Folge: 1080 | 13. Januar 2019 | Sender: ORF | Regie: Thomas Roth
Bild: ARD Degeto/ORF/Cult Film/Petro Domenigg |
So war der Tatort:
Fredofrei.
Denn die Wiener Sonderermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) müssen bei ihrem 20. gemeinsamen Einsatz nicht nur auf die Insidertipps der kultigen Kiezgröße Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz, starker Auftritt im Vorgänger Her mit der Marie!), sondern auch auf die Unterstützung ihres Assistenten Fred „Fredo“ Schimpf (Thomas Stipsits) verzichten: Der weilt in Wahre Lügen auf einer Fortbildung – und so reisen die Ermittler allein an den im tristen Regenwetter wenig malerischen Wolfgangsee, aus dessen Tiefen die tote Investigativjournalistin Sylvie Wolter (Susanne Gschwendtner, Gier) gezogen wurde.
Wie gewohnt mit von der Partie ist aber ihr Chef Ernst Rauter (Hubert Kramar), der in seiner Sandwich-Position einmal mehr den Vermittler zwischen den Kommissaren und seinen Vorgesetzten aus der Politik spielt: Diesmal ist es die Generaldirektion für Innere Sicherheit in Person der aalglatten Dr. Maria Digruber (Franziska Hackl, Glaube, Liebe, Tod) und ihres arroganten Sekretärs Lukas Kragl (Sebastian Wendelin, Wehrlos), die Eisner und Fellner bei ihren Ermittlungen im Mordfall und den Hintergründen um illegale Waffengeschäfte in die Schranken weist und mit entscheidenden Informationen hinterm Berg hält.
Auch in diesem Wiener Tatort setzen sich die Sonderermittler aber eigenmächtig über die Anweisungen hinweg und recherchieren im Sinne der Gerechtigkeit weiter – müde Machtspielchen wie diese sind nur ein Beispiel dafür, wie wenig Neues die Filmemacher in diesem über weite Strecken einfallslosen Krimi vom Reißbrett zu erzählen haben.
RAUTER:Illegale Waffendeals, eine tote Journalistin, die angeblich zu viel gewusst hat… Kinder, das haben wir doch alles schon gehabt und das ist jedes Mal im Sand verlaufen.
Im Sande verlaufen die Nachforschungen im 1080. Tatort allerdings nicht: Regisseur und Drehbuchautor Thomas Roth (Die Kunst des Krieges) verknüpft die Ermordung der Journalistin mit dem Jahrzehnte zurückliegenden Tod des früheren österreichischen Verteidigungsministers, dessen Umstände nie lückenlos aufgeklärt wurden und der den Zeitzeugen Hans-Werner Kirchweger (Peter Matic, Ausgelöscht) auf den Plan ruft.
Ein durchaus reizvoller Ansatz, doch Überraschungen bleiben dabei aus: Roth reiht bei seiner Geschichte lediglich die üblichen Versatzstücke der Krimireihe aneinander und liefert kaum interessante Figuren. Neben den überzeichneten Mitarbeitern der Generaldirektion fällt ihm auch zum schmierigen Waffenhändler David Weimann (Robert Hunger-Bühler, Schlangengrube) nichts ein, was über die üblichen Klischees hinausgehen würde. Auch der Chefredakteur der Zeitung, für die das Mordopfer schrieb, bestätigt das negative Journalistenbild, das sich im Tatort so häufig beobachten lässt (vgl. Déjà-vu, Lohn der Arbeit): Was für ihn zählt, ist die Schlagzeile, egal auf wessen Kosten sie geht.
Die einzige vielschichtige Figur ist die durchtriebene Sybille Wildering (stark: Emily Cox, Kälter als der Tod), deren Motive lange rätselhaft bleiben – nach einer knappen Stunde aber legt Roth plötzlich die Karten auf den Tisch, beschert den Zuschauern einen Wissensvorsprung gegenüber den Kommissaren und nimmt seinem Film mit einer spannend inszenierten Sequenz im Luxushotel den größten Reiz, den er zu diesem Zeitpunkt ausstrahlt.
Die Auflösung der klassischen Whodunit-Konstruktion ist damit nur noch Formsache, doch lohnt sich das Einschalten aus anderen Gründen: Zwar müssen wir diesmal – wie einleitend erwähnt – auf „Fredo“ Schimpf und Inkasso-Heinzi verzichten, doch widmen sich die Filmemacher ausführlich Fellners Alkoholproblem, das vor allem in ihren grandiosen Anfangsjahren im Wiener Tatort (vgl. Vergeltung, Ausgelöscht) für Lacher am Fließband sorgte. Diesmal wird es allerdings ernst: Nachdem Fellner unter dem strengen Blick einer Ausbilderin (Madallena Hirschal) am Schießstand versagt, springt Eisner seiner Kollegin einfühlsam zur Seite. Momente wie diese sind für die Figurenentwicklung Gold wert und entschädigen ein Stück weit für so manchen logischen Lapsus im Drehbuch (Beispiel: Bärenkräfte nach Durchschuss).
Trotzdem ist Wahre Lügen unterm Strich einer der schwächeren Fälle mit Eisner und Fellner: Wenn Kripo-Chef Rauter am Ende die Konsequenzen dessen, was zuvor für so viel Zündstoff gesorgt hat, pragmatisch zusammenfasst und der Fall damit abgeschlossen sein soll, ist das schlichtweg unbefriedigend.
Schreibe einen Kommentar