dem Krimi-Baukasten, Assistentin Edith Keller (Annalena Schmidt) und SpuSi-Leiter Peter Becker (Peter Espeloer) fungieren als Stichwortgeber und Stern erzählt mal wieder von ihren Kindern, die der Zuschauer seit ihrem Debüt im Tatort Blackout von 2014 noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen hat. Damit aber nicht genug: Die Fallanalytikerin wird diesmal auch angeflirtet.

MALER:
Hab ich’s doch gewusst, dass Sie das schnell durchziehen. Unschuldig gucken mit Ihren schönen Augen, aber dann: knallhart zuschlagen.

STERN:
Wenn Sie versuchen, mit mir zu flirten, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist nicht die optimale Situation.

MALER:

Wann wäre die denn?


Nicht von ungefähr hat Filmemacher Martin Eigler auch das Drehbuch zum Stuttgarter Tatort Der Mann, der lügt geschrieben: Sein starker Krimi von 2018 stand für den Fall aus Ludwigshafen offensichtlich Pate. Gut kopiert ist aber immer noch besser als schlecht selber gemacht – und so ist Der böse König nach Unter Wölfen und Hetzjagd nicht nur der dritte LU-Tatort binnen dreieinhalb Monaten, sondern das bis dato Beste, das in den Jahren nach dem Abschied von Mario Kopper (Andreas Hoppe) in der Kurpfalz entstanden ist.
Nach und nach fällt das Lügenkonstrukt des narzisstischen und massiv manipulativen Hauptverdächtigen in sich zusammen, ohne dass die Ermittlerinnen oder Malers rätselhaft erkrankte Freundin Caro Meinert (Lana Cooper, Das ist unser Haus) sonderlich viel dafür tun müssten – und nach und nach kommt auch ans Licht, dass weder der viel zu verdächtige, kleinkriminelle Jannik Berg (Pit Bukowski, Borowski und das Fest des Nordens), noch der Campingplatz-Hausmeister Murat Korkmaz (Özgür Karadeniz, Land in dieser Zeit) wirklich als Mörder infrage kommen.
Wirklich spannend wird es aber erst, als die Karten auf dem Tisch liegen, denn dann macht Eigler aus denen, die sich in den Tatort-Jahren zuvor vor allem in künstlicher Betroffenheit geübt haben, auf einmal echte Betroffene: Stern erhält ungebetenen Besuch vor ihrer Haustür und sieht sich in eine zunehmend beunruhigende Lage versetzt. Das führt gleichzeitig dazu, dass das Publikum erstmalig ihre zwei Töchter und ihr Kindermädchen zu sehen bekommt und den „Sternen“, wie sie sich selbst auf dem Anrufbeantworter melden, im Geiste beistehen darf.
Eine Kommissarin persönlich zu involvieren und akuter Gefahr auszusetzen, ist zwar kein origineller, aber ein effektiver Drehbuchkniff, der im Hinblick auf Lena Odenthal schon oft funktioniert hat (vgl. Der kalte Tod oder Der Hauch des Todes), und so ist es auch hier: Hauptdarstellerin Lisa Bitter, die bisher selten aus dem langen Schatten von Ulrike Folkerts heraustrat, macht diesen Tatort zu ihrem Tatort und darf beim packenden Showdown auch endlich einmal eine Kostprobe ihres schauspielerischen Könnens geben. Das tut nicht nur dem Film gut, sondern auch ihrer Figur, die bei vielen Fans der Reihe einen schweren Stand hat.
Abzüge gibt es allerdings in der B-Note: Die kleinen Nebenrollen im 1163. Tatort sind nicht alle überzeugend besetzt, die Vorsehbarkeit hemmt das Mitfiebern deutlich und auch die Logiklöcher im Skript sind selbst mit zwei zugedrückten Augen nicht zu übersehen. Dennoch ist Der böse König für den (auch von uns) oft gescholtenen Tatort aus Ludwighafen nach Jahren der Enttäuschung ein echtes Lebenszeichen – und die Hoffnung stirbt zuletzt, dass der SWR bei seinem Krimi aus der Stadt am Rhein doch noch einmal die Kurve bekommt.
Bewertung: 6/10


📝 So war der letzte Tatort: Kritik zum Tatort „Der Herr des Waldes“


Kommentare

5 Antworten zu „Der böse König“

  1. Avatar von Unknown

    Erstklassig gespielter Bösewicht, eine sympathische, zunehmend bedrohte Ermittlerin und die daraus und dem narzisstischen Gebaren resultierende Faszination, sowie emotionale Verbindung der Zuschauer*innen zum Geschehen, lassen mir diese Folge sehr positiv in Erinnerung bleiben.

  2. Ein Tatort, wie ihn sich viele am Sonntagabend einfach wünschen – nichts Extraorbitantes oder allzu Originelles, aber spannend und mit interessant angelegten Figuren. Sehr solide, hat mir trotz seiner Schwächen gut gefallen. 6/10 sind genau richtig. Nach der katastrophalen Folge beim letzten Mal also wirklich eine tolle Steigerung. Weiter so, Odenthal und Stern!

  3. Endlich kommen die schauspielerische hervorragenden Ermittlerinnen mal angemessen zur Geltung. Ein spannender, toller Tatort!

  4. Avatar von Unknown

    Ein spannender und fesselnden Tatort !

  5. Cooles Team und gut gemachter Tatort. Nie ist alles perfekt, aber gutes Level und gute Unterhaltung.

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