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Goldbach

Folge: 1029 | 1. Oktober 2017 | Sender: SWR | Regie: Robert Thalheim

Bild: SWR/Alexander Kluge

So war der Tatort:

Kurzfristig umbesetzt.

Denn eigentlich hatte der SWR für den ersten Schwarzwald-Tatort einen echten PR-Coup gelandet: Late-Night-Talker Harald Schmidt sagte dem Sender im Dezember 2015 für den Nachfolger des Tatort aus Konstanz zu. Doch aus der geplanten Rolle als Kriminaloberrat Gernot Schöllhammer wurde nichts, denn zwei Wochen vor dem Drehstart zu Goldbach folgte aus heiterem Himmel die Rolle rückwärts: Schmidt sagte im März 2017 aus persönlichen Gründen ab und eröffnete Spekulationen über zu hohe Gagenforderungen und gesundheitliche Probleme.

Die aus der Not geborene Last-Minute-Neubesetzung ging fast unter: Steffi Kühnert (Zirkuskind) sprang ein und ist als Kripochefin Cornelia Harms nun dauerhaft an der Seite der Freiburger Hauptkommissare Franziska Tobler (Eva Löbau, Der glückliche Tod) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner, Auf ewig Dein) zu sehen. Man kann sich ausmalen, wieviele Hebel der SWR kurzfristig für den Einbau einer komplett neuen Figur in Bewegung setzten musste – doch Regisseur Robert Thalheim und Drehbuchautor Bernd Lange (Neuland) gelingt es, Harms genauso gut in die Geschichte integrieren wie die Kommissare.

Die werden zwar (noch) nicht mit nennenswertem Privatleben ausgestattet, bekommen dafür aber eine stimmige Kreuzung aus klassischem Whodunit und einem Vermisstenfall serviert: Nahe des kleinen Schwarzwald-Örtchens Goldbach wird die Leiche der elfjährigen Frieda (Alexa Luna Tröndle) gefunden – und während ihr Freund Paul (Aaron Kissiov), der mit ihr im Wald gespielt hatte, wohlbehalten zurückkehrt und nichts bemerkt haben will, bleibt sein bester Kumpel Linus (Oskar von Schönfels) verschwunden.

Da die Ermittler am Tatort ein verstecktes Waffenarsenal finden, führt die Spur nicht nur in die Idylle des Dörfchens, sondern auch ins Darknet, das sich 2017 weiterhin großer Beliebtheit in der Krimireihe erfreut (vgl. Fangschuss, Borowski und das dunkle Netz).


BERG:
Die bestellen sich Kompakt-MGs wie Druckerpatronen.

Goldbach ist ein stark gespieltes und überzeugend arrangiertes Krimidrama, denn der Zuschauer darf gleichzeitig über das Schicksal von Linus rätseln und für sich die Frage beantworten, was sich im Wald wohl zugetragen hat: Welches Geheimnis trägt Paul mit sich herum und welche Rolle spielt Waffenhersteller Stefan Pfeiffer (Christian Heller, Der Inder), der Verbindungen in die Politik hält?

Zumindest eine, die wir zum Beispiel im Tatort aus Luzern oder im Tatort aus Wien schon oft gesehen haben: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Kripochefin Harms in die Ermittlungen grätscht, weil Landesregierung und Wirtschaft ja verärgert werden könnten.

Dieser Ausflug in Richtung Politthriller bringt den Krimi aber kaum voran: Besser wären die Sendeminuten in eine etwas schärfere Skizzierung der zunehmend zerstrittenen Nachbarn und Eltern der drei in die Tat involvierten Kinder investiert gewesen, die sich gegenseitig für die Tragödie verantwortlich machen. Während für Friedas Eltern Jens (Godehard Giese, Kalter Engel) und Barbara Reutter (Victoria Mayer, Satisfaktion) eine Welt zusammenbricht, versuchen Klaus (Felix Schmidt-Knopp, Zahltag) und Steffi Buchwald (Isabella Bartdorff) ihren schweigsamen Sohn Paul auszuquetschen. Martin Benzinger (Shenja Lacher, Im Schmerz geboren) und seine Frau Nicole (Odine Johne, Stau) hingegen wissen nicht mal, ob ihr vermisster Linus je zurückkehrt.

Bei der Freilegung der zwischenmenschlichen Spannungen hat der 1029. Tatort seine stärksten Momente, aber der Film überzeugt auch ästhetisch: Schon die erste Einstellung – ein langes Panorama der verschneiten Bäume, durch die der tödliche Schuss hallt – macht deutlich, dass im neuen SWR-Tatort der Schwarzwald der Star ist.

Der Fokus auf dessen Natur zieht sich ebenso wie ein roter Faden durch den Tatort wie der tolle düstere Klangteppich, während Verfolgungsjagden über Stock und Stein und die Indiziensuche im Unterholz in der Krimireihe eine willkommene Abwechslung bieten (ähnlich provinziell geht es meist nur im Tatort aus Österreich oder im Tatort aus Niedersachsen zu). Hier offenbart sich auch die Nähe zu Skandinavien-Krimis, mit denen das Debüt von Tobler und Berg in Sachen Spannung und Gruselfaktor aber nicht ganz mithalten kann: Vor allem im Mittelteil schleichen sich einige Längen in die Handlung ein. Dennoch ist Goldbach eine gelungene und atmosphärisch unheimlich dichte Premiere – wenn auch mit einer vorhersehbaren Auflösung.

Bewertung: 7/10


Kommentare

2 Antworten zu „Goldbach“

  1. Ich finde, der Tatort "Goldbach" ist sehr gelungen: Spannend, tiefgründig und ergreifend. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich verschiedene Menschen auf die verzwickte Situation reagieren. Vor allem überzeugen die tollen Bilder, die den Tatort bezüglich des Ortes unaustauschbar machen, sowie die hervorragenden schauspielerischen Leistungen. Neben den gewohnt tollen Leistungen erfahrener Schauspieler überraschen erstaunlich gute Kinderschauspieler. Props!
    Kleine Längen gegen Ende sowie einige gestelzte Dialoge mindern den hohen Unterhaltungswert nicht erheblich.
    So sagt der Vater an einer Stelle zu seinem Kind: "Hast du dir etwas zu Schulden kommen lassen?" Ernsthaft?
    Was kann man zu den Kommissaren sagen? An die zwei nichtssagenden Schlaftabletten hat man sich nach mittlerweile 5 Jahren schon gewöhnt. In diesem Film gibt es aber wenigstens (noch) kein nervtötendes Gezanke, das später einige Filme empfindlich traf.
    Unterm Strich ein sehr guter Einstand: Zu recht 7/10 Punkte.

  2. Avatar von Evaunddiebücher
    Evaunddiebücher

    So öde wie die Gegend und so durchsichtig. Total langweilig und vor allem uncoole Ermittler.
    Schöne heile Welt und achja etwas gegen Waffen… 1 Stern

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