Folge: 1040 | 26. Dezember 2017 | Sender: MDR | Regie: Ed Herzog
Bild: MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebau |
Ähnlich pointenreich und unterkühlt wie der Münster-Tatort Das zweite Gesicht.
War es 2006 der genervte Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl), der seinem Kollegen und Vermieter Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) nach einem Heizungsausfall im Winter damit drohte, seinen teuren Parkettfußboden zu verheizen, so sind es in Der wüste Gobi die Weimarer Kollegen Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner), die nach Feierabend mit arktischen Temperaturen im Schlafzimmer zu kämpfen haben. Obwohl sie ihr Kind in bester Charlotte-Lindholm-Manier ausquartiert haben und jede freie Minute zum Kuscheln nutzen, wird das Bekämpfen der Flaute im Ehebett dadurch zum Kampf gegen Windmühlen – denn Lessings lange Unterhosen entpuppen sich ebenso als Liebestöter wie Dorns kuscheliger Parka, der sogar unter der Bettdecke anbleibt.
Dieses regelmäßige Scheitern der Kommissare ist eine Weile ganz amüsant – verbraucht sich als Running Gag im Weihnachtstatort 2017 aber ebenso schnell wie die Tatsache, dass ihr emsiger Kollege Ludwig „Lupo“ Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey) regelmäßig in die aufkeimende Romantik platzt. „Das Leben ist wie ’ne Bratwurst: Man weiß nie, was drinsteckt“, kommentiert Lupo bei einem Verhör in Anspielung auf die berühmteste aller Forrest Gump-Szenen – doch für den Tatort aus Weimar gilt das schon lange nicht mehr. Auch Der wüste Gobi ist wieder gespickt mit viel Dialogwitz und unzähligen Gags, von denen aber bei weitem nicht jeder zündet.
Zu den originelleren Einfällen der Drehbuchautoren Andreas Pflüger und Murmel Clausen, die bereits die ersten vier Folgen mit Lessing und Dorn konzipiert haben, zählen die subtilen Anspielungen auf eben diese Fälle – so auch bei Dorns Gespräch mit Professor Eisler (Ernst Stötzner, Der Fall Holdt), in dem sie den Chefarzt der Weimarer Psychiatrie augenzwinkernd auf Lupos Odyssee im Vorgänger Der scheidende Schupo hinweist.
EISLER:
Der darf für Sie arbeiten?
DORN:Er hat ’ne sehr schwere Zeit mitgemacht.
EISLER:
Vielleicht schicken Sie ihn mal bei mir vorbei.
Aus eben jener Anstalt ist der gar nicht mal so böse Bösewicht dieses Schmunzelkrimis entkommen und hat neben einer toten Krankenschwester auch deren schockierte Kollegin Paola Koslowski (Mirjam Heimann, Ihr Kinderlein kommet) hinterlassen: Der dreifache Frauenmörder Gotthilf „Gobi“ Bigamiluschvatokovtschvili (Jürgen Vogel, Rendezvous) hegt neben einer starken Abneigung gegen Spinnen eine fetischähnliche Vorliebe für gestrickte Damen-Unterwäsche – und hat gleich das gesamte weibliche Pflegepersonal mit entsprechenden Dessous versorgt. Seiner Verlobten Mimi Kalkbrenner (Jeanette Hain, Fangschuss), die den Ausbrecher vorübergehend vor der Polizei versteckt, passt das natürlich gar nicht – aber ist ihr Herzblatt überhaupt der gesuchte Mörder?
Für Genrekenner ist das Erraten der Auflösung nur Formsache, doch treffen wir auf dem gemütlichen Weg dorthin zumindest auf herrlich schräge Figuren: Hobby-Jäger Eisler sammelt mit seinen trockenen Sprüchen, einem dramatisch endenden Suppen-Malheur und einem kultverdächtigen Eichhörnchen-Abschuss („Du kackst mir nicht mehr in mein Cabrio!“) jede Menge Sympathiepunkte und den psychisch labilen Gobi schließen wir dank seiner skurrilen Vorlieben ohnehin sofort ins Herz. Überhaupt scheint sich Jürgen Vogel in seiner Rolle wohler zu fühlen als bei seinem letzten Tatort-Auftritt in der schwachen Ludwigshafen-Folge LU, in der er mit Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) auf Tuchfühlung ging.
Eher unterfordert ist hingegen Jeanette Hain (Scheinwelten) in ihrer tadellos gespielten, aber eindimensionalen Rolle als Verbrecher-Verlobte – deren fast krankhafte (wenn auch berechtigte) Eifersucht will auch nicht so recht zum seichten Erzählton passen, der ansonsten vorherrscht.
Dem unterirdischen Setting in der Kanalisation, durch die Gobi nach seinem Ausbruch flüchtet, gewinnen die Filmemacher um Regisseur Ed Herzog (Côte d’Azur) zudem weit weniger ab als ihre Kollegen im herausragenden Kieler Tatort Borowski in der Unterwelt oder im zwei Wochen zuvor gesendeten Berliner Tatort Dein Name sei Harbinger: Erst in den Schlussminuten führt der Weg der Ermittler tatsächlich in die feuchte Finsternis unter der Dichterstadt – im Vorfeld krabbelt Gobi einfach verschmutzt durch einen Gullydeckel ins Freie und behauptet dann, er sei dort gewesen.
Die Fans von Lessing und Dorn werden darüber ebenso hinwegsehen können wie über die fehlende Spannung und so manchen misslungenen Gag von Kripo-Karikatur Kurt Stich (Thorsten Merten), der mit seinen vielen Flachwitzen in bester Gesellschaft ist.
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